Enge Allianz mit PSA macht Opel-Belegschaft Angst

„Am Ende wird man sich die Werke teilen“

GM sucht sein Heil für die Tochter Opel in Frankreich. Die Kooperation mit Peugeot/Citroën lässt die Arbeitsplätze noch heftiger wackeln. Neben Bochum könnte auch das Rüsselsheimer Entwicklungszentrum tausende Jobs verlieren

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  • Florian Pillau

Rüsselsheim/Bochum, 25. Oktober 2012 – Bei Opel schrillen die Alarmglocken immer lauter. Vier wichtige Modelle will die US-Mutter General Motors künftig gemeinsam mit dem ebenfalls kriselnden französischen PSA-Konzern (Peugeot/Citroën) entwickeln und nach Meinung zahlreicher Experten ab 2016 auch gemeinsam bauen. In der Perspektive könnte die hundertprozentige GM-Tochter Opel sehr bald in ein Gemeinschaftsunternehmen mit PSA eingebracht werden, was auch die GM-Bilanz in der Heimat deutlich aufhübschen würde.

Die noch laufenden Verhandlungen mit der IG Metall über ein Zukunftskonzept stehen angesichts dieses Management-Kurses vor dem Scheitern. Die von der Gewerkschaft angestrebten Garantien für die europäischen Opel-Werke und 40.000 Jobs drohen zu platzen.

Werke beider Partner droht Schließung

„Am Ende wird man sich natürlich auch die Werke teilen“, ist sich Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch-Gladbach nach den Ankündigungen sicher. Alles andere ergebe keinen Sinn, zumal die größeren Stückzahlen mit einem gemeinsamen Einkauf erklärtes Ziel der Allianz sind. 1,5 Milliarden Euro sollen so ab 2016 jährlich eingespart werden. Bratzel befürwortet die Kooperation als richtigen Weg, um die Kosten zu senken. Das gehe vor allem durch den Abbau der bestehenden Überkapazitäten, Werke beider Partner müssten also geschlossen werden.

In dem auf Opel-Seite besonders gefährdeten Werk Bochum sind Betriebsrat und Unternehmenssprecher seit Wochen abgetaucht. Die Gespräche liefen, es gebe keine Ergebnisse – mehr ist unmittelbar vor der Sitzung der IG-Metall-Tarifkommission über eine weitere Stundung von Gehaltszuwächsen an diesem Freitag (26. Oktober) nicht zu hören. Hinter den Kulissen stellt sich die Fabrik aber auf Hiobsbotschaften ein, ein Nachfolge-Auftrag für das Brot-und-Butter-Modell Zafira fehlt dem Werk mit 3200 eigenen und 1000 Fremdfirmenbeschäftigten. "Die Schließung nach 2016 ist längst beschlossene Sache", sagt Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer, der selbst in Bochum wohnt. "Es traut sich nur keiner, das öffentlich zu sagen."

Wo die neuen Gemeinschaftsautos entwickelt und gebaut werden sollen, will oder kann Opel noch nicht sagen. Als wahrscheinlich gilt, dass der nächste Zafira nicht mehr in Rüsselsheim, sondern in Frankreich entwickelt wird, was zu Einschnitten im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum mit seinen rund 5000 Ingenieuren führen muss. Auch im Stammwerk fehlt bislang ein Nachfolger für den Mittelklasse-Wagen Insignia, das Schicksal des Werks in Eisenach hängt am Erfolg des neuen Lifestyle-Minis Adam.

Keine Staatshilfe zu erwarten

Bei PSA hat sich der französische Staat mit Milliarden-Bürgschaften für Autokredite eingeschaltet und nimmt künftig großen Einfluss auf das eigentlich private Unternehmen, an dem GM bereits mit sieben Prozent beteiligt ist. Im Kampf um künftige Arbeitsplätze in einer Allianz oder gar einem gemeinschaftlichen Unternehmen könnte der Pariser Einfluss noch wichtig werden. "Von deutscher Seite ist keine Staatshilfe zu erwarten", ist sich nicht nur NordLB-Analyst Frank Schwope sicher. Zu viel Porzellan hat GM in der letzten Opel-Krise mit der 2009 abgesagten Übernahme durch Magna zerschlagen.

Unmittelbar vor dem eigentlich angestrebten Abschluss der Zukunftsverhandlungen steht die IG Metall nach monatelangen Verhandlungen mit nahezu leeren Händen da. Erst nach Verkündung der Allianz-Details wurde am Donnerstag der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Arbeitnehmerforums über mögliche Folgen der Allianz informiert. Einziger Faustpfand ist die seit Mai gestundete Tariferhöhung um 4,3 Prozent, die sich nach Betriebsratsberechnungen schon auf rund 15 Millionen Euro aufsummiert haben. Fraglich ist, ob die Summe nun gleich eingefordert oder für die weiteren Verhandlungen in der Hinterhand gehalten wird.

Die werden ohne Zweifel hart: Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug rechnet mit einem knallharten Wettbewerb der Standorte und fürchtet eine Abwärtsspirale von Einkommen und Arbeitsbedingungen. Im eigenen Unternehmen hatten zuletzt die Gewerkschaften in Großbritannien niedrigeren Löhnen zugestimmt, um das Astra-Werk Ellesmere Port zu halten. Dafür wackelt nun Bochum.

Zwei Lahme oder zwei Jäger?

Die Zukunftsaussichten von Opel/PSA auf dem engen Europamarkt schätzen die Experten unterschiedlich ein. Während Dudenhöffer glaubt, "dass zwei Lahme in fünf Jahren durchaus das Laufen wieder lernen könnten", hält Analyst Schwope die Marken für viel zu ähnlich: "Die jagen sich gegenseitig die Kunden ab. Ein Premiumhersteller wie BMW wäre für Opel als Partner viel besser geeignet." Eine klare Markentrennung wie beim Marktführer VW, der in seinen Skodas, Audis, Volkswagen und Porsches eine Vielzahl identischer Teile verbaut und trotzdem ganz unterschiedliche Märkte bedienen kann, wäre absolut notwendig. (dpa) (fpi)