Anders nachhaltig

Deutsche Mobility-Start-ups: Sono Motors

Sono Motors will mehr anbieten als ein Elektroauto mit Solar-Paneelen. Sie wollen die Branche ändern. In wenigen Tagen hat sich entschieden, ob der Traum noch lebt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 214 Kommentare lesen
Elektroautos, alternative Antriebe 4 Bilder
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Um es kurz zu machen: Bei Sono Motors brennt der sprichwörtliche Baum. Dem Unternehmen ist das Geld ausgegangen. Aktuell läuft eine Crowdfunding-Kampagne, die innerhalb von 30 Tagen – bis Ende Dezember – 50 Millionen Euro einsammeln soll. Das wäre in der europäischen Start-up-Szene ein einzigartiger Erfolg.

Dass die Situation so brenzlig geworden ist, liegt im Fall von Sono Motors nicht am Produkt. Das scheint, gemessen am investierten Geld, sogar ausgesprochen gut zu sein: Ein Van-artiges Elektroauto mit Solar-Paneelen an der Karosserie. Die sollen die Basisreichweite von 250 Kilometer um rund 34 Kilometer erweitern. Kostenpunkt inklusive Batterie: 25.500 Euro.

Mehr als ein Elektroauto

Das Besondere ist, dass es für das Geld weitaus mehr gibt als ein Elektroauto. Jona Christians, Navina Pernsteiner und Laurin Hahn, die Gründer von Sono Motors, wollen die gesamte Produktion mit möglichst geringem CO2-Ausstoß fahren. Dafür wollen sie das Auto in Trollhättan bauen lassen. Weil die ehemaligen Saab-Werke jetzt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Jeder Fahrzeugbesitzer wird gleichzeitig Teil der Sono-Community und kann sein Fahrzeug, wenn er möchte, mit anderen teilen.

Auch technisch hatte das Fahrzeug einiges zu bieten – mal abgesehen von den Solarzellen. Continental und Bosch konnten als Zulieferer gewonnen werden. Die Rekuperation soll enorm effizient sein und das Datenmanagement auf der Höhe der Zeit. Innovativer Gag am Rande: Im Inneren soll Moos angepflanzt werden, um die Luft zu reinigen. 260.000 Stück seines so genannten Sion will Sono Motors in Schweden fertigen lassen. Den Gründern geht es wirklich und glaubhaft darum, die neue Mobilität mitzugestalten. Darum, dass weniger Autos gefahren werden, diese mit erneuerbarer Energie getankt und von den Besitzern geteilt werden.

Investoren ticken aber anders. Nach Angaben von Sono Motors habe man durchaus internationale Geldgeber gefunden. Diese seien jedoch nur daran interessiert gewesen, Techniken zu übernehmen oder schnell Geld zu verdienen. Nicht daran, langfristig ein nachhaltiges System aufzubauen. Und so entschied sich Sono Motors (mit mittlerweile rund 100 Angestellten) für die Crowdfunding-Variante.

Der Rechenweg dahinter geht so: 10.000 Kaufinteressenten haben bereits eine Anzahlung über jeweils 500 Euro geleistet. Würden 2000 davon den vollen Kaufpreis vorab überweisen, wäre das Finanzierungsziel erreicht. Am 30. Dezember 2019 endet die Kampagne.

„Jedes Auto fährt elektrisch und wird geteilt“

Interview mit Jona Christians

Können Sie uns Ihre Geschäftsidee in drei Sätzen erläutern?
Unsere Geschäftsidee basiert auf unserer Vision von einer von Erdöl unabhängigen Mobilität. Wir haben Sono Motors gegründet, weil wir unseren Beitrag zu einer klimafreundlichen Zukunft leisten möchten, in der jedes Auto elektrisch fährt und geteilt wird. Aus diesem Gedanken heraus ist Sono Motors und unser Konzept einer effizienten und klimaschonenden Mobilität entstanden, in dessen Mittelpunkt der Sion steht. Den höchsten Maßstab unseres Unternehmens – der Schutz der Umwelt, der Natur und des Menschen – haben wir deshalb sogar in unserem Gründungsvertrag verankert.

Wer ist Ihre Kundschaft?
Das Gesamtkonzept des Fahrzeugs ist attraktiv für unterschiedliche Zielgruppen. Das verbindende Element ist der Umweltgedanke. Unter unseren derzeitigen Kunden finden Sie innovative “early adopter”, technikbegeisterte Trendsetter, aber auch Besitzer von Eigenheimen mit Photovoltaik-Anlage. Mit unseren Sharing-Diensten sprechen wir vor allem eine junge Zielgruppe an. Das integrierte Solarsystem erlaubt es beispielsweise Pendlern, ihren Arbeitsweg klimaneutral und kostenfrei zurückzulegen. Durchschnittlich 34 Kilometer beträgt die Reichweite, die durch Solarenergie erzielt werden kann – zusätzlich zur Gesamtreichweite von 250 Kilometern. Die dadurch gewonnene Unabhängigkeit von der Ladeinfrastruktur und die reale Basis-Reichweite von 250 Kilometern machen das Auto auch für den Lebensraum außerhalb von Großstädten interessant. Das bestätigt sich in der Demografie derer, die das Auto bereits reserviert haben.

Wer sind Ihre Konkurrenten und was haben Sie denen voraus?
Mit einem aktuellen Marktanteil der E-Autos von nicht mehr als 2,6 Prozent in Deutschland müssen wir die Elektromobilität dringend und schnell ausbauen. Daher begrüßen wir jedes Elektroauto, dass auf die Straße kommt – auch, wenn es von einem traditionellen Hersteller kommt.

Welche konkreten und praktischen Vorteile haben Ihre Kunden durch Ihr Produkt?
Das wesentliche, übergeordnete Argument, das für den Sion spricht, ergibt sich bereits aus dem Grundgedanken hinter Sono Motors. Nämlich, dass wir Verhaltensweisen im Umgang mit Ressourcen aktiv ändern und verantwortungsvoll und vorausschauend handeln müssen. Wir bauen ein innovatives E-Auto mit Solar Integration, das die derzeit noch existierenden Vorbehalte zum Thema Elektromobilität adressiert: Reichweite, Ladeinfrastruktur und Preis. Hier bietet der Sion kluge Lösungen und zukunftsfähige Antworten. Wir denken Mobilität umfassender, indem wir den Sion über smarte Sharing-Features maximal effizient machen: Das reduziert die Kosten für die Nutzer und hilft gleichzeitig der Umwelt. Denn das Thema Elektromobilität in der derzeitigen Konzeption löst zwei dringende Probleme noch nicht. Erstens: Es sind zu viele Autos auf den Straßen, mit den bekannten Konsequenzen: überlastete Innenstädte und verstopfte Autobahnen. Zweitens: Die in der Produktions- und Lieferkette entstehenden CO2-Emissionen und die mangelnde Nachhaltigkeit über den Lebenszyklus. Wir kompensieren daher beispielsweise alle nicht vermeidbaren CO2-Emissionen, in der Produktion und Lieferkette, über Klimaschutzprojekte. Unser Ziel: die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen deutlich zu reduzieren.

Wie weit sind Sie mit der Verwirklichung und wo stehen Sie in fünf Jahren?
Nachdem wir schon früh in der Konzeptphase unsere ersten Fahrzeuge auf Probefahrten geschickt haben, bekamen wir direkte Rückmeldungen von denen, die sich für das Konzept des Sion interessieren. Wir haben schnell begeisterte Unterstützer gefunden und deren Feedback wurde in der weiteren Entwicklung berücksichtigt. Gleichzeitig haben wir Sono Motors aufgebaut, ein Team von einhundert Mitarbeitern eingestellt, und Organisationsstrukturen entwickelt. Natürlich wurde auch ein umfassendes Netzwerk aufgebaut, aus Partnern und Zulieferern. So konnten wir die Konzeptphase erfolgreich abschließen und befinden uns jetzt im letzten Drittel der Konstruktionsphase.
Im September 2021 werden die ersten Fahrzeuge in Trollhättan vom Band rollen. Der eigentliche Start der Produktion (SOP), den wir uns als Ziel gesetzt haben, ist dann Anfang 2022.

Mehr Infos