Chinesischer Autohersteller Li Auto: Luxus zum Spartarif

Li Auto setzt auf SUV mit Range Extender – und natürlich auf Abo-Systeme, Apps und Künstliche Intelligenz. Die Ziele sind ambitioniert, die Preise eher nicht.

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Li Auto L9

Das SUV L9 ist das neue Flaggschiff der Marke. Aber auch hier arbeitet ein Range Extender.

(Bild: Li Auto)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Folge drei einer zehnteiligen Serie, mit der heise/Autos auf den chinesischen Automarkt blickt. Dort laufen sich – teils kräftig unterstützt von der sogenannten Kommunistischen Partei – gerade chinesische Elektroautoproduzenten warm, um demnächst mit viel Schwung und einem bunten Strauß modernster Autos den heimischen und die internationalen Märkte aufzurollen. Das dürfte nicht ohne Folgen für die deutschen Autoproduzenten bleiben, deren größter weltweiter Einzelmarkt seit einigen Jahren China ist.

Das wird einerseits absehbar das Bild auf deutschen und europäischen Straßen verändern, aber auch Auswirkungen für die deutschen Produzenten und ihren Absatz in China, dem weltweit größten Einzelmarkt, haben.

Von drei Prestige-Elektroauto-Marken in China – Nio, Xpeng und Li Auto – rutschte Li Auto 2022 in die Rolle des Sorgenkindes. Im August 2022 verkaufte das Unternehmen gerade einmal 4571 Autos. Die chinesischen Zeitungen fokussieren sich sehr stark auf diese Zahlen. An jedem Monatsanfang werden die Absätze der drei Hersteller aus dem jeweiligen Vormonat sehr genau miteinander verglichen. Zwischen Jubel-Arien und Weltuntergangsstimmung vergehen so mitunter gerade einmal vier Wochen.

Li Auto unterscheidet sich von der Konkurrenz, weil der Hersteller auf einen Range Extender setzt. Der große Akku wird im Notfall von einem kleinen Benziner am Leben gehalten. Damit spricht die Marke andere Kundinnen und Kunden an als Xpeng und Nio. Die einbrechenden Verkaufszahlen hatten jedoch keine technischen Hintergründe. Das Portfolio war lange Zeit einfach winzig. Genau genommen bestand es nur aus dem Li One. Ein großes SUV, das bereits seit April 2020 ausgeliefert wird.

Der Li One kostet umgerechnet etwa 45.000 Euro. Um den Preis einordnen zu können: Ein BMW X5 beginnt in China bei 82.000 Euro, ein Audi Q5 kostet rund 55.000 Euro. Im Li One garantieren zwei Elektromotoren (100 und 140 kW) den Vortrieb, ein 1,2-Liter-Dreizylinder versorgt den Akku, der alleine nur 180 Kilometer Reichweite erlaubt. Nach zweieinhalb Jahren im Markt ging dem Modell die Puste aus.

Das Chassis mit dem Verbrennungsmotor.

(Bild: Li Auto)

Der L9 hat die Verkaufszahlen wieder nach oben getrieben. Dabei handelt es sich um das neue Flaggschiff der Marke, ein luxuriöses Fullsize-SUV. Die Technik ähnelt der des Li One. Zwei Elektromotoren (125 und 200 kW) treiben das Auto voran, ein Vierzylinder-Benziner füllt den Akku. Rein elektrisch käme der Wagen 215 Kilometer weit. Ist der Akku geladen und der Tank voll, sollen es etwa 1300 Kilometer sein, sagt zumindest Li Auto. Kostenpunkt: 63.000 Euro. Kaum war das Fahrzeug zu haben, kletterten die Verkäufe auf 11.531 Autos. Ein Zuwachs um 152 Prozent im Vergleich zum Vormonat.

Mit dem Li One ist Li Auto in den Markt eingestiegen.

(Bild: Li Auto)

Die Deutschen sind keine große Konkurrenz, da zu teuer: Die vergleichbaren BMW X7 und Mercedes GLS kosten zwischen 168.000 und 190.000 Euro. Längst sind chinesische Kunden nicht mehr bereit, einen derartigen Aufschlag zu zahlen, nur um ein deutsches Fabrikat zu fahren. Zumal, da die chinesischen Hersteller in vielen Bereichen der Elektromobilität längst führend sind.

Tesla nimmt diese Probleme ernst. Im Oktober 2022 senkte der amerikanische Hersteller seine Preise für das Model 3 um fünf Prozent (auf umgerechnet 36.000 Euro). Das Model Y wurde um neun Prozent günstiger (jetzt in China ab umgerechnet 43.000 Euro zu haben). Deutlich senkte auch Mercedes die Preise für die beiden Elektroautos EQE und EQS in China.

Zum endgültigen Verkaufsturbo soll für Li Auto der L8 werden. Auch der wird das Rad nicht neu erfinden. Zwei Elektromotoren, ein Range Extender, 1300 Kilometer Reichweite. Aber etwas zurückhaltender dimensioniert. Ab November soll das geringfügig kleinere SUV dann ab 54.000 Euro zu haben sein.

Der L8 setzt auf die gleiche Technik wie der L9, ist aber etwas bescheidener dimensioniert – auch im Preis. Von ihm erhofft sich das Unternehmen die nötigen Stückzahlen.

(Bild: Li Auto)

Dass Li Auto überhaupt die Mittel hat, mit so einer Taktung neue Modelle auf den Markt zu bringen – nachdem über Jahre nur ein SUV die Fahne hochhalten musste – liegt an ihrem Börsengang. Im Sommer 2020 tobte die Corona-Pandemie und ein Handelskrieg zwischen den USA und China. Dennoch gelang es dem Autohersteller in dieser Phase 1,2 Milliarden US-Dollar an der Börse einzusammeln. Dass die Dachgesellschaft ihren Firmensitz offiziell auf den Cayman Islands hat, scheint die Investoren und Shareholder nicht zu stören. Der Börsengang in Hongkong im Jahr 2021 brachte weitere 1,7 Milliarden Euro.

Das Geld soll sehr ambitionierte Ziele ermöglichen. Im Jahr 2021 konnte Li Auto gerade einmal 90.500 Fahrzeuge absetzen. 2022 dürften es etwa 120.000 Autos gewesen sein. In diesem Jahr sollen es – einer älteren Planung zufolge – dann 2,2 Millionen Stück sein. Ein utopischer Plan. Der aber immerhin zeigt, dass Li Auto hoch hinaus will und den deutschen Herstellern gefährlich werden kann.

Wie die anderen großen Elektroauto-Produzenten in China setzt auch Li Auto darauf, mit der Digitalisierung Geld zu verdienen. Die Software der Autos, die künstliche Intelligenz der Fahrassistenzsysteme und Entertainment-Apps gelten als Kernkompetenz der Marke. So bietet Li Auto ein Premium-Abo an, das diverse Dienstleitungspakete, Streaming-Services und andere Anwendungen für das Fahrzeug enthält. "Für Li Auto hat es oberste Priorität, bei den Technologien für autonomes Fahren führend zu werden und einen Beitrag zum Aufbau eines Ökosystems für Elektrofahrzeuge zu leisten, das die Zukunft der E-Mobilität vorantreiben kann", sagte Mingming Huang, einer der Gesellschafter, beim Börsengang in New York.

(fpi)