Altbewährt

Die neue Ducati Scrambler 1100

Ducati wertet ihr erfolgreiches Retro-Modell Scrambler mit einem neuen, alten Motor auf. Der luftgekühlte Zweizylinder der 1100 Scrambler ist bekannt aus der Monster 1100 Evo von 2011. Steht zu hoffen, dass er der Scrambler einen ähnlich satten Punch im mittleren Drehzahlbereich ab 4000/min verleiht

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Zweirad 16 Bilder
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  • iga
Inhaltsverzeichnis

In Bologna hat man erkannt, dass nostalgische Dinge einen unwiderstehlichen Charme ausüben können. In ihr Retro-Modell Scrambler packte Ducati 2014 einen eigentlich längst ausrangierten, luftgekühlten 803-cm3-V2 und die Verkaufszahlen des hippen Retro-Bikes gingen durch die Decke. Ein gutes Motorrad, zweifellos, doch wenn man ehrlich ist: Ein bisschen schlapp wirkte der Antrieb schon.

Ein Zustand, den die leistungsverliebte Marke Ducati so nicht stehen lassen wollte. Folgerichtig suchten die Entwickler erneut im Altmotoren-Regal und wurden fündig. Die Monster 1100 Evo trug einst einen herrlichen und kräftigen V-Twin oder wie Ducati lieber sagt: L-Twin, weil die Zylinder im 90 Grad-Winkel zueinander stehen. 1079 cm3 Hubraum, verteilt auf zwei Zylinder mit je 98 mm Bohrung und 71,5 mm Hub und natürlich Luftkühlung. In der altehrwürdigen Monster 1100 Evo von 2011 war der Motor für 95 PS und 105 Nm gut, die neue Scrambler 1100 trägt aber das Handicap der Euro4-Norm. Immerhin bleiben noch 86 PS bei 7500/min und 88 Nm bei 4750/min für das Modelljahr 2018 übrig. Was den Motor damals auszeichnete war der satte Punch im mittleren Drehzahlbereich zwischen 4000 und 6000/min. Wollen wir hoffen, dass auch die Scrambler 1100 über dieses Talent verfügt. Die große Scrambler übernahm das Sechsganggetriebe und die Anti-hopping-Kupplung der kleineren Modelle.

Der Mehrleistung angepasst

Der Rahmen scheint weitestgehend mit der bisherigen Scrambler übereinzustimmen, besteht also aus soliden Stahlrohren. Bei der Schwinge ging Ducati aber in die Vollen und griff zu einem massigen Aluminium-Teil, das fast schon an eine Superbike-Schwinge erinnert. Sie stützt sich wie gehabt über ein flach liegendes Federbein ab, das an der linken Motorradseite verschraubt ist. Vorne arbeitet eine goldfarben eloxierte, voll einstellbare Upside-down-Gabel von Marzocchi mit 45 mm Durchmesser, die deutlich wertiger aussieht als die der kleinen Scrambler-Modelle. Wohl wegen der gestiegenen Leistung versieht Ducati das Vorderrad mit zwei 320-mm-Bremsscheiben, statt nur einer, sowie radial montierte Vierkolben-Monoblock-Bremszangen von Brembo.

Der Tank wuchs um 1,5 auf 15 Liter, vermutlich, um dem gestiegenen Verbrauch gerecht zu werden. Auch er hat die seitlichen Tankverkleidungen, die gegen andersfarbige aus dem Ducati-Zubehör getauscht werden können. Die Sitzfläche änderte leicht ihre Form und soll angeblich mehr Komfort bieten. Der Radstand wurde mit 1514 mm länger als bei den kleineren Scramblern gewählt, der Lenkkopfwinkel steht dafür mit 64,5 Grad steiler und der Nachlauf beträgt 111 mm. Mit der Sitzhöhe von 810 mm können sich auch eher kleingewachsenen Fahrern arrangieren.

Wie wichtig den Entwicklern die Eigenständigkeit der großen Scrambler ist, zeigen Details wie der LED-Scheinwerfer, der zwar dem der kleinen Scrambler ähnlich sieht, aber eben doch neu ist, das Gleiche gilt für den Vorderradkotflügel. In Brusthöhe der 1100er wird der Ölkühler von mattsilbernen Spoilern verdeckt, auch unterhalb des Tanks, dort wo die Rahmenrohre ein Dreieck bilden, wurde eine mattsilberne Abdeckung angeschraubt, die dezent mit einem 1100-Schriftzug auf den größeren Motor hinweist.

Doppel-Endschalldämpfer unter die Sitzbank verlegt

Ob die Platzierung zweier voluminöser Endschalldämpfer direkt unterhalb der Sitzbank sonderlich glücklich gewählt wurde, wird unter den Fans gewiss kontrovers diskutiert werden. Irgendwie wirkt der nur auf einer Seite verlaufende, kurze Auspuff an den kleinen Scrambler-Modellen stimmiger. Letztendlich wird aber die Euro4-Norm das große Volumen zweier Schalldämpfer erforderlich gemacht haben.

Der Lenker ist breit und wirkt solide, doch was der Fahrer im Cockpit erblickt, passt so gar nicht zu einem Retro-Bike. Schon bisher musste er auf der Scrambler die Daten in einem nach rechts versetzten, runden Digital-Instrument ablesen, doch jetzt hat das Display auch noch einen Satelliten bekommen, der seitlich herauswächst. Was sich die Entwicklungsabteilung dabei gedacht hat, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben. Serienmäßig erhält die Scrambler 1100 ein Kurven-ABS von Bosch, drei Fahrmodi (Active, Journey, City), Traktionskontrolle, LED-Leuchten, und einen USB-Stecker unter der Sitzbank, um elektronische Geräte aufzuladen.

Das nostalgische Enduroprofil ist fehl am Platz

Es zählt in Customizer-Kreisen als schick, Reifen mit Enduro-Profil auf Scrambler zu ziehen. Ducati folgt diesem Trend und besohlt auch die Scrambler 1100 mit Pirelli MT 60 RS. Ursprünglich ist dieser Reifen vor rund einem Vierteljahrhundert für leichte Einzylinder-Supermotos entwickelt worden, um sowohl auf Asphalt, als auch im gemäßigten Gelände Grip zu haben. Ein eigentlich guter Reifen – vorne 120 mm, hinten satte 180 mm breit –, der bei der Scrambler Desert Sled vielleicht noch irgendeinen Sinn ergibt, aber bei der Scrambler 1100 völlig fehl am Platz ist. Niemand fährt mit einem 206 Kilogramm schweren und 12.990 Euro teuren Retro-Motorrad ins Gelände, schon gar nicht, wenn die Federung vorne und hinten gerademal 150 mm Arbeitsweg vorweisen kann und schon das erste Schlagloch sehr teure Reparaturen nach sich ziehen könnte. Ducati würde den Kunden einen Gefallen tun, wenn ab Werk ein paar griffige Straßenreifen auf die Scrambler gezogen würden.

Scrambler 1100 in drei Varianten

Die Scrambler 1100 kommt in drei Ausführungen: Neben der Basis-Version gibt es noch die Scrambler 1100 Special und die Scrambler 1100 Sport. Bei der Farbgebung des Standard-Modells kann der Kunde zwischen „62 Yellow“ und „Shining Black“ wählen. Die 1100 Special in „Custom Grey“ trägt edle Drahtspeichenräder, eine gebürstete Hinterradschwinge, Kotflügel aus Aluminium, verchromte Auspuffkrümmer, einen flacheren, etwas breiteren Lenker und einen braunen Ledersitz mit weißen Ziernähten. Dafür kostet sie aber auch mit 14.290 Euro deutlich mehr. Die 1100 Sport fällt durch die Farbgebung „Viper Black“ mit gelbem Doppelstreifen auf dem Tank und Vorderradkotflügel auf. Die Sitzbank ist vorne konturiert und erfreut mit gelben Ziernähten. Um ihrer Bezeichnung gerecht zu werden, erhielt die Sport eine Vorderradgabel und ein Federbein von Öhlins. Vor allem wohl wegen den teuren Zutaten des schwedischen Fahrwerks-Spezialisten werden für die Scrambler 1100 Sport 14.990 Euro fällig.