Lob der Einfachheit

30 Jahre BMW R 100 GS

Von der BMW R 100 GS behaupten böse Zungen zwar, dass ihre Technik schon beim Debut 1987 nicht mehr modern war, aber das war ja gerade ihr Erfolgsrezept. Ihre Einfachheit machte sie so robust und reparaturfreundlich wie sich ernsthafte Fernreisende ihr Motorrad heute vergeblich wünschen

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30 Jahre BMW R 100 GS 15 Bilder
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  • iga
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Die BMW R 100 GS feiert ihren 30. Geburtstag und hat damit den Oldtimerstatus erreicht. Böse Zungen lästern zwar „was – erst jetzt?!” und erinnern daran, dass ihre Technik schon zur Vorstellung 1987 nicht mehr modern war, aber das hat dem Erfolg der GS keinen Abbruch getan. Es war, ganz im Gegenteil, ihr Erfolgsrezept. Ihre Einfachheit machte sie so robust und reparaturfreundlich wie sich ernsthafte Fernreisende ihr Motorrad heute vergeblich wünschen.

Die Ehre, die Motorradsparte von BMW einst gerettet zu haben, gebührt sicherlich der R 80 G/S, aber es war die große Boxer-Enduro, die sich zum Bestseller im Programm entwickelte und den bis heute anhaltenden Trend zu hubraumstarken Reiseenduros einläutete.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass BMW heute noch Motorräder baut, weil einige ihrer Ingenieure sich in den 1970er Jahren für Geländerennen begeisterten und in ihrer Freizeit Straßen-Boxermodelle für den sportlichen Offroad-Einsatz umbauten, da ihr Arbeitgeber keine Enduros oder Scrambler im Programm haben wollte.

Fahrwerks-Entwicklungsleiter Laszlo Peres tüftelte mit einigen Kollegen solange an einer R 80/7, bis er sie auf schlanke 124 kg Trockengewicht reduziert hatte. Dass die Konstruktion auch schlagkräftig war, bewies er 1978 persönlich mit dem Vize-Titel in der Klasse über 750 cm3, ein Jahr später holte Richard Schalber dann sogar die Deutsche Enduro-Meisterschaft auf dem Boxer-Umbau.

Zu dem Zeitpunkt war die Rallye Paris-Dakar in aller Munde – mit ihren wagemutigen Helden, die auf grobstolligen Enduros die Wüste mit Vollgas durchquerten. Einzylinder-Enduros, wie die Yamaha XT 500, wurden den Händlern aus den Fingern gerissen.

Die G/S schlug ein wie eine Bombe

Bei BMW Motorrad herrschte damals eine sehr kritische Flaute im Geschäft, obwohl der Motorradmarkt boomte. Die veralteten Boxer-Modelle fanden kaum noch Käufer, die japanische Konkurrenz war technisch und leistungsmäßig drückend überlegen. Es gab ernsthafte Überlegungen in der Münchner Firmenzentrale, die Motorradproduktion ganz einzustellen. Deshalb entschloss sich die Entwicklungsabteilung, der Geschäftsführung den privaten Enduro-Umbau schmackhaft zu machen, um auf dieser Basis eine Serienfertigung zu starten.

In der Führungsetage suchte man zu dem Zeitpunkt verzweifelt ein neues Modell-Konzept und favorisierte eine Vierzylinder-Straßenmaschine, deren Entwicklung allerdings sicher vier bis fünf Jahre dauern würde. So gab man für die Gelände-BMW als „Überbrückungsmodell“ schließlich grünes Licht. Die R 80 G/S – das Kürzel steht für Gelände/Sport – war in nur eindreiviertel Jahren serienreif und schlug 1980 ein wie eine Bombe: 800 cm3, 50 PS, 196 kg Gewicht, lange Federwege, Einarmschwinge und ein großer Tank. Ein Wüstenrenner für den Alltag. Die G/S gewann in den Folgejahren gleich mehrmals die Paris-Dakar mit Gaston Rahier und Hubert Auriol im Sattel, was den Verkaufserfolg noch weiter anfeuerte.

Das Allroundtalent

Die R 80 G/S entpuppte sich rasch als Allroundtalent: Man konnte mit ihr täglich zur Arbeit pendeln, sich am Wochenende in der Kiesgrube austoben und im (verlängerten) Urlaub in die Sahara fahren. Genau von diesem guten Ruf zehrt die R 1200 GS heute noch, obwohl sie sich immer weiter vom Gelände weg in Richtung Straße entwickelt hat und aktuell mit fast fünf Zentnern Gewicht und riesigen Ausmaßen nicht mehr dem ursprünglichen GS-Gedanken entspricht.

Natürlich war die Konkurrenz 1980 von der ersten Zweizylinder-Reiseenduro – ausgerechnet von der stock-konservativen Marke aus Bayern – zunächst geschockt, konterte dann aber meist mit hubraumstarken Einzylinder-Modellen. Honda versuchte es 1983 sogar mit einer V2-Enduro, der XLV 750 R, scheiterte aber zunächst mit dem Konzept (erst 1988 kam der zweite Versuch in Gestalt der XRV 650 Africa Twin, die zum Erfolgsmodell wurde). Doch BMW entwickelte in der Zwischenzeit seinerseits die Boxer-Enduro weiter und setzte dabei auf mehr Hubraum.