Ein Jahr Abgas-Skandal bei Volkswagen

Inhaltsverzeichnis

Und das ist wahrscheinlich der größte bleibende Effekt des Skandals: Dass die Gesellschaft sich dem Thema Abgase zuwendet wie selten zuvor. Der Diesel mag nicht am Ende sein, aber sein Ruf im PKW hat stark gelitten. Pendler sehen sich immer öfter damit konfrontiert, dass ihre als "sauber" gekauften Euro-5-Diesel aus dem Innenstadtverkehr ausgeschlossen werden sollen. So jemand wird dreimal überlegen, ob er noch einmal der politischen Subvention von Diesel vertraut. Mehr Leute denken wirklich ernsthaft über den Kauf von Elektroautos nach. Die Vorbestellungen für den Tesla Model 3 waren enorm, und mit ihm erscheinen eine ganze Reihe sehr interessanter Elektroautos vieler Hersteller. Und es hat sich eine Kultur des öffentlichen Nachschauens entwickelt, die der Selbstkontrolle der Autoindustrie auf die Finger klopft, weil die ganz nüchtern betrachtet noch nie richtig funktioniert hat.

Ist VW jetzt am Ende?

"Wir haben die ganze Welt am Hals!", beschwerte sich Matthias Müller kürzlich, nachdem Südkorea im August 80 Modellen der Marken VW, Audi und Bentley die Typzulassung entzog. Solche Meldungen hageln seit Beginn der Affäre im Zweiwochentakt auf Volkswagen ein. Der Dieselskandal könnte Volkswagen theoretisch das Genick brechen. Praktisch verkauft Volkswagen weltweit trotz allem weiter gut Autos. Vor allem der chinesische Markt hat den Konzern gestützt. Die Satellitenmarken Audi, Skoda, Seat, Porsche, MAN, Bentley, Bugatti, Lamborghini und Ducati werden in der Öffentlichkeit weit schwächer mit dem Skandal identifiziert als die Kernmarke VW. Selbst wenn also morgen niemand mehr ein Auto mit VW-Logo kaufen würde, gäbe es genügend profitables Geschäft mit den anderen Marken. Es werden allerdings sehr wohl noch VW-Logos verkauft, der neue Tiguan lief zum Beispiel gut an.

Schlimmer steht es um Volkswagen USA. Die Marke hatte sich dort mit Jetta und Passat einen Namen gemacht als die schlaue, "grüne" (heißt: umweltfreundliche) Alternative des kleinen, aber gebildeten Mannes mit Familie. Ein riesiger Teil der USA-Strategie bestand darin, den Diesel als sauber zu bewerben, der in den USA den Ruf der Dreckschleuder hatte. Aus dieser Ausgangslage heraus reagierte die amerikanische Öffentlichkeit auf den Betrug sehr emotional: "Volkswagen hat die Nation betrogen!"

Der abgeschlossene außergerichtliche Vergleich mit den Rückkäufen ist also Volkswagens Versuch, vom USA-Geschäft zu retten, was noch zu retten ist. Alle Investitionen in Diesel-PR waren jedenfalls umsonst. In Europa, vor allem in Deutschland, glaubt der Konzern, sich leisten zu können, nichts davon zu tun, sondern nur die nötigen Rückrufe durchzuführen. Welche dieser Entscheidungen richtig waren, können wir vielleicht schon im nächsten September absehen. (cgl)