Was Zeros neue SR/F über den Motorradbau verrät

Klartext: Zero Tolerance

Ein Elektrofahrzeug zu bauen, das ist etwas einfacher, als ein Verbrennerfahrzeug zu bauen. So die wahrscheinlich richtige Schätzung. Dennoch ist es nicht komplett einfach geworden, ein gutes Fahrzeug zu bauen. Wir beleuchten dazu einige elektrische Kraftrad-Neulinge

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Eben erst schoss ich einen Text über die grundsätzlich unveränderte Problematik des elektrischen Motorrad-Roadsters heraus, da erscheint das bis dato interessanteste Exemplar, die Zero SR/F. Gleichzeitig sehen wir mit der NXT Rage ein interessantes Crowdfunding-Experiment, und in Amerika soll demnächst nicht nur ein Konkurrent des elektrischen Superbikes Energica Ego verkauft werden, sondern der Hersteller Lightning will mit den „Strike“-Modellen auch kleinere Motorräder ins Sortiment aufnehmen. Es wird also Alternativen zu Harley und Energica geben. Sie werden aber nicht alle gleich gut sein. Ihre Güte hängt an der Liebe zu Details und nötigen Zugeständnissen an die Physik.

Mehr Masse?

Während kleine Elektro-Zweiräder aufgrund ihrer Einsatzgebiete recht einfach passende Nischen finden, kämpft der elektrische Roadster seit jeher mit der Physik der Batterien: Sie enthalten wenig Energie pro Masseeinheit, was nach Adam Riese nur die Möglichkeit offen lässt, mehr Masse einzubauen. Beim Auto nicht so schlimm. Beim Motorrad schon. Wenn das etwas weiter fahren können soll, wird es schwer. Eine Energica Eva wiegt 280 kg und hat einen Rückwärtsgang, den sie braucht. Harleys Livewire wird wohl leichter werden, aber das durch eine entsprechend kleinere Batterie erreichen, also weniger weit fahren.

Zero ging bisher den Weg, sehr klein dimensionierte Chassis‘ zu bauen, in etwa in den Dimensionen von 250-ccm-Benzinern. Damit erreichten sie geringere Massen, aber die enormen Drehmomente der Elektromotoren schreien förmlich nach Segment-üblichen Räderdimensionen und einem Chassis wie andere kräftige Naked Bikes. Die neu vorgestellte Zero SR/F bietet das endlich alles.

Teileträger

Die Vorderachse hängt in Showas einstellbarer Upside-Down-Telegabel „Big Piston Fork“ (BPF) mit 43 mm Standrohrdurchmesser. Ich mag die BPF, die funktionieren top. In eine Doppelscheiben-Bremsanlage beißen Sättel von J-Juan. Dieser spanische Hersteller ist außerhalb des Rennsports nicht besonders bekannt, aber nach unseren Erfahrungen mit der J-Juan-Bremsanlage der KTM 790 Duke kann ich die Wahl verstehen: preiswert, weil keiner den Namen kannt, aber trotzdem leistungsfähig.

Elektroautos mit enormen Bremsleistungen ihrer elektrischen Bremse kommen mit geringer dimensionierten hydraulischen Bremsen aus. Für Motorräder gilt das nicht, weil dort im Sportbetrieb bis zu 100 Prozent der Bremsleistung über das Vorderrad läuft, der Antrieb (und damit die elektrische Bremse) jedoch am Hinterrad (in extremo in der Luft) hängt. Ebenso wie bei der 790 Duke kombiniert Zero diese Bremse mit Boschs MSC-Bremshilfe.

Der Batterieträger hängt in einem recht einfach aufgebauten Stahl-Gitterrohrrahmen. Koaxial zum Schwingendrehpunkt liegt der E-Motor mit 82 kW. Die Bauweise eliminiert Fahrwerkseinflüsse der Schwingenbewegung auf den Zahnriemen. Zero verwendet entweder ein Planetengetriebe oder lässt den Motor direkt auf den vorderen Pulley los. Der Zahnriemenantrieb wäre somit die einzige Untersetzung.

Letztere Variante erscheint mir wahrscheinlich, weil Zero a) den Motor mit einer Nennleistung bei nur 5000 U/min angibt (die meisten drehen doppelt so hoch) und b) weil das Motorrad trotz seiner endlich erwachsenen Größe so leicht ist, dass sie sich das Gewicht eines Getriebes wohl gespart haben. Die SR/F soll 226 kg wiegen, trotz 12,6 kWh verfügbarer Batterie. Das liegt im für Benziner-Bigbikes üblichen Bereich. Dafür will Zero in den USA 19.000 Dollar für eine Standard-Version und 21.000 für eine „Premium“-Version, die doppelt so schnell lädt.

Halb so langsam

Leider heißt „doppelt so schnell“: 6 kW AC. DC-Schnellladung gibt es bei Zero also auch künftig nicht, was ich als den einzigen großen Mangel des Konzepts empfinde. Aber irgendwo müssen Gewicht und Preis ja herkommen. Zum Vergleich: US-Konkurrent Harley-Davidson schreibt 33.000 Euro für die elektrische Livewire auf das EU-Preisschild.