De-Globalisierung: Trotz neuer Batteriefabriken bleibt Abhängigkeit von China

In unserer Serie zur De-Globalisierung beleuchten wir deutsche und europäische Abhängigkeiten von Rohstoffen und Lieferketten.

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Ein Bildschirm in einem Kfz zeigt an, dass die Akkuladung noch für 100 km Fahrt reichen dürfte.
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Inhaltsverzeichnis

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Nach ein paar halbherzigen Versuchen, selber Batteriezellen zu produzieren, haben sich die deutschen Autobauer jahrelang völlig auf außereuropäische Zulieferer verlassen. Doch schon lange vor dem Ukraine-Krieg erwies sich dies als unklug. 2019 musste Volkswagen beispielsweise gigawattweise Batterien auf dem Weltmarkt zusammenkaufen, weil Stammlieferant Samsung schwächelte. Kein Wunder, dass die Wolfsburger nun mit einem Werk in Salzgitter zu den Vorreitern eigener Zellfertigung gehören.

Dazu kommt technisches Umdenken. "Früher galten Batterien als so etwas wie der Tank", sagt Falko Schappacher, kaufmännisch-technischer Direktor des MEET Batterieforschungszentrums an der Uni Münster, "Aber eigentlich sind sie so etwas wie der Motor" – also entscheidend für Leistung und Charakter eines Autos.

Mit Milliardenhilfe von EU und Mitgliedsländern entstehen nun überall auf dem Kontinent Akku- und Zellfabriken. Die ersten Erfolge zeichnen sich bereits ab: 2021 habe Deutschland erstmals mehr Lithium-Ionen-Batterien aus Europa importiert als aus China, meldet der Zentralverband der Elektro- und Digitalindustrie. Sie kommen vor allem aus Polen.

Bis 2030 rechnet das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung mit einer Verzehnfachung der europäischen Zellproduktion auf rund 1,5 Terawattstunden pro Jahr. Knapp 400 Gigawattstunden davon sollen aus Deutschland stammen – genug für rund 6,5 Millionen E-Autos.

Über Rohstoffe und De-Globalisierung:

Shenzhen, Hafen von Yantian

(Bild: zhangyang13576997233 / Shutterstock.com)

Die vergangenen Monate haben schmerzlich gezeigt, dass die Abhängigkeit von Ressourcen einen hohen Preis hat. Doch lässt sich das Rad noch zurückdrehen? Werfen wir also einen Blick auf die Versorgungslage. Wie weit sich Europa mit strategisch wichtigen Rohstoffen selbst versorgen könnte und was das für die Industrie bedeutet, wollen wir mit einer Rohstoff-Artikelserie erkunden.

Allerdings wird nur die Hälfte der neuen Zell- und Batteriefabriken von europäischen Unternehmen gebaut und betrieben. Wie sich beispielsweise der chinesische Hersteller CATL, der gerade ein großes Batteriewerk in Thüringen aufbaut, bei einem Konflikt zwischen Europa und der Volksrepublik verhalten würde, ist offen.

Zudem kommen Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Nickel fast ausschließlich aus nicht-europäischen Ländern. Deutschland hat zwar auch gewisse Vorkommen an Lithium, etwa im Oberrheingraben oder im Erzgebirge. "Diese Vorkommen sind schon erheblich", sagt Schappacher. "Doch ihr Abbau ist aus Umweltsicht problematisch." In Portugal, Skandinavien und dem Balkan werden neue Bergwerke deshalb seit Jahren durch Proteste und Gerichtsverfahren verzögert. Seit Jahren hofft Kärnten auf ein Lithium-Bergwerk, für das die Machbarkeitsstudie noch immer nicht fertig ist. Von der Fabrik zur Aufbereitung des Materials ganz zu schweigen.

Um sich den Nachschub zu sichern, haben Mercedes-Benz und VW eine Zusammenarbeit mit kanadischen Lieferanten vereinbart. "Kanada verfügt über praktisch alle Rohstoffe, die wir für die Batterieproduktion brauchen", sagte VW-Vorstand Thomas Schmall dem "Handelsblatt", "Früher dachten die großen Autohersteller, es reicht, wenn man Zellfabriken kauft. Heute wissen wir, dass wir viel tiefer in die Wertschöpfungskette reingehen müssen."

Mercedes-Benz will durch seine Partnerschaft mit dem kanadischen Minenunternehmen Rock Tech zwei weitere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen sollen zertifizierte Sozial- und Umweltstandards dem schlechten Image von Autoakkus entgegenwirken. Zum anderen sollen die Rohstoffe auch in Europa veredelt werden. Dazu baut Rock Tech im brandenburgischen Guben die europaweit erste Lithiumhydroxid-Fabrik auf.

Eine völlige Unabhängigkeit von China sei allerdings gar nicht das richtige Ziel, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer dem "Spiegel", denn das würde einen gespaltenen Markt aus teuren westlichen Zellen und asiatischer Billigware schaffen. Die Folge: China könnte die Weltmärkte mit deutlich preiswerteren E-Autos fluten.

Eine weitere wichtige Ressource sind die Fachkräfte. "Beim wissenschaftlichen Nachwuchs sind wir ganz gut unterwegs", meint Falko Schappacher vom MEET. Allein sein Institut bilde rund 60 bis 80 Doktorandinnen und Doktoranden aus, die oft noch vor ihrem Abschluss von der Wirtschaft abgeworben würden. Ebenfalls großen Bedarf sieht er bei der Ausbildung technischen Personals: "Bei Leuten, die zum Beispiel viel Erfahrung mit Beschichtungsmaschinen haben, würde eine halbjährige Fortbildung reichen, um sie in der Zellfertigung einzusetzen." Allerdings gebe es dafür noch keine allgemein anerkannten Ausbildungs- und Fortbildungskonzepte. 

Auch die kommende Ausgabe der MIT Technology Review beschäftigt sich mit dem Thema Deglobalisierung. In verschiedenen Texten gehen wir der Frage nach, inwieweit es möglich ist, Prozesse der Deglobalisierung wieder zurückzudrehen. Das neue Heft ist ab dem 28.9. im heise shop bestellbar und ab dem 29.9. im Handel erhältlich.

(jle)