Mit Hondas Crosstourer im Dreck der Vogesen unterwegs

Die unerträgliche Schwere des Scheins

Reiseenduristen fahren mehrheitlich langsam auf einfachen Strecken, aber im Kopf mit dem Gedanken, das jetzt nur erleben zu können, weil sie genau diese Maschine haben. Ein Selbstversuch mit 287 kg auf Single Trails

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Die Reiseenduro ist ein Kompromiss zwischen Asphalt- und Dreckeignung, den jeder Reisende für sich selber finden muss. <- Das schrieb ich auf unserer Alpenschotter-Tour ans Mittelmeer auf Triumph Tiger Explorer, Yamaha Ténéré, KTM 690 Enduro R und Honda CRF 250 L, um am Ende mit etwas eigener Verwunderung festzustellen, dass gar nicht mein Favorit (die KTM) gewann, sondern die 250er, weil sie alles noch leichter macht. Dieses Ergebnis deckt sich mit allen Feldversuchen, Fahrer auf leichtere Maschinen zu setzen. Es ändert jedoch keinen Mikrometer daran, dass trotzdem die Fahrzeugklasse „hochhackiger Schweineeimer ohne erkennbare Enduro-Eigenschaften“ die beliebteste Reiseenduro bleibt. Um das zu ergründen, mussten weitere Recherchen her, auf einem möglichst schweren Motorrad, auf möglichst kleinen Wanderwegen.

Hondas „Crosstourer“ drängte sich auf: 287 kg vollgetankt ohne Koffer, Doppelkupplungsgetriebe mit Automatik, Federwege im nicht nennenswerten Bereich, aber erhältlich mit Zusatzlampen, Bügeln und Koffern aus Alu, die alle aussehen wie aus einem Block gefräst und genausoviel weigen. Den Weltreise-Look kontrastieren die Straßenreifen (Bridgestone Battlewing) auf Speichenfelgen ohne Schlauch. SUVties jeder Couleur nicken bereits anerkennend: Ja, genau so muss das sein.

Macht das denn Spaß?

Ein Aspekt klärt sich sehr schnell. Denn natürlich macht es Spaß, selbst ein schweres Motorrad zu fahren. Derselbe Aspekt, der bei jeder Maschine zieht, fasziniert auch hier alle: „Wie gut das Teil das doch alles macht!“, riefen wir aus, als wir mit dem fetten Croissanttourer Single Trails in den Vogesen befuhren. In der Tat walzt Hondas Croissant alles platt, mit einer Souveränität und einer Balance, die beeindruckt. Die Bodenfreiheit über dem ungeschützten Krümmergeschlängel verlangt ein planerisches Auge, die auf ihre Gummipuffer krachende Federung robuste Ignoranz. Aber es fährt super. Dass mein kleines Straßenkrad dasselbe besser kann, fällt in so einem Moment nicht auf, denn das ist ja nicht hier.

Ein Ende findet der Spaß, als die Straßenreifen von trockenem Waldboden auf einen unterirdischen Wasserlauf treffen, der den Lehm unter dem Gras befeuchtet. Erst schwingt das Vorderrad beängstigend herum, dann zieht das Hinterrad auf beinahe 90 Grad mit dem Vorderrad gleichauf, mit der Tendenz zum Überholen. „Ich hab dich schon sicher dort liegen sehen“, kommentiert der Hinterherfahrer auf Honda XL 250 später. Tja. Die Balance rettet den Croissant einmal, doch die Einschätzung bewahrheitet sich wenige Meter später, als das Hinterrad mit Schwung vorbeisaust und das Vorderrad gleichzeitig haltlos nichts entgegenzusetzen hat. Der Lehm hat auf Straßenreifen so viel Grip wie Eis. Schnee hat mehr.

Mit dem finnischen Schaukeltrick und drei Mann am Croissant versuchen wir es noch ein Stück, aber da ist nichts zu wollen auf diesen Reifen. Wir kehren um. Es sei hier jedoch angemerkt, dass selbst die schwere Honda das untergrasige Wasser wie die leichten Hondas auf Profilreifen wahrscheinlich gar nicht bemerkt hätte.