Klimaschutz: Atlas zeigt Potenzial von grünem Wasserstoff für die Energiewende

Geschätzt könnten hierzulande bis 2040 jährlich bis zu 786 TWh an überschüssigem Ökostrom in Wasserstoff umgewandelt werden. Dazu gibt es nun eine Übersicht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 125 Kommentare lesen

(Bild: petrmalinak/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Grüner Wasserstoff gilt als wichtiger Energieträger der Zukunft. Der vom Bundesforschungsministerium mit 700.000 Euro geförderte und von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) erstellte Wasserstoffatlas Deutschland bietet nun die Möglichkeit, Potenzial, Verbrauch, Kosten und Emissionsminderungen verschiedener Wasserstoffanwendungen auf regionaler Ebene in der ganzen Bundesrepublik einzuschätzen.

Damit steht laut dem Ressort über die interaktive Online-Karte "ein flächendeckendes und frei zugängliches Instrument bereit", das den Einstieg in "konkrete technische Planungen" vor allem für Investoren, Kommunen und Stadtwerke erleichtern soll. Die Macher gehen dabei vorrangig vom Bestand der hierzulande seit 2012 erfassten Anlagen für "Power-to-X" (PtX) aus. Dieser Begriff beschreibt die Technologien zur Wandlung von Ökostrom in Wasserstoff und Folgeprodukte wie synthetische Kraft- und Rohstoffe.

Über den Atlas lassen sich der aktuelle Stand der Wasserstoffwirtschaft und die regionalen Fortschritte aufzeigen. Davon verspricht sich das Forschungsministerium auch Einblicke in "die Chancen und Potenziale von Wasserstoff für Energiewende und Klimaschutz". Das begehrte Gas soll auf dem Weg zur anvisierten Klimaneutralität etwa helfen, Produktionsprozesse in der Industrie zu dekarbonisieren, für die nach derzeitigem Stand keine anderen einschlägigen Technologien zum Vermeiden von CO₂-Emissionen zur Verfügung stehen.

PtX und damit verbundene Technologien gelten zugleich als maßgeblich für einen klimafreundlichen Luft- und Seeverkehr, in dem kein direkter Umstieg auf Grünstrom möglich ist und stoffliche Energieträger weiter nötig sind. Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien gilt dabei als die vielversprechendste Lösung. Im Vordergrund steht hier die Elektrolyse, bei der Wasser mithilfe von Strom etwa aus Wind- und Solarkraft in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff zerlegt wird. Der erzeugte H₂ kann dann etwa für chemische Prozesse direkt genutzt oder zu seinem Einsatzort transportiert werden.

In dem Atlas sind in der Kategorie "Bestand" die Standorte von existierenden PtX-Erzeugern, H₂-Verbrauchern und CO₂-Quellen erfasst. Dabei kann zwischen einer Anzeige nach Menge beziehungsweise Leistung und der Anzahl der Anlagen gewählt werden. Unter der Kategorie "Potenzial" werden die produzierbaren H₂- beziehungsweise PtX-Vermögen unter Berücksichtigung der Verwaltungsebene, Berechnungsgrundlage und des Technologiepfades visualisiert.

Über die Berechnungsgrundlagen kann zusätzlich eine Auswahl des zu betrachtenden Potenzials erfolgen. So lässt sich etwa einstellen, ob das gesamte Leistungsvermögen aus den Erneuerbaren umgewandelt werden oder der regionale Stromverbrauch und so nur der Überschuss an grüner Energie berücksichtigt werden soll. In einer Auswertungsanzeige wird das Erzeugungspotenzial in den ausgewählten Regionen dargestellt. Hier erfolgt eine grafische Gegenüberstellung der verschiedenen Stromquellen für die ausgewählten Gegenden.

Die beste Ausgangslage und das größte Potenzial besteht laut der Karte derzeit in Niedersachsen. Der dortige Umweltminister Olaf Lies (SPD) sieht in dem derzeit erfolgenden Bau von Flüssigerdgas-Terminals keinen Rückschritt bei der Energiewende. Für den Standort des ersten LNG-Anlandepunkts in Wilhelmshaven gebe es schon lange Pläne für eine Wasserstoff-Energiedrehscheibe, die angesichts des Ukraine-Kriegs und der Krise bei fossilem Erdgas nun forciert würden. Gut aufgestellt sind dem Atlas zufolge zudem Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Projektleiter Michael Sterner von der OTH schätzt, dass in Deutschland bis 2040 jährlich bis zu 786 Terawattstunden (TWh) an überschüssigem Ökostrom in Wasserstoff umgewandelt werden könnten. "Wir brauchen erneuerbaren Strom und Wasserstoff sowie dessen Folgeprodukte für unsere Versorgungssicherheit und Klimaneutralität, und zwar in großen Mengen", betont der Professor. "Wasserstoff ist mitnichten der Champagner der Energiewende, sondern neben erneuerbarem Strom der Haupttreibstoff, um Deutschland klimaneutral zu machen." Der Atlas solle helfen, die großen Chancen bei H₂ hierzulande zu verwirklichen und "unabhängiger von importiertem Gas und Öl zu werden".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

"Wir wollen Deutschland zur Wasserstoffrepublik machen", hob Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hervor. Der Atlas sei ein wichtiger Teil der dafür nötigen Grundlagenforschung. Nötig sei "eine Beschleunigung beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, um unseren Wohlstand zu sichern und gleichzeitig das Klima zu schützen". Die Bundesregierung hat sich mit ihrer einschlägigen Strategie das Ziel gesetzt, Deutschland beim Einsatz von Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger global zum Vorreiter zu machen.

Malte Küpper vom Institut der Wirtschaft (IW) verwies gegenüber "Phoenix" darauf, dass es noch gar keinen Markt für grünen Wasserstoff gebe, sondern nur kleinere Pilotanlagen. Die Preise zwischen Erdgas und grünem H₂ hätten sich zwar angenähert. Es gebe aber noch Reihe von Herausforderungen, etwa in den Bereichen Angebot und Infrastruktur. Aktuell sei etwa erst ein Schiff im Einsatz, um grünen Wasserstoff weltweit zu transportieren.

Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft veröffentlichte bereits voriges Jahr einen weltweiten PtX-Atlas. Die Forscher kamen dabei zu dem Ergebnis, dass sich außerhalb Europas langfristig 69.100 TWh Wasserstoff beziehungsweise 57.000 TWh strombasierte flüssige Kraftstoffe herstellen lassen. Zum Vergleich: Für die globale Luftfahrt werden 2050 insgesamt mindestens 6700 TWh PtX benötigt. Die größten Flächenpotenziale sehen die Experten in den USA und Australien, die Kostenuntergrenze der PtX-Erzeugung in Chile und Argentinien.

Die Wasserstoff-Zukunft

(tiw)