Leica-Interview: "Je teurer die Kameras, desto besser die Fälschungen!"

c't Fotografie hat sich mit Leica zum Interview getroffen und über die M6, Vintage-Kameras und den Analogfotografie-Boom gesprochen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht

Alexander Sedlak (Managing Director Leitz Photographica Auction)

(Bild: Leica)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hendrik Vatheuer

Anfang November hat der deutsche Kamerahersteller Leica seine neue M6 vorgestellt: Die analoge Messsucherkamera ist mit knapp 5000 € veranschlagt und hat für viel Aufmerksamkeit in der Kamerawelt gesorgt. Wir haben uns mit mit dem Managing Director Leitz Photographica Auction, Alexander Sedlak und Michal Kosakowski, Kamera-Experte von Leica Camera Classics, zum Interview getroffen und über die M6, Vintage-Kameras und den Analogfotografie-Boom gesprochen.

c't Fotografie 2/24

Leica hat seine analoge Messsucherkamera – die M6 – wieder neu aufgelegt. Seit Anfang November ist sie für knapp 5000 € zu haben. Wie bewerten Sie die Neuauflage?

Alexander Sedlak: Wir sind als Unternehmen im fortwährenden Austausch mit internationalen Sammlern und Händlern im Bereich Vintage-Kameras. So können wir Marktentwicklungen und Nutzer-Trends für historische Fotoapparate sehr genau nachzuvollziehen, insbesondere, was Leica anbelangt.

In den letzten Jahren haben wir ein stetig steigendes Interesse an der analogen Fotografie beobachtet. Die Leica M6 als eine Ikone der Kleinbildkameras neu aufzulegen, trifft also den Nerv der Zeit Die M6 ist eine der beliebtesten Kameras ist, die Leica je gebaut hat. Die Neuauflage zeigt, dass die M6 weder an Charme noch an Relevanz eingebüßt hat – für mich repräsentiert sie die analoge Fotografie wie keine zweite Kamera.

Ist die ‚neue M6‘ der Beginn einer neuen Ära der Analogfotografie? Werden andere Hersteller nachziehen und ebenfalls wieder neue Analogkameras produzieren?

Alexander Sedlak: Ich würde nicht von einer neuen Ära sprechen, denn Leica hat immer analoge M-Modelle angeboten. Wir haben unser Sortiment an analogen Kameras um die Re-Edition der Leica M6erweitert. Die Kamera wurde durch einige Details und moderne Fertigungsmethoden verbessert, wie zum Beispiel der eingebaute Belichtungsmesser, der von der Leica MP übernommen wurde) und hat dabei ihren Look behalten. Wie gesagt: Die analoge Fotografie erlebt derzeit einen Aufschwung und die Nachfrage nach analogen Kameras steigt. Das sehen natürlich auch andere Hersteller.

Leica erscheint als einer von wenigen Kameraherstellern, der seine Vintage-Produkte pflegt. Was bedeutet dieser Vintage-Markt für Leica?

Alexander Sedlak: Nachhaltigkeit bedeutet für uns bis zum heutigen Tage sehr viel. Allein, dass wir so viele Produkte haben, die noch aus den 50er und 60er Jahren stammen und die noch immer von den Anwendern genutzt werden, zeigt die Qualität und auch den Qualitätsanspruch, den wir als Marke haben. Natürlich freuen wir uns, dass wir so viele Fans haben, die an historischen Leicas interessiert sind und historische Leicas besitzen. Wir sind als Auktionshaus die Anlaufstelle, unterhalb der Leica Camera AG, wenn es dann um ganz besonders seltene oder wertvolle Stücke geht. Wer ein solches Stück besitzt, hat die Möglichkeit, es von uns versteigern und davor kostenlos schätzen zu lassen.

Wo sind denn die Hauptabsatzmärkte für Vintage-Leicas?

Alexander Sedlak: Wir haben Sammler auf der ganzen Welt. Wie bei vielen Premium-Herstellern sitzt eine große Kundenklientel in Asien. Dort wird das Produkt ganz besonders gehypt. Aber auch in den USA. Also würde ich sagen, Asien und USA.

Stichwort Asien: Ist es dort eher China oder eher Japan?

Alexander Sedlak: Beide Märkte sind sehr stark!

Michal Kosakowski: Wir haben auch Kunden aus Hongkong, Singapur, Thailand

Ist es das europäische bzw. deutsche Image von Leica, was diese Interessenten aus Asien so anzieht?

Alexander Sedlak: Ganz klar, ja! Dieser Manufaktur-Charakter der europäischen Produkte hat eine enorme Anziehungskraft in Asien!

Gebrauchte Kameras steigen im Wert. Nicht nur im Luxussegment, auch im Consumer-Segment. Foto-Filme werden zunehmend teurer, da sie stärker nachgefragt werden. Wie profitiert Leica von diesem Boom der Analog-Fotografie? Sie haben es vorhin schon ein wenig angedeutet: zahlreiche neue und junge Kunden. Geht das noch weiter?

Alexander Sedlak: Wir haben einen beständigen Anstieg in der Nachfrage. Wir sind der einzige namhafte Kamerahersteller, der überhaupt noch Analog-Kameras produziert. Nikon hat vor einigen Jahren damit aufgehört. Es konzentriert sich auf die Marke Leica. Ich glaube auch, dass die Leica M als Analogkamera ein ideales Werkzeug ist. Aufgrund der Diskretion, die diese Kamera bietet und von der Bedienung her, die Konzentration auf das Wesentliche. Es ist eine sehr puristische Art mit einer M zu fotografieren.

Wie wird der Gebrauchtkameramarkt in 5 - 10 - 15 Jahren sein? Sowohl allgemein als auch konkret auf Leica bezogen? Wo sehen Sie die Entwicklungen?

Alexander Sedlak: Ich bin nun kein Wahrsager, aber ich kann aus den 20 bis 30 Jahren, die ich mich in der Branche bewege, sagen, dass wir in den letzten Jahren bei den Analog-Kameras einen ständigen Preisanstieg hatten. Wir sehen eine zunehmende Community, eine Verstärkung in allen Preisbereichen und ich denke, dass das anhalten wird. Allerdings verschieben sich inzwischen die Interessensgebiete ein wenig: vor 20 Jahren waren es noch die Schraub-Leicas, die einen extremen Hype erfahren haben. Nun verlagert sich der Hype auf die M-Kameras. Meine persönliche Interpretation dafür ist: Das, was du als junger Mensch siehst und dir noch nicht leisten kannst, das kaufst du dir dann vielleicht später mit 50 Jahren, wenn du es dir leisten kannst. Dadurch entsteht ein Wechsel, der irgendwo verständlich ist. Bei den besonders raren Stücken, wie zum Beispiel diesen Schwarzlack-Kameras oder der MP. Wir haben auch eine historische MP zur Versteigerung, die Leica in den 50er-Jahren für die Pressefotografen produziert hat und von der es nur eine sehr kleine Stückzahl gibt. Insgesamt sind das 300 …

Michal Kosakowski: 412!

Alexander Sedlak: Genau, 412! Das sind natürlich, selbst wenn ich mich als Anwender dagegen sträube, dann auch Investitionsgüter!

Wenn Sie Investitionsgüter sagen, dann scheint mir das vor allen Dingen in Asien ein Thema zu sein. Sind es vornehmlich asiatische Interessenten, die eine Kamera als Wertanlage wahrnehme?

Alexander Sedlak: Ja … viele Kunden fragen uns aus Asien an. Wir bieten da mittlerweile auch eine eigene Rubrik „Investmentgrade“ in unserem Webshop an. Seit 10 Jahren konnten wir kontinuierlich einen Preisanstieg feststellen. Es spielt immer sehr viel Passion mit. Wenn jemand so viel Geld für so eine Kamera ausgibt, dann will der das vor sich selbst rechtfertigen. Aber es ist nicht vergleichbar dem Aktienmarkt, wo Sie kontinuierliche Revenues erzielen, und einen genauen Überblick haben, wie sich die Wertsteigerung entwickelt. Denn man darf natürlich auch nicht vergessen, wenn Sie so eine Leica MP für 400.000 – 500.000 Euro kaufen und sie dann in ein paar Jahren wieder mit Gewinn weiterverkaufen wollen, dann ist es für Privat-Personen nicht so einfach die entsprechende Käufer-Klientel zu finden, weil nicht überall jeder dazu bereit ist, 400.000 Euro für eine Analog-Kamera auszugeben. Deshalb wenden sich die meisten eben an uns als Auktionshaus.

Sie funktionieren als Mittler zwischen Kunden und dem Markt...

Alexander Sedlak: Wenn man beginnt zu sammeln, ist es wichtig, dass man sich ein bestimmtes Wissen aneignet, um von vertrauenswürdigen Quellen zu kaufen und nicht irgendwo auf Ebay. Denn je teurer die Kameras sind, desto besser werden die Fälschungen!

Wird in Europa und besonders in Deutschland mit Leica auch wirklich fotografiert? Von den ambitionierten Hobbyfotografen und Sammler, die auch wirklich fotografieren wollen. Besonders im Vergleich zu den USA oder Asien.

Alexander Sedlak: Das kann man nicht sagen! Sie finden diese in Europa und in Deutschland, aber letztendlich findet das überall statt.

Michal Kosakowski: Im asiatischen Raum finden Sie auch sehr viele, junge Leute, die mit Analog-Kameras unterwegs sind.

Abschließend eine letzte Frage: Wo steht ihrer Meinung nach die Fotografie, also ganz allgemein gesprochen, in 10 - 15 Jahren? Wie sieht der Fotografie-Markt aus? Wird noch fotografiert werden?

Alexander Sedlak: Naja, Fotografie ist so aktuell wie noch nie. Allein durch den Smartphone-Boom. Es gibt Leute, die die Fotografie als Momentaufnahme nutzen und dann gibt es die Leute, die hinter einer Systemkamera stehen. Die wollen eben ein Bild selbst kreieren und versuchen daraus ein echtes Kunstwerk zu machen oder eben für sich ein Kunstwerk zu schaffen. Wenn man ein bisschen mit beiden Geräten fotografiert, da sieht man ja, dass diese Computational-Fotografie, die aus dem Smartphone kommt, kein authentisches Bild mehr ist. Das ist eine gute Momentaufnahme, die zeigt, dass ich gerade irgendwo bin und dann über die Social Media Plattformen dieses Fotos teile. Aber es ist etwas anderes zu einer entschleunigten Fotografie zu kommen, die Sie dann mit einer echten Kamera machen. Da gibt es durchaus wieder eine steigende Nachfrage, gerade was die qualitativ hochwertige Fotografie betrifft. Wir sehen einen steigenden Markt und eine steigende Nachfrage.

Michal Kosakowski: Natürlich nutzen Viele zum Fotografieren das Smartphone, aber es gibt auch junge Leute, die sich bewusst eine Analog-Kamera kaufen, um etwas anderes zu erleben.

Alexander Sedlak: Wo wir uns als Hersteller sehen und wo wir versuchen einen kleinen Beitrag zu leisten ist, dass wir gerade den jüngeren Leuten vor Augen führen wollen, wie cool und wie schön das gedruckte Bild ist. Ein Bild nicht immer nur auf einem Smartphone zu betrachten. Das ist, glaube ich, etwas ganz Wichtiges! Dass man das wieder den jungen Leuten vor Augen führt, Fotos mit einer qualitativ hochwertigen Kamera zu schießen.

Vielen Dank für das Gespräch.

(vat)