Klassiker: Mercedes 230 W 110

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Lässig schwimmt die kleine Flosse damit auch heute noch im kalifornischen Alltagverkehr des Großraums Los Angeles mit. Dann und wann reckt ein Autofan auf vier oder zwei Rädern bei der Vorbeifahrt den Daumen hoch, denn der dunkelgrüne 230er ist ein echter Beau. Kurvenfahrt verlangt nach einem gewissen Vorausblick, denn die Lenkung ist trotz technischem Bestzustands des Fahrzeugs alles andere als präzise und die Spurtreue der Reifen ist eher „so ungefähr”.

Der scheppernde Klang des Mittelwellenempfängers wird ab 60 Meilen pro Stunde von deutlichen Windgeräuschen übertönt. So recht stören tut dies keinen der Insassen, denn hat man in den schwingenden Federsesseln mit hellem MB-Tex erst einmal Platz genommen, ist man Umwelt und aktuellem Zeitgeschehen ohnehin weit entrückt.

Ohne es besonders zu bemerken driftet man entspannt Richtung kalifonischer Wüste, wo die Temperaturen höher und der Verkehr weniger wird. In Europa seinerzeit nahezu undenkbar, gab es die Heckflosse in den USA einst sogar mit einer optionalen Klimaanlage, die durch Lüftungsdüsen an der Unterseite des Armaturenbretts kühle Luft in den Innenraum drückte. Angesichts der großen Glasflächen, die bereits bei mäßiger Sonneneinstrahlung viel Wärme ins Innere lassen, eine überlegenswerte Extraausstattung, die sich heutzutage sogar nachrüsten lässt.

Dreiecksfenster oder Klimaanlage

Die Seitenfenster lassen sich im Gegensatz zu den Wettbewerbsmodellen von Chrysler, General Motors oder Ford noch manuell herunterkurbeln. Wer die Dreiecksfenster ausstellt, bekommt auch bei höherem Tempi einen angenehm direkten Windzug – schade, dass es diese „Klimaanlage des kleinen Mannes” heute nicht mehr gibt.

Ansonsten ist die Ausstattung des dunkelgrünen Vorzeigemodells betont karg. Außer dem Mittelwellenradio nebst Antenne und des mittig auf der spartanischen Instrumententafel verbauten Lautsprechers glänzt der 230er aus dem Jahre 1966 kaum durch erwähnenswerte Sonderausstattungen. Auch die Instrumentierung ist überschaubar. So gibt es neben dem Balkentachometer nur Anzeigen für Temperatur, Tank und Öldruck. Die Aufgabe des Drehzahlmessers übernimmt das Gehör des Fahrers. Maximal macht der Reihensechszylinder immerhin 5400 Touren.

Lässiger Alltagsklassiker

Auf dem Klassikmarkt sind gute Modelle der Baureihe W 110 rar. Ein Fahrzeug mit nachvollziehbarer Historie und einem ordentlichen technischen wie optischen Zustand kostet rund 15.000 Euro. Die Reihensechszylinder mit zunächst 105 und später 120 PS sind deutlich beliebter und liegen ebenfalls noch unter der 20.000-Euro-Marke. Die Modelle der großen Heckflosse W 111 sind zumeist ein paar Tausender teurer, kaum besser ausgestattet, aber beliebter und häufiger anzutreffen. Wer daher einen lässigen Klassiker mit jeder Menge Langstreckenkomfort und entsprechender Alltagstauglichkeit sucht, ist mit der kleinen Heckflosse bestens bedient, am besten als 230er. (imp)