Diesel klingen wie Benziner und Elektroautos wie "echte Autos"

Antischall sorgt für neuen Motorsound

Eberspächer verbaut Lautsprecher am Endrohr der Abgasanlage, um den Klang zu dämpfen oder zu verändern. Seine Erfahrungen damit nutzt der Abgasspezialist jetzt sogar, um Elektroautos einen "Auspuff-Sound" unterzujubeln

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  • ggo
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Hannover, 9. Oktober 2009 – Der Zulieferer Eberspächer, vielen vor allem durch seine Abgasanlagen bekannt, forscht schon seit Jahren daran, den Klang von Autos per Antischall zu verändern. Ihm geht es dabei aber nicht nur um pures Klangvergnügen, sondern auch um Sicherheitsaspekte, zumindest beim Elektroauto, doch der Reihe nach …

Akustische Aufwertung

Die Grundidee: Wenn man mit Kopfhörern durch Antischall Außengeräusche ausfiltern kann, sollte das doch auch mit Abgasanlagen möglich sein. Wie bitte? Überlegungen, über die Lautsprecher im Innenraum den "Motorsound" zu verändern, sind zwar nicht neu – doch direkt an der Abgasanlage? Schließlich ist der "Auspuff" ein reichlich unwirtlicher Ort, an dem sich weder Lautsprechermembranen noch elektrische Leitungen oder Mikrofone sonderlich wohl fühlen. Kein Wunder also, dass man einige Jahre zur Serienreife brauchte, doch bald ist es so weit: Das System geht in Serie, und zwar bei einem großen Audi mit Dieselmotor, der per Antischall "akustisch aufgewertet" wird. Um welches Modell es sich dabei genau handelt, ist uns noch nicht bekannt.

Antischall aus der Nebenkammer

Schon auf der IAA 2005 redete der Zulieferer erstmals über Antischall, später gab es auch Bilder, die erahnen lassen, wie der Lautsprecher in die Abgasanlage verbaut ist. Bei einer seriennahen Ausführung wie auf den Titelbild ist das schwierig geworden. Wir würden schon gerne wissen, was für ein Lautsprecher das ist, der Wetterwechsel, extreme Temperaturschwankungen und ständige Schwingungen klaglos übersteht. Eberspächer sagt dazu aber nichts, schließlich will man sich einen kleinen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz erhalten. Das Foto zeigt nur eine parallel zum Endrohr geschaltete "Birne", in der das Antischall erzeugende System wohl untergebracht ist. Vielleicht handelt es sich aber auch nur um einen Resonanzkörper und die Lautsprecher sind von der Fahrzeugseite angekoppelt, doch das bleibt vorläufig Spekulation. Spätestens zum Erscheinen des neuen Audi-Modells werden dann wohl bei eifrig die Birnen geköpft, um das Innenleben zu ergründen.

Antischall sorgt für neuen Motorsound

Leiser, leichter, sparsamer

Das Funktionsprinzip des Antischalls geht auf ein Patent von Paul Lueg zurück: Ein Mikrofon misst das Geräusch und Lautsprecher erzeugen gegenphasige Signale. In der Theorie lässt sich der Schall so auslöschen, praktisch aber zumindest deutlich dämpfen. Das verschafft einem Autobauer mehrere Vorteile. So muss er nicht mehr durch speziell ausgelegte Volumina oder besondere Klappen und Resonanzbereiche im Abgasstrang den Sound zurechtbiegen, sondern kann sie im Computer entwerfen. Zudem passt eine Abgasanlage für mehrere Fahrzeugmodelle und fällt deutlich kleiner aus. In Zahlen: Sie hat ein um etwa 60 Prozent geringeres Volumen, wiegt bis zu 40 Prozent weniger und erlaubt eine Reduzierung des Abgasgegendrucks um 150 mbar. Sie kann sogar zu mehr Leistung und weniger Verbrauch beitragen – und zwar bis zu 3 g/km CO2, also immerhin etwa 0,13 Liter. Die Schalldämpfung kann bis zu 20 dB betragen.

Sound nach Maß

Eberspächer unterscheidet bei seinem System je nach Einsatzzweck zwischen den Begriffen "ActiveSound" und "ActiveSilence", also der Gestaltung und der Dämpfung des Auspuffgeräuschs. Beides hat der Zulieferer bereits an so genannten Demonstratoren umgesetzt, 2005 an einem Audi A4 2.0 TFSI und 2007 an einem A4 Cabrio 3.0 TDI. Gerade bei einem Cabrio mit Dieselmotor sind die Vorteile leicht vorstellbar, erst recht bei Nutzfahrzeugen – hierfür hat das Unternehmen sogar einen Forschungsauftrag erhalten. Prinzipiell lassen sich "Sound und Silence" auch kombinieren – es ist anzunehmen, das genau das bei dem neuen Audi-Modell auch gemacht wird.. Mit etwas Fantasie kann man sich sogar noch mehr vorstellen: Man könnte den Klang variabel gestalten, zum Beispiel neben der zivilen Variante den virtuellen Sportauspuff gleich oder später dazu liefern – Tuner, aufgemerkt! Da der "ActiveSound" als Programm in der Fahrzeugelektronik abgelegt ist, sind solche Ideen quasi vorprogrammiert.

Antischall sorgt für neuen Motorsound

Achtung, Elektroauto

Zunächst ist das Zukunftsmusik – ähnlich wie eine nennenswerte Anzahl von Elektroautos im Alltag. So sehr diese auch an medialer Bedeutung gewonnen haben, man sieht bisher kaum eines. Wenn doch, fällt allerdings auf, dass das sehr leise Laufgeräusch leicht überhört werden kann. Dieses Sicherheitsrisiko haben viele erkannt, auch Eberspächer. Die Antwort des Unternehmens darauf heißt "SafetySound", wobei der Zulieferer auf Erfahrungen mit ActiveSound und ActiveSilence zurückgreift. Im Rinspeed iChange demonstrierte Eberspächer auf der vergangenen IAA dieses System, das auch Elektroautos einen Motorklang verpasst. Es klingt schon fast albern, aber Motorsound für Elektroautos ist zumindest so lange eine gute Lösung, wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren den Verkehr dominieren. Schließlich soll der Klang eines Autos Passanten nicht entgehen, sie aber auch nicht ablenken.

Klang aus dem Nichts

Die Lautsprecher sind unter dem Kofferraum verbaut, eben dort wo normalerweise das Abgas entweicht – inklusive des dazugehörigen Sounds. Der Blick unter das Auto ist freilich enttäuschend, es gibt eigentlich nichts Auffälliges zu sehen. Auf Nachfrage nach der Funktionsweise ernte ich wieder freundliche Zurückhaltung, also spekuliere ich wieder ein bisschen: Gut vorstellbar wäre zum Beispiel eine Art NXT-Lautsprechertechnik, wie man sie aus dem Hifi-Bereich kennt. Der Automobilzulieferer Johnson Controls hat es übrigens einmal mit Flachlautsprechern im Dachhimmel versucht. Das könnte vielleicht auch im Außenbereich funktionieren, denn über wetterfeste und robuste Membranmaterialien verfügt Eberspächer offensichtlich. Flachmembranen blieb zwar bisher der Durchbruch in höheren Hifi-Sphären verwehrt, doch zur musikalischen Erbauung ist SafetySound ja auch nicht gedacht.

Antischall sorgt für neuen Motorsound

Hybrid-Sound

Wie gesagt, Elektroautos gibt es ohnehin noch nicht viele, doch auch Hybridfahrzeuge bieten ein interessantes Betätigungsfeld: Einem Plug-in-Hybrid etwa könnte man wenigstens etwas Motorsound verpassen, solange er rein elektrisch fährt. Kritisch in akustischer Hinsicht sind zudem die so genannten Range Extender: Wenn sich bei ihnen plötzlich unvermittelt der Motor ein- oder ausschaltet, könnte man für einen geschmeidigeren akustischen Übergang sorgen. Außerdem könnte ActiveSilence dabei helfen, kleine und hoch drehende Motoren akustisch etwas in den Griff zu bekommen. Denn einiges spricht dafür, dass sich nur sehr kompakte Motoren für Range-Extender-Antriebe durchsetzen werden.

Auspuffsound per Download

Zunächst sind wir aber gespannt darauf, wie sich ActiveSound und ActiveSilence im Serienmodell von Audi bewähren und ob sich das System im Markt etablieren kann. Das wird sich daran entscheiden, ob für den Autobauer Kostenvorteile herausspringen und die akustischen Vorteile die Kunden überzeugen. Dennoch fällt es etwas schwer, die Fantasie im Zaum zu halten. Denn wenn man schon im Auto im Internet surfen kann, ist der Weg zum maßgeschneiderten Auspuffsound per Download eigentlich nicht mehr weit …