Soft- und Hardware in Kawasakis neuer ZX-10R

Gone Soft(ware)

"Software eats the world", sagen Programmierer gern und meinen damit die enorme Relevanz, die Programmentwicklung in den letzten Jahren aufgebaut hat. Sie kann das aber nur tun, solange die Hardware stimmt

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Von
  • Clemens Gleich
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Gerade komme ich von der ersten Fahrt auf Kawasakis 2016er-Update ihres Superbikes ZX-10R. Euro 4. Weiterhin 200 PS Nennleistung. Viele Erfahrungen aus der erfolgreichen WSBK-Saison verarbeitet. Wenige optische Änderungen, denn Projektleiter Matsuda wollte jede Ressource in Dinge stecken, die schneller machen, statt in Dinge, die nach außen zeigen würden, wie viel renoviert wurde. Der Zehner bleibt ihre Drehmomentschwäche unten/Mitte, sie muss weiterhin gedreht werden wie eine 600er. Trotz kürzer übersetzter unterer Gänge brauchten wir ständig den Ersten, um aus den Ecken heraus nicht zu verhungern. Herrliches Fahrwerk, super Bremse. Das aber nur am Rande. Was mich am meisten fasziniert seit der Vorgängerversion der ZX-10R, das sind Kawasakis massive Investitionen in eigene Fahrzeug-Software, in die Herr Matsuda einen dieser bei den Japanern so seltenen Einblick gab.

Das markanteste Beispiel findet sich in der Traktionskontrolle. Während Kawasaki die Software für das Kurven-ABS mit automatischer Bremsdruckverteilung vorne/hinten komplett bei Bosch einkauft, schrieben sie für die Traktionskontrolle komplett eigenen Code. Sie rüsteten das System nur endlich mit Boschs "Intertialsensoreinheit" aus, das ist ein kleines Gehäuse, das Längsbeschleunigungssensoren entlang aller drei Raumachsen und zwei Drehratensensoren beherbergt, plus Prozessoren, die diese Daten aufbereiten. So kann ein anderes Steuergerät zum Beispiel auch einen errechnet geschätzten Nick- winkel oder Schräglagenwinkel des Fahrzeugs gegenüber Geradeausfahrt direkt abfragen, statt diese Werte selber aus den Rohdaten zu berechnen.

Wahrsagerei in Plastikkisten

Über die TK-Überarbeitung sagt Matsuda, sie habe gut die Hälfte der Software-Entwicklungszeit des Gesamtprojekts verschlungen, was angesichts der aufwendigen Überarbeitung zur Einhaltung der Grenzwerte von Euro 4 gesehen werden muss. Und dabei war ein großer Teil des Systems schon fertig, denn am grundsätzlichen Aufbau des Fahrzeugmodells in der Software ändert sich nichts. Es gibt jetzt nur mehr Daten für ein genaueres Fahrzeugmodell.

Über die alte Traktionskontrolle wurde viel geschrieben – einerseits, weil Kawasaki schon damals sehr stolz darauf war, andererseits, weil die meisten Motorradschreiber aus den zu spärlich verteilten Informationen überhöhte Hoffnungen beschrieben. Das System könne in die Zukunft schauen, las man da, weil Kawas Techniker den versammelten Journos genau das mit diesem japanischen Lächeln vortrug, das bedeutet: "Ich werde nie 'Nein' sagen, aber du wirst trotzdem nie das erhalten, was du willst."