No Nonsense

Inhaltsverzeichnis

Porto Cervo (Sardinien), 9. Oktober 2014 – Der Passat bleibt "No Nonsense" – wie er es schon immer war. Volkswagen gibt der achten Generation des VW Passat aus guten Gründen genau die Tugenden mit, die bereits seine Vorgänger so erfolgreich werden ließen. Ein bisschen Bling-Bling versucht die Marketingabteilung zu verbreiten, wenn sie sagt, das Auto wolle sich nun stärker nach oben orientieren, aber das macht unserer Erfahrung nach ja jede neue Generation. Wir machen eine erste Probefahrt mit der bei uns überaus beliebten Erscheinungsform als Kombi.

Dank Querbaukasten konnten die VW-Ingenieure nun endlich die Räder weiter Richtung Ecken schieben – so ist der Passat "nicht mehr so ein Nasenbär" – wie Volkswagens Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer selbst es ausdrückt. Aber auch das Platzangebot im Fond und die Kopffreiheit wuchsen stattlich, obwohl der Wagen nun drei Zentimeter niedriger ist als bisher. Auch beim Kofferraum hat der Variant gegenüber dem Vorgänger deutlich zugelegt: Statt 603 bis 1731 sind es nun 650 bis 1780 Liter. Ob es an der Kubatur liegt oder anderen Gründen folgt, wissen wir nicht, aber das Heck des Passat Variant ist noch eckiger geworden. Die übrige Optik passt in ihrer Schlichtheit aber gut dazu – denn auch vorn dominieren unübersehbar Gerade und Parallele.

Rücken- und gelenkschonend

Die Rücksitzbank lässt sich nun wie beim Mercedes C-Klasse T-Modell doppelt statt einfach geteilt umklappen, eine umlegbare Beifahrersitzlehne ist bestellbar. Das Umklappen der Sitze kann auch per Fernentriegelung vom Heck aus bewerkstelligt werden. Bevor man den gesamten Stauraum nutzen kann, müssen allerdings noch zwei Querstreben für das Gepäckraum-Trennnetz und die Kofferraumabdeckung entnommen werden. Die Fußgestensteuerung der elektrifizierten Heckklappe kennt man bereits, gut mitgedacht ist ein Auszug, auf den man schweres Transportgut wie Getränkekisten stellen kann, um sie einfach in den Kofferaum hinein- und wieder herauszubewegen. Die demographische Entwicklung wird uns hoffentlich immer öfter derlei rücken- und gelenkschonende Lösungen bescheren.

Die Luftausströmer des Armaturenbretts wurden in ein durchgehendes Band aus gebürstetem Aluminium integriert. Nett, doch Peugeot ist den Wolfsburgern inzwischen in puncto Innenraum-Schick mindestens ebenbürtig. Beeindruckender ist da das große Display, das die traditionellen Instrumente ersetzt. Das "Active Info Display" ist ein Rechteck mit einer Diagonale von 12,3 Zoll. In der Mitte zwischen Tacho- und Drehzahlmesser-Anzeige lässt sich zum Beispiel die Navigationskarte wiedergeben. So kann zum Beispiel der Beifahrer den Radiosender am Display in der Mittelkonsole einstellen, ohne dass der Fahrer die Karte aus dem Blick verliert. Für den Bildschirm muss man allerdings mindestens 500 Euro ausgeben.

Mehr als ausreichende Standardmotorisierung

Die Motorenauswahl im Passat ist zum Marktstart sehr übersichtlich: Neben einem 150-PS-Ottomotor mit Zylinderabschaltung stehen ein 150-PS-Dieselmotor mit einfacher und ein Selbstzünder mit 240 PS und doppelter Abgasturboaufladung zur Wahl. Am besten hat uns dabei der 150-PS-Diesel gefallen, der laut VW auch am besten verkauft werden wird. Er bietet bei annehmbarem Preis mehr als ausreichenden Vortrieb und bleibt dabei kultiviert. 340 Nm Drehmoment, 8,9 Sekunden für den Normsprint und 218 km/h Maximaltempo sind ausgesprochen ordentliche Werte. Der Normverbrauch liegt bei nur 4,0 Liter, mit dem optionalen Sechsstufen-Doppelkupplungsgetriebe sind es 0,4 Liter mehr. Der Bordcomputer unserer Schaltversion meldete mit 7,6 Liter allerdings eine deutlich höhere Zahl.

Weitere Motorisierungen folgen bald. Vier Dieselaggregate mit 120, 150, 190 und 240 PS sowie fünf Ottomotoren mit 125, 150, 179, 220 und 280 PS sind geplant, dazu kommt Mitte 2015 noch der Plug-in-Hybrid mit 218 PS Systemleistung.

Trotz 240 PS und besseren Fahrleistungen bringt der Biturbo-Diesel, der stets mit dem bewährten Lamellen-Allradantrieb und einem Siebenstufen-Doppelkupplungsgetriebe geliefert wird, keinen Vorteil beim Fahrspaß. Er ist aber durstiger und fast 9000 Euro teurer. Weiterer Nachteil gegenüber dem 150-PS-Diesel: Zur Erreichung der Stickoxid-Grenzwerte besitzt er statt eines Speicherkats ein SCR-System. Dazu benötigt er als Additiv Harnstoff, "AdBlue" genannt, das in einem 13-Liter-Tank mitgeführt wird. Der muss laut VW "nur alle 9000 Kilometer nachgefüllt werden". Das ist ein Wert, der stark von der Fahrweise abhängt, und so werden einige Fahrer wie etwa beruflich Reisende monatlich nachfüllen müssen. Ein größerer Tank aber würde alle Gewichtseinsparungen wieder zunichte machen und den Passat in eine andere Schwungmassenklasse bringen – mit Auswirkungen auf die Verbrauchsermittlung im NEFZ. Vor diesem Problem stehen derzeit alle Autohersteller (und damt ihre Kunden) – was die Sache freilich nicht besser macht.

Vorsicht mit der Aufpreisliste

Das Fahrwerk unserer Testwagen war mit der adaptiven Dämpfereinstellung DCC ausgerüstet. Die Unterschiede zwischen den Modi "Sport" und "Comfort" liegen jedoch im homöopathischen Bereich. Dafür würden wir kein Extra-Geld ausgeben. Der Passat ist eh gut abgestimmt, eher auf der straffen Seite, wirkt aber nur selten unkomfortabel. Die Lenkung ist präzis und bietet ausreichend Rückmeldung, die manuelle Sechsgang-Schaltung kurzwegig und leichtgängig. Es macht aus dem sechsstufigen Doppelkupplungsgetriebe eine Option für eingefleischte Automatikfahrer.

Den Variant mit 150-PS-TDI bekommt man ab 31.325 Euro, der entsprechend motorisierte, ähnlich große und frisch überarbeitete Kombi Peugeot 508 SW ist in etwas besserer Ausstattung ab 32.400 Euro zu haben. Zur VW-Basisversion Trendline kann man eventuell fehlende Elemente wie Nebelscheinwerfer, Handy-Anbindung, Tempomat oder Einparkhilfe einzeln dazuordern – ein Vorteil gegenüber Importautos, bei denen man für einzelne Extras meist eine Ausstattung höher einsteigen muss. Wählt man aber ein paar Optionen darüber hinaus, wird es teuer: Einen 50.000-Euro-Passat hat man recht schnell zusammenkonfiguriert.

Zur erstaunlich gewachsenen Zahl an Assistenzsystemen gehören ein Abstandtempomat mit Notbremssystem, ein Spurhalteassistent, ein LED-Scheinwerfer, ein Head-up-Display und vieles mehr. Ein "Trailer Assist" erleichtert das Rückwärts-Einparken mit Anhänger beträchtlich – für manchen Kunden vielleicht sogar kaufentscheidend. Auch der Emergency Assist (Fahrzeugstopp im medizinischen Notfall) ist eine Neuerung, während der Staufolgeassistent zumindest in der Mittelklasse noch eine Seltenheit darstellt.

Anreise, Verpflegung und Probefahrt gingen auf Kosten des Herstellers