Das Geschenk der Göttin

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Die Schönheit Frankreichs

Das mag sich nach der harten Kritik zum Einstieg schwer nachvollziehbar lesen, aber auf der Fahrt zu Marc höre ich Isabelle Boulay in der Lounge und versöhne mich nicht nur mit diesem Fahrzeug, sondern mit ganz Frankreich. Wer solche Autos baut, dem kann als Volk vielleicht, irgendwann in ferner Zukunft, auch vergeben werden, dass er den Flughafen Charles de Gaulle gebaut hat. Ich schalte den Tempomaten an und unterhalte mich in kultivierter Lautstärke mit den kultivierten Damen an Bord. An Tankstellen genieße ich die Blicke der Autobahn-Bourgeoisie: Ha-Haa! Ich zuckele hier rein elektrisch über den Platz und zwar nicht in kargem Märtyrertym, sondern in schwülstigem Luxus! Man kann spätrömisch dekadent sein mit einem Mittelkonsolenkühlfach voller Foie Gras und gleichzeitig die berechtigte Hoffnung hegen, dass einem eine Greenpeace-Aktivistin auf den Schoß springt (ob man das will, ist die andere Frage). Ich ertappe mich sogar dabei, beim Kaffee trinken mit den Augen gedankenverloren über die verschnörkelten Sicken dieses weißen Raumschiffs zu wandern. Es ist schön.

Marc ist weniger begeistert. "Das wird schnell langweilig", meint er zu den Schnörkeln. Guter Mann, deine alte DS hat ihre Blinker in Blechtröten auf dem Dach! Solche Sachen bleiben für Jahrzehnte bescheuert, die werden nie "langweilig"! Seine Hauptkritikpunkte sind relevanter: Marc ist gerade Vater eines sehr fröhlichen Buben geworden, und sehr fröhliche Buben brauchen eine Menge Platz für Sport-Kinderwägen, Holzmotorräder und Wasserwaffen, den es im DS5 trotz großer Außenmaße schlicht nicht gibt. Familienreisen mit Kindern gehen ohne Dachgepäckträger gar nicht. Bei umgelegten Sitzen dann liegt die Hochspannungsbatterie quer als Stufe mitten im Weg. Er hätte auch gern mehr Abrollkomfort ("mir ist auch der Prius nicht komfortabel genug"). "Und der Preis ist nicht mehr weit weg vom Opel Ampera, der aber viel weiter rein elektrisch fahren kann." Ohne es zu wollen, bin ich schwer beleidigt. Wie kann er Die Lounge (tm) nicht gut finden? Und überhaupt sollte alles andersrum sein: Ich wollte den Wagen hassen und er sollte ihn super finden. Planänderung: Vergessen wir Marcs Meinung. Was weiß der schon? Einstimmig bereinigtes Fazit: Für Lounger ohne Kinder ist der DS5 ein wunderbares Reiseraucherzimmerraumschiff.

Die gesamte Linie DS ist zudem der einzig richtige Weg für Citroën als Hersteller. Wir erleben gerade eine Übersättigung des Marktes mit "mir-doch-egal"-Autos für Kunden, die einfach preiswert vier Räder mit einem Antrieb kaufen möchten. Sie werden aus Korea perfekt bedient, und wenn sie in ein paar Jahren nicht mehr in Rüsselsheim kaufen können, wird China diese Lücke passgenau füllen. Ein bisschen mehr anbieten, ein bisschen Eigenständigkeit wagen, selbst, nein: gerade wenn das Ergebnis wie eine Spielwiese wirkt, das ist Extravaganz, aber gleichzeitig marktgerecht. Die Extravaganz hat sich Citroën Gott sei Dank aus alter Zeit bewahrt, und deswegen fahre ich jetzt die 1967er Citroën DS von Marc. Das Auto ist diese Geisteshaltung in Metall kondensiert. Nur zur Sicherheit: Das ist kein Vergleich "alt gegen neu". Das wäre lächerlich. Wir wollen auch um Himmels Willen keine Diskussion anzetteln à la "Citroën darf neue Fahrzeuge nicht DS nennen, weil ich das nicht erlaube!". Nein, wir wollen einen Kontext hinter die Franzosenhaftigkeit des DS5 legen, den historischen Hintergrund DS beleuchten. Und (wichtiger): Ich will einfach DS fahren.