Nord-Stream-Pipelines: EU-Sanktionen bremsten Begutachtung der Betreiberfirmen

Die russischen Betreiber hätten nach der Explosion der Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 zunächst gar keine Chance gehabt, die Schäden zu untersuchen.

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Eine der Austrittsstellen der beschädigten Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee, aufgenommen Ende September.

(Bild: Schwedische Küstenwache)

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Zur Frage, wer für die Sprengung der Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 verantwortlich ist, gibt es von den Ermittlungsbehörden in Schweden, Dänemark und Deutschland immer noch keine Antworten. Medienberichte zeigen aber, dass die Untersuchung der Austrittsstellen und eine mögliche Reparatur durch die Betreiberunternehmen infolge von Sanktionen der Europäischen Union deutlich ausgebremst wurden. Auch werden inzwischen erste Anzeichen sichtbar, wie sich der massive Austritt von Methan – der immer noch nicht gänzlich versiegt sein soll – auf die Meereswelt auswirkt.

EU-Sanktionen haben laut einem Bericht der US-Nachrichtenagentur Reuters verhindert, dass das norwegische Energieunternehmen Equinor mit Spezialschiffen und geeigneter Ausrüstung zu den Schadstellen ausrücken konnte. Darum hatten die mehrheitlich im russischen Besitz befindlichen Betreibergesellschaften der Pipelines, die Nord Stream AG und die Nord Stream 2 AG mit Sitz in der Schweiz, gebeten. Die beiden Firmen, von denen sich die Nord Stream 2 AG inzwischen in einem Insolvenzverfahren befindet, sind sogar finanziell beteiligte Teilhaber eines Ausrüstungspools, der speziell für Pipeline-Arbeiten und Reparaturen eingerichtet wurde.

Norwegen ist zwar kein Mitglied der EU, sei jedoch durch die Teilnahme am EU-Binnenmarkt an Sanktionen und Exportkontrollen der EU gebunden, berichtet Reuters. Aus diesem Grunde habe Equinor die Aufträge im Oktober ablehnen müssen. Am Ende entsandten die Betreibergesellschaften ein russisches Schiff. Dessen Besatzung stieß nahe der dänischen Insel Bornholm auf zwei bis fünf Meter tiefe Krater und beschädigte Leitungen auf einer Gesamtlänge von 248 Metern. Das norwegische Außenministerium verwies gegenüber Reuters auf strenge Geheimhaltung und wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern.

Wie weit Russlands Vorbereitungen und Planungen für eine Reparatur von Nord Stream 1 fortgeschritten sind, ist unklar. Der Geschäftsführer des Energiekonzerns Uniper, Klaus-Dieter Maubach, schätzte die Dauer einer Reparatur gegenüber dem Handelsblatt auf sechs bis zwölf Monate ein. Entscheidend sei jedoch, ob Europa und Deutschland überhaupt daran interessiert seien, wieder russisches Gas über die 1200 Kilometer lange Direktverbindung zwischen Russland und Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern zu beziehen. Deutschland setzt auf LNG-Terminals, um den Anteil russischen Gases an den Energieimporten zu ersetzen.

Für die Meereswelt war der massive Methan-Austritt offenbar nicht folgenlos. Eine Expedition der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU) zu den Austrittsstellen hat laut einem Bericht der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter aufgezeigt, dass der in den Gewässern heimische Kabeljau negativ beeinträchtigt wurde. Die Forscher stellten bei Stichproben an 29 Fischen Veränderungen an den Kiemen fest. Es wird vermutet, dass dafür das Methan verantwortlich ist, welches den Sauerstoff in den Fischen verdrängt habe. Genaueren Aufschluss würde aber erst eine größere Untersuchung liefern.

Nach Erkenntnissen der Universität Göteborg strömt immer noch Methan an den Leckstellen aus. Die gemessene Konzentration im Wasser habe im Januar das Fünffache des sonst üblichen Werts ergeben, heißt es. Allerdings war der massive Austritt Ende September, der unter anderem zu Blasen an der Meeresoberfläche führte, nach einigen Tagen vorbei. Aus den vier Austrittsstellen war Gas ausgeströmt, das aus betrieblichen Gründen immer in den Pipelines vorgehalten wird. Über Nord Stream 1 wurde von russischer Seite schon seit dem Sommer kein Gas mehr transportiert. Nord Stream 2 wurde wegen einer fehlenden Zertifizierung Deutschlands niemals in Betrieb genommen. Von der neueren der beiden Pipelines soll einer der zwei Rohrstränge unversehrt geblieben sein.

Die Untersuchungen zu den Verursachern der Explosionen am Meeresgrund sind immer noch nicht abgeschlossen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Januar in einem Interview dem Tagesspiegel. Schweden und Dänemark, die jeweils eigene Untersuchungen anstrengen, haben bislang lediglich offiziell festgestellt, dass die Sprengungen vorsätzlich herbeigeführt wurden. Russland bezichtigt Großbritannien und die USA, für die Sabotage verantwortlich zu sein. In westlichen Kreisen kursieren verschiedene Theorien. Anfangs wurde es für möglich gehalten, dass Russland die Pipeline selbst beschädigt hat, um Europa einzuschüchtern und seine Fähigkeit zu demonstrieren, in europäischen Gewässern kritische Infrastruktur zu zerstören. Zuletzt mehrten sich Aussagen, dass Russland womöglich doch nicht infrage kommt.

(mki)