Erste Serienanwendung ist der Mercedes S400 BlueHybrid

Continental startet Produktion von Li-Ion-Batterien

Continental hat die Serienproduktion von Lithium-Ionen-Batterien gestartet. Sie sind für den Mercedes S400 BlueHybrid bestimmt, der nächstes Jahr in Serie geht. Doch der Zulieferer hat sich noch mehr vorgenommen ...

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Nürnberg, 24. September 2008 – Mitte 2009 soll der Mercedes S400 BlueHybrid auf den Markt kommen. Es ist das erste Serien-Hybridfahrzeug von Mercedes-Benz und nutzt zudem von Beginn an eine Lithium-Ionen-Batterie als Energiespeicher. Der BlueHybrid ist als Mildhybrid ausgelegt, ein Elektromotor mit 15 kW Leistung unterstützt den Verbrennungsmotor in Beschleunigungsphasen. Für den kleinen E-Motor, der aufgrund seiner Bauweise den Bauraum kaum beeinträchtigt, genügt eine vergleichsweise kleine Antriebsbatterie, die im Motorraum untergebracht ist und kaum größer ausfällt als eine gewohnte Starterbatterie. Die vom Zulieferer Continental entwickelte und gefertigte Batterie benötigt 13 Liter des kostbaren Bauraums und wiegt 25 kg.

Erste Serienanwendung
Am Mittwoch feierte Continental den Beginn der Fertigung im Werk Nürnberg. Nach Angaben des Zulieferunternehmens handelt es sich um die erste Lithium-Ionen-Batterie (Li-Ion) weltweit, die für den Einsatz in einem Hybridantrieb in Serie gefertigt wird, wie Conti-Vorstand Karl-Thomas Neumann bei der Feier sagte. Auf die ironische Nachfrage eines unserer Kollegen, ob der Tesla Roadster denn keine Serienanwendung ist, gab ein Conti-Sprecher zu bedenken, dass dessen Lithium-Ionen-Batterie aus einer Menge Consumer-Batterien zusammengebaut worden sei – um eine gezielte Entwicklung für eine Fahrzeuganwendung handele es sich daher nicht.

Batterien für ein Autoleben
Ob an eine Antriebsbatterie dieselben Kriterien angelegt werden können wie an einen Energiespeicher für I-Pods und Telefone, ist in der Tat fraglich. Laut Continental soll die Antriebsbatterie mindestens zehn Jahre sicher und zuverlässig arbeiten, oder alternativ 160.000 bis 240.000 km durchhalten. Selbst bei einem Lithium-Ionen-Energiespeicher, der auf Lade- und Entladezyklen weniger empfindlich reagiert als die bisher gängigen Nickel-Metallhydrid-Batterien (NiMh), erfordert das ein spezielles Batteriemanagement, um sein Leben möglichst lang zu erhalten. Die Elektronik prüft dabei Eigenschaften wie Temperatur und verfügbare Energiemenge in Abhängigkeit vom Alterungszustand – Sicherungsschaltungen verhindern dann zum Beispiel, dass die Batterie zu heiß wird. In Testzyklen hat Conti nach eigener Aussage die Batterien künstlich gealtert, um diesen mehrjährigen Einsatz zu simulieren. Wie sich die Batterien dann in der Praxis halten, kann allerdings niemand voraussagen, weil es schlicht keine Erfahrungswerte gibt.

Continental startet Produktion von Li-Ion-Batterien

Zu früh für Prognosen
Ob die Lithium-Ionen-Batterie zum dominierenden Energiespeicher wird, kann Continental daher nicht beantworten und so ist wohl auch das vorsichtige Vorgehen des Zulieferers zu interpretieren: 3,3 Millionen Euro hat Conti in die Produktion investiert, 23 neue Arbeitsplätze sind entstanden und 15.000 Batterien können pro Jahr produziert werden. In Fahrzeugen ausgedrückt geht es also um relativ geringe Stückzahlen. Conti-Chef Neumann macht freilich auch gar nicht erst den Versuch, die Li-Ion-Batterie als allein seligmachende Antwort auf zukünftige Antriebsfragen darzustellen. Er glaubt zwar, dass Mildhybride ab etwa 2010 in größeren Stückzahlen auf den Markt kommen und bestätigt damit die derzeit gängige Meinung unter Experten. Doch nach vielen überraschenden Wendungen in der Haltung zu Hybrid- und Elektrofahrzeugen in den letzten Jahren wäre es reichlich gewagt, genaue Prognosen abgeben zu wollen. Der große Überraschungs-Newcomer des vergangenen Jahres, so Neumann, sei der Elektroantrieb, eine Voraussage über seine Erfolgsaussichten in Stückzahlen will er aber nicht machen – zu unterschiedlich seien die Prognosen, die es zu diesem Thema gibt.

Conti+Schaeffler = Elektronik+Mechanik
Natürlich bleibt bei einer Conti-Veranstaltung derzeit die Frage nicht aus, was der Einstieg von Schaeffler für die Entwicklung von neuen Antrieben bedeutet. Neumanns Antwort bringt es auf eine einfache Formel: Conti+Schaeffler = Elektronik+Mechanik. Die Anforderungen im Antriebsbereich könne heute kein Unternehmen mehr alleine stemmen und Conti sei bemüht, alle Technologien bereit zu halten, die der Markt in den nächsten Jahren fordern könnte. Dazu gehöre durchaus nicht nur der Elektroantrieb in seinen verschiedenen Ausprägungen, auch der Verbrennungsmotor werde noch lange Zeit seine Berechtigung behalten.

Das volle Programm
Doch zurück zur Lithium-Ionen-Batterie: Continental will Energiespeicher für Mildhybride, Vollhybride, Plug-in-Hybride und reine Elektrofahrzeuge liefern können. Ein „flexibles Baukastenkonzept“ soll es erlauben, diese unterschiedlichen Anwendungen zu bedienen. Dazu gehören außer der Batterie Komponenten wie Spannungswandler, Elektromotoren und Wechselrichter. Letzteren sieht man bei Conti als eine zentrale Komponente: Er sorgt dafür, dass in Schub- und Bremsphasen möglichst viel kinetische Energie in elektrische Energie gewandelt und der Batterie zugeführt wird. In der nächsten Generation will Conti das Bauvolumen der Elektronik um etwa 30 Prozent verringern, das wären dann etwa 5 Liter. Sie sollen in ein Gehäuse integriert werden, das etwa so groß sein soll wie eine (im Hybridfahrzeug überflüssige) Lichtmaschine – zusätzlichen Bauraum beansprucht die Elektronik somit nicht.

Continental startet Produktion von Li-Ion-Batterien

Der Preis bleibt heiß
Bei einer zentralen Frage gibt sich Conti ebenso zugeknöpft wie fast alle Ansprechpartner in der Industrie. Was die kleine Lithium-Ionen-Batterie für den S400 BlueHybrid kostet, will man nicht verraten. Das erstaunt nicht wirklich, denn tatsächlich weiß es keiner so richtig. Dennoch ist es die Frage nach den Kosten, welche die meisten Autofahrer interessiert. Welche Hoffnung sollte er schließlich in eine Technik setzen, bei der die Batterie womöglich mehr kostet als der Rest des Autos? Auf dem Kongress „Fährt das Auto der Zukunft elektrisch?“ im April sagte Professor Uwe Sauer von der RWTH Aachen, dass in 8 bis 10 Jahren Stromspeicher pro 100 kg und 70 km Reichweite wohl rund 3000 Euro kosten werden. Für 300 km Reichweite bräuchte man somit einen 450-kg-Block, der die Produktionskosten eines Mittelklassewagens übersteigen würde. GAIA-Geschäftsführer Klaus Brandt bezifferte auf derselben Veranstaltung die Kosten für eine Lithium-Ionen-Batterie für 50 km Reichweite auf unter 4000 Euro.

Testfall Mildhybrid
Man könnte es auch umgekehrt ausdrücken: Reichweiten von über 100 km verursachen bei reinen Elektrofahrzeugen allein für die Batterie Kosten, die Kunden eines Mittelklassewagens kaum noch schmackhaft zu machen wären. Das zeigt aber auch, warum es für Mercedes-Benz und Continental so attraktiv ist, mit einem Mildhybrid zu starten. Beide Unternehmen können auf diese Weise Praxiserfahrungen mit der Lithium-Ionen-Batterie sammeln. Zudem werden die Kosten für die kleine Batterie wohl in einem Rahmen liegen, der besonders der Klientel der S-Klasse nicht allzu sehr weh tun wird. Wenn sich die Technik bewähren sollte, ist Continental auch für größere Anwendungen gerüstet: Im Mercedes muss Contis Lithium-Ionen-Block nur einen Elektromotor mit 15 kW bedienen, doch das Baukastenkonzept erlaubt auch Batterien, die für Leistungen bis über 120 kW geeignet sind.

Continental startet Produktion von Li-Ion-Batterien

Was Ihr Volt
Ein solches größeres Exemplar wurde zum Anlass des Produktionsstarts ebenfalls gezeigt. Der in diesem Fall T-förmige Energiespeicher ist darauf ausgelegt, dort Platz zu finden, wo ansonsten die Kardanwelle verläuft, sofern man den Vergleich mit einem konventionellen Pkw überhaupt bemühen möchte. Tatsächlich zeigt das Exponat eine verblüffende Ähnlichkeit zu der Batterie, die in der Serienversion des Chevrolet Volt verwendet wird. Continental erhielt neben einigen weiteren Firmen Mitte 2007 den Auftrag, Lithium-Ionen-Batterien für GMs Range Extender weiterzuentwickeln.

Auf dem Weg zum Vollsortimenter
Schaut man sich das Produktportfolio von Continental einmal näher an, fehlt nicht mehr viel zum Vollsortimenter, der einen kompletten Antriebsstrang anbieten kann. Da gibt es die Lithium-Ionen-Batterien, Leistungs- und Steuerungselektronik, in Zusammenarbeit mit ZF Friedrichshafen Elektromotoren oder auch Startergeneratoren, die freilich nur für Mikrohybride von Bedeutung sind. Auch für Verbrennungsmotoren entwickelt und liefert Continental einige Komponenten, so etwa Einspritzsysteme oder Motorsteuerungen. Ergänzt durch das Know-how von Schaeffler könnte der Zulieferer durchaus einen Antriebsstrang liefern, der von der Batterie bis zu den Rädern alle wesentlichen Komponenten enthält. Es fehlt eigentlich nur noch ein kleiner Verbrennungsmotor für Range Extender, den man aus heutiger Sicht zukaufen müsste. Und auch dort ist wohl bald mit Überraschungen und neuen Anbietern zu rechnen: Ein Verbrennungsmotor für Range Extender kann quasi-stationär betrieben werden. Das stellt einerseits neue Anforderungen an die Motorenentwickler und eröffnet andererseits Anbietern Chancen, die bisher im Pkw-Bereich keine Rolle spielten.