Die professionelle Motorradschreiberei wird aussterben

Klartext: Ausschleichen

Die Auftragszahl im Motorradbereich nimmt ab. Es passiert in der Szene auch nichts Weltbewegendes, das sie wie beim Auto neu definieren könnte. Der Nachwuchs der letzten Jahre stellt sich zudem als sehr alt heraus. Die Zukunft gehört der Liebhaberei

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Vor kurzem meldete das Motorradmagazin Fastbike Konkurs an. Es war ganz sicher nicht das schlechteste Motorradheft und ganz sicher nicht das letzte, das den Betrieb einstellen wird. Mit allem, was sonst gerade so vor sich geht, das beschrieben werden will, hat sich der Motorradanteil der Arbeit im letzten Jahr stark verringert. Wenn ich die Szene derart intermittierend betrete, macht sie mich meistens melancholisch: so viele Menschen, denen diese Maschinen so nahe am Herzen tuckern, und keiner wird etwas daran ändern, dass sich immer weniger Menschen für Motorräder und Magazine darüber interessieren.

Auch das Auto hat trotz seines nicht völlig verlorenen Status' als Liebling der Deutschen mit erheblichem Gegenwinddruck zu kämpfen – vor allem in der so lange so geliebten Dieselmotorisierung. Doch das Automobil steht gleichzeitig an der Schwelle der vielleicht wichtigsten technologischen Weiterentwicklung seiner Geschichte, einem echten Umbruch, der alles verändert, was wir heute als selbstverständlich ansehen. Nein, ich rede nicht vom Elektroantrieb. Es ist egal, wie die Autos von morgen angetrieben werden, solange wir das günstig in einer Kreislaufwirtschaft schaffen. Ich rede von der Automatisierung. Schon ewig kein spannenderes Thema mehr gehabt. Ich habe den Weinachtsmanndetektor zum Haushunddetektor umgesteckt – nur, um etwas im Thema automatische Bilderkennung zu schwimmen.

Jetzt neu, aber egal

Und bei den Motorrädern? Morgen fahre ich die neue Kawasaki ZX-10 R SE. Sie hat als Neuigkeit ein semiaktives Fahrwerk – eine Technik, die wir schon dutzendfach gesehen haben. Das wird wahrscheinlich sehr gut funktionieren. Die Relevanz hält sich jedoch in sehr engen Schranken. Das Fahrwerk war schon vorher überdurchschnittlich gut. Für das kleine Mehr am Chassis kostet das Motorrad jetzt ab 23.000 Euro. Kaufen wird das kaum jemand, weil Kawa-Händler unterhalb der Riesenflächenunternehmen sich wie viele Japaner-Händler keine Superbikes mehr in den Laden stellen, sodass Superbike-Interessenten sowieso nur BMW kaufen können, wenn sie eine Probefahrt wollen.

Neubärte

Reden wir nicht weiter von der Zehner. Sie dient nur als ein Beispiel unter vielen. Die Stimmung unter Motorradschreibern drückt zuverlässig jeder Opener mit Bezug zum Wirtschaftssystem Motorrad, auch der des darüber Schreibens. "Fünfzehn Jahre Rückwärtsgang", so beschrieb ein Kollege seine Arbeit, als er sie endgültig verließ. Obwohl die Zeichen seit längerem so eindeutig stehen, spürt man die Effekte dieses Jahr deutlicher als zuvor. Zuvor hatte die Szene Hoffnung, dass die Neubärte den lange erwarteten Nachwuchs stellen. Was sie ja taten. Nur eben nicht im erhofften Umfang, nicht im erhofften Alter.

Es gab zwei Sorten von Neubärten. Die jungen Neubärte kauften günstig gebraucht, taten also nichts zu den Bilanzen der Hersteller. Vielleicht vernachlässigte man deshalb den Beleg zur These "mehr Junge machen gerade den Führerschein". Die alten Neubärte kehrten zum Motorradfahren zurück. Wenn wir uns anschauen, wer die schicken BMW nineTs gekauft hat, die hippen Ducati Scrambler, dann finden wir anders als in den Broschüren weniger junge Models als vielmehr Motorradfahrer über 50, die solche Motorräder an das erinnerten, was sie dereinst aufs motorisierte Zweirad brachte.