Elektromotorrad Ultraviolette F77: Europa im Blick

Die Ultraviolette F77 ist neu auf dem indischen Markt, der vor einem gravierenden Wandel steht. Das günstige E-Motorrad dürfte seinen Weg nach Europa finden.

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Elektromotorrad Ultraviolette F77
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Bei Motorrädern aus Indien denken viele vermutlich spontan an Royal Enfield mit Technik aus dem vergangenen Jahrhundert. Doch der Subkontinent gilt auch als eine der führenden Nationen bei der Softwareentwicklung und da verwundert es nicht, dass dort Elektromotorräder entstehen. Der ausschlaggebende Grund für die Entwicklung dürfte aber die im wahrsten Sinne atemberaubende Luftverschmutzung in indischen Großstädten sein. Die Hauptstadt Neu-Delhi gilt als eine der dreckigsten Städte der Welt – mit Spitzenwerten von bis zu 1000 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Indien subventioniert deshalb kräftig Elektrofahrzeuge. Ab April 2025 werden keine Krafträder mit Verbrennungsmotoren bis 150 cm3 mehr zugelassen. Das stellt den größten Motorradmarkt der Welt vor erhebliche Probleme. Die forcierte Entwicklung von Elektromotorrädern und Elektrorollern ist deshalb für Indien zwingend notwendig.

2016 gründete Narayan Subramaniam und Niraj Rajmohan in Bangalore das Unternehmen Ultraviolette. Die beiden jungen Männer wollten ein Elektromotorrad bauen, das nicht nur fortschrittlich, sondern auch attraktiv sein sollte. Die Ultraviolette F77 zeigt ein bemerkenswertes Design, das teilweise an die kleinen Dukes von KTM (Test 390 Duke) erinnert. Das mag auch nicht ganz zufällig sein, immerhin lässt KTM die erfolgreiche Modellreihe bei Bajaj in Indien fertigen. Die Front mit spitz zulaufendem LED-Scheinwerfer, das aufgesetzte TFT-Display und das knapp geschnittene und nach oben strebende Heck mit dem darunter angebrachten Rücklicht können eine gewisse Ähnlichkeit nicht leugnen. Selbst die Form der oberen Abdeckung folgt der Linie des KTM-Tanks.

Ultraviolette F77 (7 Bilder)

Die Ultraviolette F77 stammt aus Indien und kann eine gewisse Ähnlichkeit mit der KTM 390 Duke nicht leugnen. Doch die F77 wird elektrisch angetrieben und ist auf dem Subkontinent bereits auf dem Markt.

Plagiatsvorwürfe seitens des österreichischen Herstellers dürften wohl nicht drohen, schließlich ist die Ultraviolette F77 ein Elektromotorrad. Um das zu kaschieren, verschwinden Motor und Batterie vollständig hinter einer Verkleidung, sodass sie fast wie ein normales Naked Bike wirkt. Auffallend ist bestenfalls, dass der Lenker ziemlich tief positioniert ist und den Fahrer so in eine relativ sportliche Haltung zwingt.

Die F77 steht in drei Versionen zur Verfügung, die optisch identisch sind. Der permanenterregte Elektromotor produziert in der Basis-F77 bis zu 27 kW und 85 Nm Drehmoment, die etwas kräftigere F77 Recon bringt es auf 29 kW und 95 Nm, die Top-Version F77 Limited schließlich schafft 30 kW und 100 Nm. Von null auf hundert km/h beschleunigen die drei Versionen in 8,3 bzw. 8 und 7,8 Sekunden und erreichen 140, 147 und 152 km/h Höchstgeschwindigkeit. Für indische Verkehrsverhältnisse sind das mehr als nur ausreichende Werte, denn man darf nicht vergessen, dass die überwältigende Mehrheit der Motorräder und Roller in dem südasiatischen Land nicht mehr als 150 cm3 haben.

Natürlich interessieren bei Elektromotorrädern vor allem die Reichweiten. Die Basis verfügt über eine 7,1-kWh-Batterie, die beiden teureren Versionen können 10,3 kWh speichern. Ultraviolette gibt die Reichweite für die F77 mit 206 km und für die F77 Recon und F77 Limited mit 307 km an – unter Idealbedingungen, die im normalen Alltagsverkehr wohl nie eintreten dürften.

Die Motorräder verfügen über drei Fahrmodi: "Glide", "Combat" und "Ballistic", wobei letzterer Modus nur aktiviert werden kann, wenn der Ladestand oberhalb von 70 Prozent liegt. Im Modus "Glide" verbraucht die F77 im Schnitt 40 Wh pro Kilometer, was eine Reichweite von 172 km ergibt. Bei "Combat" steigt der Wert auf 52 Wh/km und bei "Ballistic" gar auf 60 Wh/km, was die Reichweiten auf 135 km bzw. 118 km zusammensinken lässt. Die F77 Recon und F77 Limited mit der größeren Batterie schaffen in den drei Modi angeblich 261 km, 200 km und 171 km. Wie realistisch die Werte sind, müssen Tests zeigen.

Immerhin scheinen die indischen Bikes nicht sehr schwer zu sein. Ultraviolette beziffert das Gewicht auf 197 kg für die F77 mit der kleineren Batterie und die beiden größeren Versionen auf 207 kg. Dafür könnten die Wartezeiten beim Laden etwas länger ausfallen: Mit dem integrierten Standard-Ladegerät dauerte es eine Stunde, bis Strom für 35 km nachgeladen wurde. Mit dem optionalen Boost-Charger (Standard in der F77 Limited) sind es immerhin 75 km Reichweite pro Stunde.

Alle drei Versionen haben ein TFT-Display. Bluetooth stellt die Konnektivität mit dem Smartphone her, es kann aber auch WLAN benutzt werden. Wer eine SIM-Karte einlegt, kann auch das Motorrad selber mit LTE ins Netz einwählen.

Die Ultraviolette verfügt über ein Navi mit gespeicherten Landkarten. Per GPS ist das Motorrad jederzeit lokalisierbar und lässt sich über eine App im Handy sogar sperren oder nur für einen bestimmten Bereich betreiben (Geofencing). Alle Daten des Motorrads können in Echtzeit an den Hersteller übermittelt werden, was hierzulande sicher nicht jedem gefallen dürfte. Der Hersteller verspricht, dass einige Probleme über Updates behoben werden können, die over the air gereicht werden.