"Die Batterien sind schuld!", sagten sie damals. Aber die wurden viel billiger ...

Klartext: Warum sind Elektroautos so teuer?

VW hat dem Elektroautogeschäft den großen Gefallen getan, es alternativlos scheinen zu lassen. Viele Kunden außerhalb der Elektrofreak-Szene interessieren sich jetzt für elektrisch angetriebene Vernunftautos. Aber die Preise schrecken sie dann meist doch ab

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Von
  • Clemens Gleich
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Die Frage "Warum kostet das so viel?" stellten sich Interessenten schon bei den ersten Großserien-Elektroautos. Die Antwort dazu lautete meistens: "Wegen der Batterie. Wenn die Akkus billiger werden, dann werden auch die Autos bezahlbar." Mittlerweile sind Li-Ion-Akkus auf deutlich unter ein Viertel ihrer ursprünglichen Preise gefallen, aber Elektroautos kosten weiterhin deutlich mehr als selbst eng verwandte Verbrennermodelle.

Ein VW E-Up kostet 26.900 Euro. Das entspricht ungefähr zwei topausgestatteten Up-Benzinern. Ein E-Golf kostet 35.900 Euro, also den Preis eines gut ausgestatteten Golf GTI. Und eben habe ich mir den Renault Master ZE angesehen, der (inklusive Batterie) bei knapp 60.000 Euro anfängt – Elektroförderbonus eingerechnet. Mit Dieselmotor kostet der Lieferwagen ab 27.358 Euro. Wenn wir diese Zahlen aufdröseln, stellen wir fest: An der Batterie alleine kann es nicht liegen.

Das "UBS Evidence Lab" (gehörig zur Schweizer Großbank UBS) hat kürzlich in Sachen Kosten einen Chevrolet Bolt mit einem VW Golf verglichen, Benziner. Wenig überraschend bleibt der Akku weiterhin das teuerste Teil eines Elektroautos, wie beim Verbrenner der Motor. Die Batterien wurden nämlich billiger, aber auch größer. Interessanter ist das, was man sich auch schon gedacht hat, aber so genau nicht wusste: Der elektrische Antrieb exklusive Batterie, also Motor, Kabel, Getriebe und Leistungselektronik, das ist ein bisschen billiger als ein Verbrennerantrieb, wenn auch derzeit noch nicht so viel billiger, wie man zunächst denken könnte. Ich denke, das Eichhörnchen steckt in den "direkt zuordenbaren Kosten" und in den "Overhead-Kosten".

ZE Master Race

Denn wenn wir nicht einen GM-Wagen in Amerika mit einem Volkswagen vergleichen, sondern zum Renault Master zurückkehren, können wir eigentlich nur so dessen Preisstruktur verstehen. Renault gibt für die Batterie Kosten von 10.000 Euro an (für 33 kWh). Die Batterie des Chevy Bolt wird im Bericht mit einem Wert von 12.500 US-Dollar angegeben (für 60 kWh), Renaults nennt also wohl den Endkundenpreis. In über 30.000 Euro Mehrkosten im Vergleich zum Diesel-Master würde außer einer derart bepreisten Batterie noch ein ganzer Renault Zoe passen, wenn man die Batterie mietet. Da in beiden Fahrzeugen derselbe Antrieb steckt, können wir hier weder von Skalierung noch von Einkaufskosten ausgehen, sondern es geht um irgendwelche Umlagen.

Kurzer und langweiliger Abschweifzug in die Buchhaltung: Wenn eine Firma einen realistischen Verkaufspreis für ihr Produkt sucht, dann muss sie die Entwicklungskosten in sinnvolle Bröckchen zerlegen und diese dem Endkundenpreis aufschlagen. Beispiel: Mein neu entwickeltes Atomauto Gleich-2000 kostet 100 Euro in der Entwicklung. Ich plane mit einer verkauften Stückzahl von 5. Dann schlage ich auf jede verkaufte Einheit netto zusätzlich zu allem Anderen noch je 20 Euro Entwicklungskosten drauf – einmal extrem bis fast an die Unzulässigkeit vereinfacht. In der Realität sind das recht komplex verschachtelte Kostenrechnungen, weil Antriebe ja in verschiedenen Modellen zum Einsatz kommen, die jeweils durch ihre Integrationsaufwände eigene Entwicklungskosten verursachen. Diese Rechnungen finden statt, damit nicht plötzlich ein tiefes Loch in den Bilanzen steht. Ihre Realitätsnähe schwankt aber stark, je nachdem, wie nahe die Planung am tatsächlichen Marktverhalten lag.

Durch Komplexität solcher Kostenzuordnungen gibt es allerdings häufig bis immer verschiedene mögliche Zahlenverkettungen bis ans Ziel der einigermaßen zur Planung belastbaren Bilanz (die interne natürlich, nicht das separate Phantasiekonstrukt fürs Finanzamt). Wie in der Physik eben: Ein auf die Erde fallendes iPhone lässt sich mit Newtonscher Physik hinreichend genau beschreiben, oder du kannst dich mit Einsteins Gleichungen verkünsteln. Zudem gibt es im Rechnungswesen viele Mechanismen, die langfristige Planung abbilden. All das bedeutet, dass "direkt zuordenbare Kosten" auch anderen Konten oder indirekt zugeordnet werden können – wenn man das will.

Zahlenberge massieren

Dass die Zahlenmassen flexibel sind, zeigt schon die eingangs beschriebene Schere Batteriepreis- zu Fahrzeugpreis-Entwicklung: Wenn der Endpreis gleich bleibt, obwohl das teuerste Teil billiger wird, muss sich mindestens eine zugehörige Zahl ändern (zum Beispiel Gewinn/Verlust). Ich behaupte weiterhin, dass es sich lohnen könnte, die Endpreise drastisch nach unten zu massieren. VW hat mit ihrem Dieselschmu dem Elektromarkt einen Gefallen getan, der sich in dieser seismischen Stärke so schnell nicht wiederholen wird. Durch das günstige gesellschaftliche Klima gibt es gerade eine Menge 0815-Kunden, die ein Nichtluxus-Elektroauto kaufen würden. Dass sie es doch nicht tun, liegt meistens am Anschaffungspreis. So günstig ist der Heimbiostrom dann nicht, so teuer das Benzin nicht, und so weit denkt der Mensch schlicht nicht in die Zukunft. Nachdem alle Hersteller außer Tesla sich dem E-Markt von unten nähern wollten, also mit Klein- und Kompaktwagen, braucht man sich über diese Kundenkonstellation nicht wundern.

Die Zahlen sprechen für so eine Vorgehensweise: Es floss eine Menge öffentliches Fördergeld in die Entwicklung dieser Autos, und die Firmen brauchen fast alle mehr verkaufte Elektroautos, um die CO2-Flottenziele zu erreichen, die sonst zu erheblichen Strafzahlungen führen. Viele der aufsummierten Kosten existieren also eher virtuell oder sind gar falsch. Vorschlag: Man buche die Entwicklungskosten auf einen allgemeineren Platz um und rechne bei einem deutlich niedrigeren Preis mit mehr verkauften Einheiten. Mich beunruhigen die weiterhin so hohen E-Auto-Preise nämlich noch aus einem anderen Grund: Wenn dieselben Firmen ihre Autonomobile genauso mit virtuellen Entwicklungskosten belegen, dann kosten sie eine halbe Million Euro pro Kompakteimer. Wenn das passiert, wird man den Preis wahrscheinlich auch auf die ein paar tausend Euro teuren Recheneinheiten schieben ...