HuD up! iPhone im iDrive

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Wer dagegen ein gern fummelnder Bastler ist, wird feststellen, dass das iDrive selbst mit den Konsolidierungsarbeiten noch extrem viele Möglichkeiten bietet. Wer das moderne Auto hasst, weil es so viel vom Setup-Menü eines Gran-Turismo-Titels auf einer beliebigen Playstation-Generation hat, wird bei BMW immer noch sein Paradebeispiel finden. Dazu sollte er allerdings fairerweise auch den enorm erhöhten Umfang an echten Funktionen berücksichtigen. Das eingangs erwähnte „Wir wollen dem Kunden etwas bieten“ ist Programm: BMW tritt zum Beispiel selbst als Internet-Provider auf (250 Euro pro Jahr) und bietet hier einen vorbildlichen technischen Stand. Der Fahrer kann Emails diktieren oder sich vorlesen lassen. Er kann sich Bilder des Zielorts anschauen, oder Bewertungen von POIs (über Yelp). Er kann Web-Apps für den Browser installieren, die z. B. das Wetter anzeigen. Er kann Routen daheim am PC planen und die ans Auto schicken. Er kann sich eine komplette Liste aller Funktionen auf www.connecteddrive.info anschauen. Er kann seine Einstellungen auf einem USB-Stick speichern, um sie in seinen nächsten BMW mitzunehmen. Und er kann sein iPhone so eng wie sonst nirgends mit dem Auto verwickeln.

I drive and I phone

Das intelligente Telefon aus Cupertino gehört zur Lebenswelt vieler BMW-Kunden, und deshalb sollen sie diese Zentrale ihrer Lebenswelt auch mit dem Auto verknüpfen können. Das funktioniert sehr gut, wenn das Telefon in der Hand bleibt und als Fernbedienung heute die Standheizung und morgen den Ladevorgang (BMW i) steuert oder einem hilft, sein zugeparktes Auto wiederzufinden (alles: App „My BMW Remote“). Das funktioniert weniger gut, wenn das iPhone sich ins iDrive integrieren soll. Apples Embedded-Betriebssystem iOS erlaubt nämlich nicht, dass sich Anwendungen gegenseitig steuern, möglich ist nur ein Aufruf einer neuen App mit Übergabe einiger Parameter, wenn die laufende App sich beendet. Deshalb geht BMW (übrigens genau wie Pioneer mit ihrem AppRadio) den Weg, alle Funktionen in eine App zu binden. Diese kann bei BMW derzeit Internet-Streaming-Radio, Facebook und Twitter. Die Funktionen sind dem Fahrer über einen Ast des iDrive-Baums zugänglich, und wenn sie laufen, darf das iPhone eine dem Fahrzeug angepasste Oberfläche auf dem Bildschirm über der Mittelkonsole anzeigen (auch wie beim AppRadio).

Die Module Facebook und Twitter sind in ihrer aktuellen Form nicht nur vollkommen nutzlos, sondern machen (vielleicht wichtiger) auch keinen Spaß. Das ist jedoch nicht das eigentliche Problem, denn die Anwendungen werden sicherlich mit der Zeit besser werden. Nein, das grundsätzliche Problem zeigt sich, wenn man statt des Streaming-Dienstes in der BMW-App den von Aupeo benutzen möchte. Aupeo gibt sich viel Mühe, ein gutes Streaming-Radio anzubieten, auch oder gerade für Autos, und deshalb hat die Firma ihre App zusammen mit BMW ins iDrive integriert. Um allerdings von der BMW-App dorthin zu wechseln, muss der Fahrer die Klappe öffnen, in dem das iPhone liegt, um dort direkt die Apps zu wechseln. Nach all dem Gerede über „wenig Ablenkung“ hat mich diese Demonstration direkt aus der Usability-Steinzeit regelrecht schockiert.

BMW arbeitet daran, dass man die Apps wenigstens vom iDrive aus umschalten kann, aber auch das ist bei näherer Betrachtung ziemlicher Murks: Wieso muss ich mich vorab entscheiden, ob ich Facebook oder Aupeo will? Wieso kann ich nicht alles auf einmal haben? Ja, es gibt „technische Gründe“ dafür, aber technische Gründe interessieren Kunden nicht, die erwarten in einem Auto mit BMW-Preisschild polierte Funktion. Und wenn man sich den krüppeligen iPhone-Ast im ansonsten phänotypisch perfekten iDrive-Baum ansieht, stellt sich umso mehr die Frage, ob sich BMW in ihrer Liebe für Apple-Telefone nicht etwas verrannt hat. Denn: Warum müssen diese Apps überhaupt auf dem iPhone laufen? Mit demselben Geld, das BMW in dessen unzulängliche Integration gesteckt hat, hätten sie auch eine perfekt integrierte Schnittstelle für Apps basteln können, die in einem iDrive-Sandbox direkt auf dem QNX Neutrino laufen (oder auf manchen Modellen auf dem Windows Embedded Automotive), wenn die Möglichkeiten der ja bereits existierenden Web-Apps wirklich ausgereizt sein sollten.