Die vielleicht beste Suzuki aller Zeiten gebraucht kaufen

Knubbelig

Die Suzuki SV 650 (S), die von 1999 bis 2002 in Deutschland neu angeboten wurde, ist bis heute ein Motorrad, das alles kann. Man kann sie gebraucht schon für unter 1500 Euro schießen

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Von
  • Clemens Gleich
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Stuttgart, 29. Mai 2013 – Es mag angesichts der heutigen Marktsituation schwer vorstellbar sein, aber Suzuki Motorrad war lange Zeit klarer Marktführer in Deutschland. Möglich machte das die damals erfolgreiche Strategie, möglichst viel Motorrad für möglichst wenig Geld anzubieten, das Geld also mit der Masse der Einzelverkäufe zu verdienen. Für mich persönlich verkörpert kein Motorrad diese Philosophie besser als die SV 650, die Suzuki von 1999 bis 2002 neu in Deutschland verkaufte. Es ist die beste Suzuki, die es je gab; und auch auf dem Gebrauchtmarkt wird es schwer, mehr Motorrad für weniger Geld zu finden.

Zwei Dinge machten vor allen anderen die SV so groß: erstens die Ergonomie, die von Stadt bis Rennstrecke für alles taugte, und zweitens dieser 90°-V-Zweizylinder, der in kaum veränderter Form bis heute in der V-Strom 650 und der Gladius Freude und Vortrieb spendet. Dazu kam ein bis heute liebenswert rundes Aussehen, lange Haltbarkeit und dieses Kumpel-Image. Als Motorradfahrer kann man die SV einfach nicht hassen, denn sie ist bis heute der Inbegriff des Allrounders. 2003 löste ein kantigeres Neu-Design (die "Kante") den alten Rundrahmen (die "Knubbel") ab. Sie war weniger erfolgreich, vor allem wegen ihres Aussehens, aber es war immer noch ein sehr gutes Motorrad, das mit elektronisch gesteuerter Saugrohreinspritzung, schönem LED-Rücklicht und ab 2007 mit in Deutschland serienmäßigem ABS punkten konnte. Hier behandeln wir jedoch die Knubbel (1999 - 2002).

Warmfahrfetischverkäufer

Wer den Gebrauchtmarkt scannt, wird im motorradpreislich günstigeren Norden immer wieder Angebote von unter 1500 Euro finden. Das sind Maschinen mit für ein Motorrad vergleichsweise hohen Laufleistungen, meist über 60.000 km. Die Fachzeitschrift "Motorrad" zerlegte nach ihrem damaligen 50.000-km-Dauertest den Motor und befand die Laufspuren für zwar noch ein gutes Stück weiter fahrbar, aber "unschön". So waren etwa keine Bearbeitungsspuren mehr in den Zylinderwänden sichtbar, was üblicherweise bei dieser Laufleistung noch der Fall ist. Meiner persönlichen Erfahrungsmeinung nach könnte das an den Eigenheiten eines Dauertests liegen: Dauertester werden meist noch schlechter behandelt als Mietfahrzeuge, was sich vor allem in nicht vorhandener Warmfahrgeduld niederschlägt. Wer diese Geduld aufbringt, wird auch nach weit über 100.000 Kilometern noch ein Uhrwerk von Motor fahren können. Wenn der Verkäufer also von sich aus auf seinen Warmfahrfetisch hinweist, ist das ein klarer, wenn auch anekdotischer Pluspunkt. Typische, laufleistungsbedingte Schwachpunkte sind jedoch:

  • Kupplung:
    Sie wird im Alter schwerer dosierbar, der Schleifbereich klein. Das kann an Rattermarken an der Ausrückschnecke liegen, und wenn es daran liegt, kann man meistens eine Kupplungszugeinstellung um das Problem herum finden.
  • Zündschloss:
    Wenn es auch nur leichte Anzeichen von Hakeln und Klemmen zeigt, ist es bald hin. Die Materialhaltbarkeit der Dinger ist nicht besonders groß. Gebraucht gibt es Zündschlösser für unter 100 Euro, und Sie brauchen auch wirklich nur ein Zündschloss, weil die Knubbel keine Wegfahrsperre hat. Bei der Kante wird sowas richtig teuer.
  • Kabelbaum:
    Fahrersitz demontieren und den Kabelbaum begutachten. Es gibt hier eine beliebte Durchschleifstelle. Bei einem Masseschluss geht nichts mehr. Wer den Anfängen wehret, kann eine aufwendige Kabelbaumreparatur vermeiden.
  • Regler:
    Die Gleichrichter-Spannungsregler-Einheit bei der SV ist typisch japanisch konstruiert: Sie schließt bei Überschreiten der Nennspannung im Bordnetz die Generatorspulen kurz. Der Generator kann dadurch so einfach konstruiert werden, dass er ein Lebenszeitbauteil ist. Der Regler dagegen wird dadurch sehr heiß, und weil er bei der SV hinter der Plastikverkleidung im Heck sitzt, muss er oft bereits nach 30.000 bis 40.000 km gewechselt werden. Ein neuer Regler kostet rund 100 Euro, der Fehler zeigt sich meistens zuerst als Startschwierigkeit, weil die Batterie nicht mehr richtig geladen wird – gute Verhandlungsbasis. Multimeterbesitzer: den Regler unbedingt heiß messen.
  • Choke:
    Das Choke-Kabel ist eine seltsame Spezialkonstruktion, die irgendwann kaputt geht. Es kostet neu knapp 15 Euro. Die Choke-Kolben und -Düsen funktionieren auch mit Ratterkerben noch leidlich, solange die Federn und Dichtringe noch tun (beides sind Cent-Artikel).