Es war nicht alles schlecht damals

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Die besten dieser Kräder schnupften beliebige Distanzen im besten Komfort, um dann im Zielgebiet der Kurven dennoch sportmotorradverwandten Spaß zu machen. Kawasakis ZZR-Reihe. Suzukis Hayabusa. Vor allem aber Hondas VFR 750 F, die es ab dem Modelljahr 1986 bei uns gab. Sie gab die Extrempositionen der RC30 auf, um neue zu besetzen, vor allem die Extreme der Zuverlässigkeit. Ein großer Teil von Hondas gutem Ruf in Sachen Maschinenbau bei den dahingehend empfänglichen Deutschen stammt aus der VFR: ein schönes Stück Technik, makellos ausgeführt, gefühlskalt vermarktet und bei richtiger Pflege unzerstörbar. Der Motor mit seinen Zahnradkaskaden zu den Ventiltrieben hielt hunderttausende Kilometer und lief dennoch wie neu. Hondaiger geht es nicht.

Hier gibt es kein Richtig oder Falsch

Persönlich gefiel mir die RC36/II am besten, mit den heute auf Asphalt generell üblich gewordenen 17-Zoll-Felgen und den Gleichdruck-Vergasern mit flachen Schiebern. Andere machen gute Argumente für die vorigen, leichteren Generationen. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch, hier gibt es nur persönliche Präferenzen. 1998 folgte die 800er mit Einspritzung, einer Verlagerung des Stirnradantriebs für die Ventile von der Mitte an die Seite (das sparte ein Kurbelwellenlager) und einem G-Kat. Auch hier eine persönliche Präferenz: Für mich sehen die 800er-VFRs bis Modelljahr 2001 heute altbackener aus als die eigentlich älteren.

Danach folgte ab 2002 die Zeit, in der die VFR etwas in Vergessenheit geriet. Honda verließ den Weg mit den Zahnrad-Kaskaden, denn die machten Geräusche und die Jahresfahrleistungen sanken sowieso wieder. Als Trostpflaster gab es Hondas VTEC in der Form, dass ab einer bestimmten Drehzahl hydromechanisch vom Zwei- auf Vierventilbetrieb gewechselt wurde. Das hörte sich wie die Ovalkolben in der Theorie toll an, in der Praxis brauchte es kein Mensch. Die VFR fiel weder durch bemerkenswertes Drehmoment untenherum auf noch durch Spitzenleistung. Sie fiel nur auf durch den willkürlichen Wechsel. Die V4-Freunde standen dem Effekt ambivalent gegenüber. Einerseits war er akustisch lustig. Andererseits war der Drehmomentverlauf eher suboptimal.

Das änderte sich erst, als Honda den alten V4 in neuen Kleidern verkaufen wollte, im "Crossrunner", einer leicht höhergelegten VFR 800 mit Jetski-Frontverkleidung. Auf einmal war der Wechsel nur noch akustisch lustig, weil der Drehmomentverlauf so wurde, dass alle Erstbesteiger des Crossrunners Hondas Arbeit mit "na, endlich!" quittierten. Genau dieser Motor treibt jetzt noch einmal feinabgestimmt die neueste VFR an. Sie bringt das Beste der Neunziger zurück. Und wir haben eine für beliebig weite Strecken im Dauertest.