Biomarker im Gehirn für Chronische Schmerzen entdeckt

Forscher implantierten Elektroden in die Gehirne von Betroffenen. Die neuen Erkenntnisse könnten neue Wege zu personalisierten Hirn-Therapien ebnen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht

(Bild: Skorzewiak/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rhiannon Williams

Anhand von Gehirnsignalen lässt sich feststellen, wie stark die Schmerzen einer Person sind. Dies könnte einer neuen Studie zufolge die Behandlung bestimmter chronischer Schmerzzustände umkrempeln.

Die in "Nature Neuroscience" veröffentlichte Studie ist die erste, bei der die mit chronischen Schmerzen verbundenen Gehirnsignale eines Menschen aufgezeichnet wurden. Anhand dieser Möglichkeit ließen sich personalisierte Therapien entwickeln, die auf die schwersten Formen von Schmerzen ausgerichtet sind.

Chronische Schmerzen, definiert als Schmerzen, die drei Monate oder länger andauern, betreffen bis zu einem von fünf Menschen in den USA – mehr als Diabetes, Bluthochdruck oder Depressionen. Manchmal sind auch Menschen nach einem Schlaganfall oder einer Gliedmaßenamputation davon betroffen. Da aber immer noch unklar ist, wie diese Schmerzen das Gehirn beeinflussen, sind sie auch sehr schwer zu behandeln. Die Lebensqualität der Betroffenen kann stark beeinträchtigt sein.

Forscher der University of California, San Francisco, implantierten Elektroden in die Gehirne von vier Menschen mit chronischen Schmerzen. Die Patienten beantworteten dann über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten mehrmals täglich Umfragen über die Stärke ihrer Schmerzen. Nachdem sie jeden Fragebogen ausgefüllt hatten, saßen sie 30 Sekunden lang still, damit die Elektroden ihre Gehirnaktivität aufzeichnen konnten. Dies half den Forschern, in den Signalmustern des Gehirns Biomarker für chronische Schmerzen zu erkennen, die für den Einzelnen so einzigartig sind wie ein Fingerabdruck.

US-Forscher implantierten Elektroden in die Gehirne von vier Menschen mit chronischen Schmerzen, um individuelle Biomarker für das Schmerzlevel zu entdecken.

(Bild: Prasad Shirvalkar)

Anschließend verwendeten die Forscher maschinelles Lernen, um die Ergebnisse der Umfragen zu modellieren. Sie fanden heraus, dass sie erfolgreich vorhersagen konnten, wie die Patienten die Schwere ihrer Schmerzen bewerten würden, indem sie ihre Gehirnaktivität untersuchten, sagt Prasad Shirvalkar, einer der Autoren der Studie.

"Die Hoffnung ist, dass wir jetzt, wo wir wissen, wo diese Signale leben, und jetzt, wo wir wissen, nach welcher Art von Signalen wir suchen müssen, tatsächlich versuchen können, sie nichtinvasiv zu verfolgen", sagt er. "Wenn wir mehr Patienten rekrutieren oder besser charakterisieren können, wie diese Signale zwischen den Menschen variieren, können wir sie vielleicht für die Diagnose nutzen."

Die Forscher fanden auch heraus, dass sie in der Lage waren, die chronischen Schmerzen eines Patienten von akuten Schmerzen zu unterscheiden, die absichtlich mit einer Wärmesonde zugefügt wurden. Die Signale des chronischen Schmerzes kamen aus einem anderen Teil des Gehirns, aus dem im Stirnhirn liegenden orbitofrontalen Cortex, was darauf hindeutet, dass es sich nicht nur um eine verlängerte Version des akuten Schmerzes handelt, sondern um etwas ganz anderes.

Mehr zu Medizin

Die Krux ist, dass jeder Mensch Schmerzen auf unterschiedliche Weise empfindet. Daher gibt es kein Patentrezept, um sie zu bekämpfen – was sich in der Vergangenheit als große Herausforderung erwiesen hat. Das Team hofft, dass die Kartierung der individuellen Biomarker einen gezielteren therapeutischen Einsatz der elektrischen Hirnstimulation ermöglichen wird. Eine maßgeschneiderte und steuerbare Behandlung, die Shirvalkar mit der Regulierung der Raumtemperatur durch ein Thermostat vergleicht: "Ein Thermostat ist eine rückkopplungsgesteuerte Heizung. Wir versuchen, ein Modell zu bauen, das als Thermostat dient, um die elektronische Stimulation zur Schmerzlinderung zu steuern."

Die Ergebnisse könnten einen großen Sprung in der Schmerzbehandlung bedeuten und insbesondere bei der Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen, die Schwierigkeiten mit der Kommunikation haben, hilfreich sein, sagt Ben Seymour, Professor für klinische Neurowissenschaften an der Universität Oxford, der nicht an dem Projekt beteiligt war.

"Dies öffnet eine neue Tür zu intelligenten Schmerztechnologien, und ich denke, dass dies eine wirklich wichtige technische Hürde ist, die nun genommen wurde", so Seymour. Es zeigt auch, wie persönlich die Menschen Schmerzen empfinden und wie wichtig es ist, die Behandlungen auf jede Person zuzuschneiden, fügt Shirvalkar hinzu.

"Es ist klar, dass Schmerzen so komplex sind – und dass die einzelnen Menschen so komplex sind –, dass die einzige Möglichkeit, ihnen wirklich zuzuhören und sie zu sehen, darin besteht, sie ihre Seite der Geschichte erzählen zu lassen", sagt er.

(jle)