Honda bringt Doppelkupplungsgetriebe für Motorräder
In Automobilen haben sich Doppelkupplungsgetriebe längst etabliert. Vorteile wie die fehlende Zugkraftunterbrechung und der sehr effiziente Betrieb ebnen ihm jetzt auch den Weg ins Zweirad
- Gernot Goppelt
Offenbach, 11. September 2009 – Es gab schon einige Versuche, automatische Getriebe in Motorrädern zu etablieren, bisher ohne durchschlagenden Erfolg, In der „Blütezeit“ der Motorradbegeisterung, etwa in den 1980er-Jahren, waren einerseits die technische Mittel nicht da und andererseits gab es kaum Interesse an einem derart „verweichlichten“ Motorrad. Dass sich das ändern könnte, hängt wohl auch mit dem großen Erfolg von Motorrollern zusammen.
Getriebe für Komfortverwöhnte
Der Motorradbranche droht ein schleichender Niedergang, auch weil sich die Kundschaft verändert hat. Junge Leute fahren lieber gleich Auto oder eben einen Automatik-Roller. Vielleicht lässt sich manch einer von ihnen als Motorradfahrer wieder gewinnen, wenn ihnen dort ein ähnlicher Schaltkomfort geboten wird. Zudem verspricht die treueste Gruppe der Motorradfahrer Kundenpotenzial, nämlich diejenigen, die munter die 50 überschreiten und dabei komfortableren Lösungen eher aufgeschlossen sind. CVT-Getriebe wie in der Aprilia Mana sind insofern nicht die ideale Lösung, als sie noch zu viel Effizienz schlucken und zumindest im stufenlosen Modus wenig Rückmeldung geben.
Honda bringt Doppelkupplungsgetriebe für Motorräder (2 Bilder)

Das kompakte Doppelkupplungsgetriebe für Honda-Motorräder (alle Bilder: Honda)
So erscheint es trotz aller Überraschung folgerichtig, dass Honda nun einem Trend im Automobilbau folgt und zukünftig Doppelkupplungsgetriebe (DKG) für Motorräder anbietet. Hier wie dort sind die Vorteile ähnlich: der Komfort einer Automatik, verbunden mit hoher Effizienz und extrem schnellen und geschmeidigen Schaltvorgängen. Beim Motorrad kommt hinzu, dass der direkte Bezug zwischen Drehzahl und Geschwindigkeit subjektiv noch wichtiger ist, um das Fahrzeug zu kontrollieren. Das Doppelkupplungsgetriebe will Honda erstmals in der neuen Generation des Sporttourers VFR anbieten, zukünftig aber auch für weitere „hubraumstarke Modelle“.
Automatik ohne Mehrverbrauch
Wie von DKGs gewohnt sind zwei Kupplungen für jeweils drei Gänge zuständig – eine für die ungeraden, die zweite für die geraden der sechs Gänge. Honda legt Wert auf die „außerordentlich leichte und kompakte Bauweise“, die es erlaubt, das DKG sogar für existierende Motorkonstruktionen optional anzubieten. Dabei hilft die „In-Line“-Anordnung der beiden Kupplungen, die mit äußerer und innerer Getriebewelle verbunden sind. Dazu kommt ein einfacher Schaltmechanismus mit einer bei Motorrädern üblichen Schaltwalze. Und schließlich ist der Hydraulikkreislauf unter dem Motor platziert, um eine kompakte Konstruktion zu ermöglichen.
Wie ein in bescheidener Qualität vorliegendes Schaltbild bei Honda Worldwide zeigt, werden die beiden Kupplungen hydraulisch betätigt, der Schaltvorgang erfolgt jedoch elektrisch. Das hat den Vorteil, dass Energie nur bei Bedarf benötigt wird. Ob auch die hydraulische Betätigung der Kupplungen bedarfsorientiert erfolgt, konnten wir noch nicht klären. Immerhin: Laut Honda verursacht das DKG keinen Mehrverbrauch, sorgt eher für weniger Durst als eine manuelle Schaltung. Zwar werden Fuß und Hand elektromechanisch und hydraulisch ersetzt, doch dürfte auch beim Motorrad gelten, dass die Getriebesteuerung sparsamer schaltet als viele Fahrer. Dass allein wird gerade sportliche Fahrer aber nicht locken. Sie lassen sich vermutlich eher davon überzeugen, dass man mit DKG schon davongezogen ist, während andere noch mit Hand und Fuß die Gänge sortieren.
Manueller Eingriff
Manuell geschaltet werden darf trotzdem, wenn man nicht der Automatik die Arbeit überlassen will. Der Wunsch danach dürfte häufiger aufkommen, zum Beispiel bei Bergabfahrten oder Kurven, wo man gerne die Kontrolle selbst übernehmen möchte. Das manuelle Schalten erfolgt über zwei Hebelchen an der linken Lenkerarmatur – mit dem Zeigefinger wird hoch, mit dem Daumen heruntergeschaltet. Im Automatikmodus lassen sich zudem drei unterschiedliche Schaltcharakteristika anwählen, neben der Standardmodus das sparsame Programm (D) und die sportliche Variante (S).
Schließlich gibt es noch einen spezifischen Vorteil von Doppelkupplungsgetrieben, der im Motorrad wertvoll ist, zumindest wenn die Kupplungen sauber zusammenarbeiten. Da der eigentliche Schaltvorgang vorausschauend erfolgt und der Gangwechsel tatsächlich nur noch ein Umkuppeln ist, erfolgt das „Schalten“ ohne Zugkraftunterbrechung. Man stelle sich stattdessen ein automatisiertes Schaltgetriebe bei einem Zweirad vor: Es würde eine elende Unruhe ins Fahrzeug bringen, die man zum Beispiel in Kurven überhaupt nicht gebrauchen kann.
Muster mit Wert
So spricht einiges dafür, dass das Honda-DKG ein Erfolg werden könnte, wie bei Autos stellt sich freilich die Frage nach dem Preis. Dass die erste Anwendung in der neuen Ausgabe der schon fast legendären VFR kommt, gibt die Zielrichtung vor, ganz billig wird der Spaß sicherlich nicht. Es gibt aber noch einen Aspekt, über den sich jetzt herrlich spekulieren lässt: Bisher gingen im Automobilbereich Experten davon aus, dass Doppelkupplungsgetriebe vor allem eine europäische Angelegenheit seien, während Autohersteller in Asien auf das stufenlose CVT setzen. Nach Hondas Vorstoß im Motorradbereich könnte man sich auch Synergien in Richtung der Autokollegen vorstellen.
(ggo)