Die BMW HP4 mit "Dynamic Damping Control"

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Als Steller setzt BMW Proportionalventile ein, die direkt per Magnetfeld den Öffnungsgrad einstellen, denn Servos mit Motoren wären für eine kontinuierliche Anpassung viel zu langsam. Die elektromechanische Reaktionszeit des Systems liegt bei 10 ms, dazu kommt 1 ms Rechenzeitlatenz der Sensordatenaufbereitung. Das Ventil öffnet gegen eine Feder, sodass die Dämpfung im Fehlerfall auf Maximum läuft: Ein zu straff gedämpftes System ist als Rückfallebene sicherer als ein krass unterdämpftes. Einige Teile können bei der Dämpfersteuerung des DDC wegfallen, andere kommen hinzu (zum Beispiel das Steuergerät), sodass unterm Strich rund 1200 g Mehrgewicht gegenüber einem konventionellen Dämpfungssystem anstehen.

Da es auf dem Motorrad deutlich komplexere Fahrdynamikdaten zu berücksichtigen gibt, fällt umso mehr auf, dass eine fixe Dämpfereinstellung immer ein Kompromiss sein muss, und am DDC fällt daher sofort auf, wie gut das Fahrzeug in jeder Lebenslage liegt. Beispiel Beschleunigung: Durch die im Vergleich zum Gewicht hohe Leistung eines Motorrades ergibt sich beim vollen Beschleunigen immer ein deutlicher Nickimpuls, die Hinterachse federt ein. Deshalb zieht das DDC bei ruckartiger Bewegung der Drosselklappe sofort die Druckstufendämpfung des hinteren Federbeins zu. Aufgrund der zügigen Reaktionszeit des Systems ist das längst geschehen, wenn das Hinterrad einzufedern beginnt.

Moar Examples!

Ein anderes Beispiel ist die Fahrt durch eine Schikane oder Wechselkurve. In der dynamisch stabilen Schräglagenfahrt der ersten Kurve reduziert das DDC die Dämpfungsrate, um das Ansprechverhalten für die Kurvenfahrt zu verbessern. Ein zu stark gedämpftes Rad lastet nämlich dem Reifen so viel Arbeit auf, dass der Grenzbereich schmaler wird und das Rad nicht mehr sauber der Straßenoberfläche folgt. Im Resultat verliert es an Grip und wandert nach außen. Im Extremfall ist eine zu hohe Dämpfung in Kurven ein Grund für den klassischen Lowsider: Das Motorrad rutscht unterm Fahrer weg. Stellt das DDC einen relevanten Rollwinkel fest, weil der Fahrer die Maschine für die nächste Kurve umlegt, zieht es langsam die Dämpfung zu, um das typische Wabbeln beim schnellen Wechsel zu unterbinden oder wenigstens möglichst weit zu dämpfen. Dann öffnet es die Dämpferventile langsam wieder für die stabile Kurvenfahrt auf der anderen Seite.

"Mehr! Mehr Beispiele!", verlangten wir von BMW, erhielten sie aber nicht: "Wir wollen der Konkurrenz ja keine Nachbauanleitung liefern." Interessant noch der "HP Race Calibration Kit" für 1100 Euro Aufpreis: Er erlaubt es, sehr viele Parameter der Regelelektronik für die entsprechende Rennstrecke und die persönlichen Vorlieben des Fahrers abzustimmen. Hervorgehoben sei hier die Sektionsabstimmung: Es ist möglich, das DDC kurvenselektiv abzustimmen. BMW-Rennfahrer Jürgen Fuchs war höchst angetan von dieser Option. Diese Kurvenabstimmung arbeitet nicht mit GPS-Positionsdaten, sondern mit dem Wegsignal. Wer etwas von der Genauigkeit des Systems haben will, muss also erstmal selber recht genau seine Linie treffen. Mit dem Kit erlischt die Garantie des Fahrzeugs – einfach, weil feuchtfröhliche Herumspieler in Sekunden einen Sturz da hineinprogrammieren können. Schon in Serie kann man jedoch die Grunddämpfung jederzeit in 14 Stufen per Lenkerknopf ändern.