60 Jahre Yamaha Motor Company

Von der Orgel zum Motorrad

Yamaha bestritt das erste Motorradrennen nur zehn Tage nach seiner Gründung Die YA1 nahm am populären Bergrennen „Mount Fuji Ascent Race“ teil und gewann prompt. Der Grundstein zu einer überragenden Erfolgsgeschichte war gelegt

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Zweirad 17 Bilder
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • iga
Inhaltsverzeichnis

Köln, 24. September 2015 – Yamaha bestritt das erste Motorradrennen nur zehn Tage nachdem die Yamaha Motor Company 1955 gegründet worden war. Das Modell YA1, eigentlich eine Kopie der deutschen DKW RT 125, nahm am populären Bergrennen „Mount Fuji Ascent Race“ teil und gewann prompt. Der Grundstein zu einer überragenden Erfolgsgeschichte war gelegt.

Die Wurzeln des Unternehmens reichen allerdings noch viel weiter in der japanischen Historie zurück. Sein Gründer, der gelernte Uhrmacher Torakusu Yamaha, konstruierte 1887 seine erste Orgel und taufte die Firma zwei Jahre später „Yamaha Organ Works“. Bis heute stellt Yamaha Music sehr erfolgreich Musikinstrumente und Elektronik her – seit 1900 hat das Unternehmen rund 6,15 Millionen Klaviere gebaut – und verfügt über mehr als 25.000 Angestellte in 94 Ländern. Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte das zerstörte Japan aber keine Orgeln, sondern günstige Transportmittel und Motorräder.

Als die Yamaha Motor Company 1955 als neuer Yamaha-Unternehmenszweig von Genichi Kawakami ins Leben gerufen wurde, übernahm man das Logo mit den drei gekreuzten Stimmgabeln. Eigentlich passte es nicht zum Produkt, aber schließlich konnte man damals nicht ahnen, wie erfolgreich die Motorsparte einmal sein würde. Heute baut sie Motorräder, Boote, Jetskis, Snowmobile, Quads, ATV, Automotoren, Außenborder, Industrieanlagen, Roboter, Elektrofahrräder, Rollstühle und sogar Swimmingpools. Letztes Jahr setzte die Yamaha Motor Company rund 11,3 Milliarden Euro um. Der Löwenanteil von 63,3 Prozent entfiel dabei auf die Motorradsparte.

Erfolg durch Rennen

Yamaha begriff von Beginn an, dass Siege im Rennsport den Verkauf kräftig ankurbeln konnten und engagierte sich seitdem mit eigenen Werkteams im Straßenrenn- und Offroadsport. 1961 eiferte man den japanischen Konkurrenten Honda und Suzuki nach und nahm erstmals an der Weltmeisterschaft teil. Sein Debüt in der 250-cm3-Klasse gab der RD48 getaufte Zweizylinder-Zweitakter beim GP von Frankreich und schaffte immerhin einen achten Platz. Das nächste Rennen war die legendäre TT Isle of Man, die damals noch zum WM-Kalender gehörte, und Yamaha holte sich dort mit dem sechsten Platz die ersten WM-Punkte. Honda gewann gleich in zwei Klassen die Weltmeisterschaft, bei den 125ern und 250ern, und dominierte die nächsten zwei Jahre zusammen mit Suzuki die Rennstrecken, doch das stachelte die Yamaha-Ingenieure offenbar an, den Entwicklungsrückstand wett zu machen.

1963 war es soweit und der Japaner Yoshikazu Sunako fuhr auf einer Yamaha RD56 in Spa-Francorchamps den ersten GP-Sieg für Yamaha ein. Nur ein Jahr später holte der Phil Read den WM-Titel für Yamaha in der 250er-Klasse und ließ noch vier weitere folgen. Seitdem hat sich die Liste der nationalen und internationalen Titel für die Marke enorm verlängert. Die Prestige trächtigsten bleiben natürlich die WM-Titel im GP-Sport, wo Yamaha 36 Fahrer- und 37 Konstrukteurs-Titel vorweisen kann – und dabei sind die Seitenwagen-Titel noch nicht einmal eingerechnet. Fast alle großen Fahrer im Rennsport des letzten halben Jahrhunderts saßen irgendwann auf einer Yamaha, unter anderem Rekordweltmeister Giacomo Agostini, Kenny Roberts, Eddie Lawson, Wayne Rainey und natürlich Valentino Rossi, der sich gerade wieder anschickt, erneut den MotoGP-Titel für Yamaha zu holen. Nicht zu vergessen sei der einzige Deutsche, der je für Yamaha die WM gewann: Dieter Braun sicherte sich den Titel 1973 in der 250er-Klasse.

Auch im Motocross ist Yamaha traditionell stark engagiert. 1973 holte der Schwede Hakan Anderson den ersten WM-Titel für Yamaha, der Franzose Romain Febvre fuhr vor wenigen Tagen Titel Nummer 27 für die Marke in der Motocross-WM ein.

Meilensteine

Auch im Automobil-Sektor fasste Yamaha Fuß, als sie etwa 1965 für Toyota das Supercar 2000GT bauten, außerdem lieferte Yamaha zwischen 1988 und 1997 Aggregate für Formel 1-Teams wie Jordan, Brabham und Tyrell – ohne allerdings ganz vorn mitreden zu können. Mitte der 1990er-Jahre entwickelt man zusammen mit Ford die Zetec-Motorenbaureihe, die dann beispielsweise in Fiesta und Mondeo eingebaut wurden. Doch das Kerngeschäft der Yamaha Motor Company blieb stets das Motorrad. Einer der Yamaha-Leitsätze, die dem Firmengründer höchstpersönlich zugeschrieben wird, lautet: „Wenn du etwas tust, versuch der Beste zu sein.“ Das ist sicher leichter gesagt als getan, dennoch hat Yamaha zweifellos etliche Meilensteine im Motorradbau vorzuweisen.

Die Entwickler wollten im Laufe der Firmengeschichte mehr als einmal neue Wege beschreiten, indem sie Gewohntes in Frage stellten und kompromisslos auf ein Ziel hinarbeiteten. Das gilt vor allem für Sportmotorräder. So sind die aus den Rennmaschinen abgeleiteten und ab 1973 gebauten Zweitakter RD 250 und RD 350 bis heute die meistverkauften Yamaha-Modelle. 1980 erschien die erste RD 350 LC mit Wasserkühlung, ein Novum bei den Serien-Zweitaktern. Drei Jahre später erhielt sie als RD 350 LC YPVS eine Walze, die die Größe des Auslasskanals drehzahlabhängig variierte und damit in Leistungsdimensionen vorstieß, die bislang doppelt so großen und wesentlich schwereren Viertaktern vorbehalten waren.

Enduro-Urgestein

In der Yamaha-Historie herrscht kein Mangel an Bestsellern: 1976 erschien die legendäre XT 500, die als Erste aller Enduros gilt und 13 Jahre lang im Programm blieb. Sie verfügte über lange Federwege und einen simplen, aber robusten Einzylinder-Viertakt-Motor – fertig war das Abenteuer-Bike, sowohl für die Kiesgrube als auch für die Sahara-Durchquerung. Bei der Erstauflage der berüchtigten Rallye Paris-Dakar holte sie prompt den Sieg und wiederholte den Erfolg ein Jahr später. Die Nachfolgerin XT 600 und deren Langstrecken-Variante, die XT 600 Ténéré mit Riesentank, gehörten in den 1980er Jahren zu den meistverkauften Motorrädern weltweit.

Dabei hat Yamaha erst 1969 seinen ersten Viertakter gebaut, die XS 1. Die Entwickler hatten deutliche Anleihen bei den erfolgreichen britischen Paralleltwins genommen, verlegten jedoch die per Kette angetriebene Nockenwelle nach oben. 1973 erschien die TX 500 als erster Zweizylinder-Viertakter nach dem Zweiten Weltkrieg mit vier Ventilen pro Zylinder. 1985 legten sie noch einen drauf, als sie mit der FZ 750 einen Motor mit Fünfventil-Technik präsentierten, was für eine bessere Befüllung der Brennräume sorgte. Der Vierzylinder leistete für damalige Verhältnisse unglaubliche 100 PS aus 750 cm3 und war der Grundstein für eine neue Motoren-Generation bei Yamaha.

Wilde Träume

Schon ein Jahr zuvor, 1984, hatte die Marke demonstriert, dass sie manchmal ihre Ingenieure auch wilde Träume verwirklichen lässt und brachte die Vmax auf den Markt. Dieses brachiale Dragster-Bike verfügte über einen 1,2-Liter-V4-Motor mit V-Boost-System, der sagenhafte 145 PS leistete und dazu konzipiert war, die gesamte Konkurrenz in der Beschleunigung abzuhängen. Das Kultmotorrad wurde unglaubliche 21 Jahre lang gebaut. Normalerweise ist die Halbwertszeit von japanischen Motorradmodellen eher kurz, bevor ein Nachfolgemodell auftaucht, doch bei Yamaha gibt es einige rühmliche Ausnahmen. Fast genauso lange wie die Vmax ist auch die XJR 1300 im Yamaha-Programm, die 1995 als 1200er vorgestellt wurde, bevor 1999 der Hubraum dezent erhöht wurde.

Der Dinosaurier unter den luftgekühlten Big Bikes ist dem Design der späten 1970er Jahre nachempfunden und seine Beliebtheit bei den Fans ungebrochen. Die langlebigste Vertreterin der Marke ist aber die SR 400. Als kleinere Schwester der SR 500 – die es auf einen Produktionszeitraum von ebenfalls 21 Jahren brachte – wird sie seit 1978 ununterbrochen in Japan gebaut, kommt also auf 37 Jahre, wird aber erst seit 2013 im Zuge der Retro-Welle offiziell in Deutschland angeboten.

Auch im Motocross hat Yamaha ein Modell erschaffen, das Generationen von Rennfahrern geformt hat und auf der wahrscheinlich mehr Weltmeister angefangen haben als auf irgendeinem anderen Motorrad: die PW 50. Die winzige Motocross-Maschine ist die kleinste Serienmaschine und stellt seit 1981 für die Allerjüngsten den Sprung in die Motorradwelt dar. Der archaische luftgekühlte 50-cm3-Zweitakt-Motor mit Automatik leistet nur 2,8 PS, hat jedoch mit den 39 kg leichtes Spiel und 485 mm Sitzhöhe stellen selbst für Dreijährige keine große Hürde dar. Ein voll gekapselter Kardan-Antrieb und Gussräder verhindern eingequetschte Gliedmaßen. Sie wird bis heute unverändert gebaut und hat eine eigene PW-Klasse geprägt.

Leichtigkeit siegt

Ebenfalls als wegweisend erwies sich die YZ 400 F, ein Viertakter, der die Motocross-Szene radikal änderte. 1998 kam das neue Konzept auf den Markt und düpierte 1999 die gesamte 500er-Zweitakt-Konkurrenz, als Yamaha mit ihr den WM-Titel holte. Der Fünfventil-Motor zog vom Standgas bis 12.000/min gleichmäßig durch, ohne schlagartige Leistungsexplosionen, wie man es von den Zweitaktern gewohnt war. Ihr Geheimnis lag in der Fahrbarkeit, die vorhandene Leistung konnte kontrolliert eingesetzt werden. Zwar gab es von Husqvarna, Husaberg und KTM schon Viertakt-Crosser, aber die stammten alle von schweren Enduros ab, die Viertakt-Yamaha hingegen war von vorne herein als Motocross-Maschine konzipiert worden. Dank leichter Materialien und moderner Bauweise konnte das Gewicht der YZ 400 F auf das Level der Zweitakter gedrückt werden. Ebenso veränderte die aus der YZ 400 F abgeleitete Enduro WR 400 F dauerhaft das Bild im Starterfeld. Auch sie bestach durch wenig Gewicht und frappierender Handlichkeit. Alle anderen Marken folgten bald dem Beispiel, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Beim Thema Sportlichkeit drängt sich bei Yamaha vielleicht am vehementesten die radikal konstruierte YZF-R1 auf. Es war ein Paukenschlag, als der Supersportler 1997 präsentiert wurde. Aus nur einem Liter Hubraum holte die R1 150 PS und wog dabei trocken nur 177 kg. Ein mächtiger Deltabox-Aluminium-Rahmen sorgte für Ruhe im Fahrwerk auch bei Topspeed von 270 km/h. Der sehr kurz bauende Vierzylinder-Motor ließ eine lange Schwinge zu, die Stabilität brachte. Die Konkurrenten beeilten sich, passende Antworten mit 1000-cm3-Motoren zu finden, doch die Vorreiterrolle konnten sie der R1 nicht mehr nehmen.

Die Firma feiert das sechzigjährige Jubiläum mit Merchandise-Artikeln in historischer gelb-schwarzer Farbgebung, wie sie es in der Kenny-Roberts-Ära gab. Die aktuelle Yamaha-Motocross-Generation kann in der Farbkombination bestellt werden. Valentino Rossi fuhr vor wenigen Wochen beim Goodwood Festival of Speed eine M1 in der gleichen Lackierung. Es ist die Kreativität und der Mut, neue Ideen umzusetzen, was Yamaha zum zweitgrößten Motorradhersteller der Welt gemacht hat. Das hätte sich Torakusu Yamaha sicher nicht träumen lassen, als er seine erste Orgel zusammenbaute.