Alibaba und der E-Auto-Schatz: Der Tech-Gigant möchte ein Stück vom Kuchen

Alibaba gehört zu den größten Techfirmen der Welt. Der Konzern drängt mit Macht und schier grenzenlosem Kapital in die Automobilbranche.

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Alibaba

(Bild: Alibaba Group)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Folge sieben einer zehnteiligen Serie, mit der heise/Autos auf den chinesischen Automarkt blickt. Dort laufen sich – teils kräftig unterstützt von der sogenannten Kommunistischen Partei – gerade chinesische Elektroautoproduzenten warm, um demnächst mit viel Schwung und einem bunten Strauß modernster Autos den heimischen und die internationalen Märkte aufzurollen. Das dürfte nicht ohne Folgen für die deutschen Autoproduzenten bleiben, deren größter weltweiter Einzelmarkt seit einigen Jahren China ist.

Das wird einerseits absehbar das Bild auf deutschen und europäischen Straßen verändern, aber auch Auswirkungen für die deutschen Produzenten und ihren Absatz in China, dem weltweit größten Einzelmarkt, haben.

Es ist die schiere Größe, die bei Techgigant Alibaba Staunen auslöst. Als der Konzern im Jahr 2014 an die Börse ging, sammelte er 21,8 Milliarden US-Dollar ein. Mehr als Google, Facebook und Twitter bei deren Börsenstart zusammen. Als Investor Yahoo im Jahr 2019 beschloss, seine elf Prozent Beteiligung zu verkaufen, spülte das 40 Milliarden US-Dollar in die Kasse. In beinahe allen Bereichen des chinesischen Online-Handels ist Alibaba mittlerweile vertreten. Jetzt wittert der Konzern Gewinne im Automobilbereich – und drängt in diese Nische.

Alibaba ist vielen Europäern ein Begriff. Es ist so etwas wie das Amazon Chinas, aber noch viel mehr. So hat Alibaba beispielsweise mit Alipay auch ein eigenes Bezahlsystem. Kunden der Tochterfirma Ant Financial können Online-Banking betreiben oder Mikrokredite beantragen. Allein dieses Unternehmen gilt mit einem Firmenwert von rund 150 Milliarden US-Dollar als weltweit wertvollstes Start-up. Dazu kommen Tochterfirmen, die Online-Kartendienste, Cloudcomputing und Online-Auktionen anbieten. Kurzum: Alibaba ist einer der mächtigsten Techgiganten der Welt.

Alibaba ist in China auf den Smartphones omnipräsent. Die Plattform ist aus dem Leben der Chinesen nicht mehr wegzudenken.

(Bild: Alibaba Group)

Dieser Gigant will in die Autoindustrie, denn mit dem Vormarsch der Elektroautos, der zunehmenden Digitalisierung und Konnektivität tun sich hier ganz neue Wertschöpfungsmöglichkeiten auf. Den klassischen Herstellern fehlt es schlicht an Knowhow, diese zu nutzen. Damit Volkswagen, BMW oder Mercedes mit Alibaba im Softwarebereich auch Augenhöhe konkurrieren könnten, bräuchte es enorme Investitionen. VW versucht es mit Cariad. Der Erfolg ist zumindest bislang recht überschaubar.

Gegenüber dem Newsletterdienst Table.Media fasste es der Marktbeobachter Ferdinand Dudenhöffer so zusammen: "Autohersteller können es sich überlegen, wie sie diese neue Welt betreten wollen. Einige behaupteten, sie können sich die Kompetenzen eigenständig zulegen. Andere kaufen sie sich lieber zu, weil die Investitions- und Lernkosten relativ hoch sind."

Der Konzern gehört zu den wertvollsten Unternehmen der Welt.

(Bild: Alibaba Group)

Die deutschen Hersteller versuchen aktuell beides. Sowohl bei BMW als auch Volkswagen sitzt Alibaba mit im Auto. Bei BMW geht es um Unterstützung bei der Konnektivität. Außerdem betreiben die beiden Unternehmen gemeinsam ein Technologiezentrum in Shanghai. In dem sollen vielversprechende Start-ups entdeckt werden, die BMW helfen könnten, innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Oder eben Alibaba. Bei Volkswagen hilft Alibaba beim autonomen Fahren und ebenfalls bei der Konnektivität. Die Kooperationen entstanden alle erst seit 2019.

Der Konzern geht die Mobilität eher digital an. Der Konzern versteht sich als (wichtiger) Zulieferer.

(Bild: Alibaba Group)

Bereits seit dem Jahr 2016 arbeitet Alibaba mit SAIC zusammen. Einige Fahrzeuge laufen mit dem Betriebssystem YunOS von Alibaba und werden mit dem digitalen und intelligenten Kartenmaterial von Alibaba ausgestattet. Dazu kommen Kameras und Software für die Sprachsteuerung und die Konnektivität. Daneben hat Alibaba gemeinsam mit SAIC die Marke IM Motors gegründet, einen Hersteller elektrischer Premium-Limousinen und -SUV. Dazu ist der Techgigant an zahllosen Unternehmen beteiligt, die allesamt als Zulieferer in der Autoindustrie arbeiten. Von der Softwareschmiede DeepRoute, die eine Künstliche Intelligenz fürs autonome Fahren produziert, bis zu Navigations- und Kartenanbietern.

Durch die zunehmende Digitalisierung hat sich der Automarkt in China gewandelt. "Der Markt für E-Autos ist an einem Punkt, an dem für Kunden andere Argumente zählen. Vor allem die Software und Connectivity-Lösungen. Diese lassen sich günstig über alle Fahrzeuge und Baureihen ausspielen", erklärt beispielsweise Alexander Will, Senior Expert bei McKinsey in Shanghai, bei Table.Media. Das ist eine riesige Marktchance für Alibaba. Das Geschäft könnte so funktionieren, dass Kunden ein (günstiges) Auto kaufen und einzelne Funktionen bei Bedarf zubuchen. Die Sitzheizung nur im Winter, die Navigation nur bei Urlaubsfahrten und das autonome Fahren nur bei einer Langstrecke auf Geschäftsreisen.

Dennis Schwedhelm, Senior Expert beim McKinsey Center for Future Mobility, erklärt: "Da geht es einerseits um zusätzliche Einnahmen, beispielsweise durch Entertainment oder Versicherungen, und andererseits um Kosteneinsparungen, zum Beispiel durch vorausschauende Wartung von Fahrzeugen. Unsere Schätzung ist, dass in diesem Bereich bis zum Ende des Jahrzehnts ein dreistelliger Milliardenbetrag an Wert steckt, der nicht nur durch Autohersteller realisiert werden kann." Dafür braucht es aber eine Software, die über alle Baureihen ausgespielt werden kann. Und eine Rechenleistung, die in ein paar Jahren nicht überfordert ist, wenn mehrere Updates aufgespielt wurden.

(fpi)