Harley-Davidson in Nöten

Inhaltsverzeichnis

Zudem hat man es in Milwaukee versäumt, erfolgreiche Segmente wie zum Beispiel Reiseenduros oder sportliche Naked Bikes, wie sie einst Buell mit Harley-Motoren baute, zu bedienen – man blieb stur bei den Cruisern und Choppen. Harleys Versuch, sich auf dem riesigen asiatischen Markt zu etablieren, war zwar eine gute Idee, aber mit der Street 500 und Street 750 kann das nicht funktionieren. Die kleinen, schicken und handlichen Motorräder aus den Joint Ventures von KTM mit Bajaj (Duke-Baureihe) sowie BMW mit TVS (G310-Baureihe) haben gezeigt, wie man es richtig macht – mit den schweren und plumpen Harley-Davidson kann in Indien und Südostasien niemand etwas anfangen. In Milwaukee verließ man sich zu sehr auf das Image als „Easy Rider“-Bike und hat die Zeichen der Zeit verkannt.

Hundert neue Modelle für einen schrumpfenden Markt

Harley-Davidson-Boss Matt Levatich hat letztes Jahr angekündigt, bis 2028 hundert neue Modelle auf den Markt bringen zu wollen. Neun davon hat Harley bereits in der aktuellen Softail-Baureihe vorgestellt, die aber nichts sensationell Neues zu bieten hatten, außer einem Vierventil-Zylinderkopf des sogenannten Milwaukee-Eight-Motors, aber ganz ehrlich: Vierventil-Technik als Revolution zu verkaufen, ist 2018 etwas peinlich.

Zwar bastelt man in Milwaukee seit geraumer Zeit an einem Elektro-Motorrad-Projekt namens „LiveWire“, das ab 2019 gebaut werden soll, aber der Harley-Fan liebt den fetten Sound seines V2-Verbrennungsmotors, mit einem fast unhörbaren Elektro-Antrieb kann er nichts anfangen.

Harley-Davidson ist auf den Cruiser-Markt spezialisiert, der aber seit Jahren schrumpft. Selbst die japanischen Hersteller haben kaum noch ein Motorrad in dem Segment im Angebot, weil die Nachfrage so stark zurückgegangen ist. Zu allem Unglück für Harley hat sich ein alter Konkurrent im eigenen Land zurückgemeldet: Indian wurde vom finanzstarken Polaris-Konzern wiederbelebt und macht Harley-Davidson seit vier Jahren erfolgreich Marktanteile streitig. Harley hat nicht mehr länger das Monopol, die einzige traditionsreiche US-Motorradmarke zu sein, von dem sie lange gut gelebt hat. Stattdessen greifen immer mehr Motorradfahrer zu einer Indian, nicht zuletzt weil sie momentan exklusiver erscheint als die massenhaft verbreiteten Harley-Davidson.

Düstere Prognose

Harley-Davidson feiert dieses Jahr 115. Jubiläum (obwohl die Marke erst 1907 gegründet wurde, aber Mr. Harley und die Gebrüder Davidson haben 1903 ihr erstes Motorrad zusammengeschraubt), es scheint aber ein Jahr der radikalen Sparmaßnahmen für die US-Marke zu werden. 800 Mitarbeiter stehen jetzt in Kansas City auf der Straße und Harley-Davidson baut ein Werk im billigeren Thailand. In Milwaukee hat man auch schon eine Prognose für 2018 abgegeben: Harley-Davidson rechnet mit einem Absatz von 231.000 bis 236.000 Motorrädern – erneut weniger als im Vorjahr. Donald Trump dürfte nicht glücklich sein mit seiner Lieblingsmotorradmarke. (fpi)