Kommentar: Pauschale SUV-Dämonisierung ist verlogen

Seite 2: Borderline-Mentalität

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Bleibt als berechtigte Kritik der höhere Verbrauch, der sich nicht wegdiskutieren lässt. Doch auch hier lässt sich schlecht eine Pauschalkritik anbringen, denn zwischen einem VW Touareg (Test) und einem VW T-Cross (Test) liegen, wen wundert es, Welten. Ein tatsächlich großes und kräftiges SUV wird bei schneller Fahrt spürbar mehr schlucken als eine vergleichbare Limousine. Aber rechtfertigt denn die durchschnittliche Verbrauchsdifferenz, die bei einem durchschnittlichen SUV und einem durchschnittlichen Fahrprofil auftritt, dass eine solche Fülle an Kübeln voller Hass über dieses Format ausgekippt wird? Ich denke nicht, zumal ich sicher nicht der Einzige bin, den SUVs eher entschleunigen. In einer Giulia langsam zu fahren, fällt mir schwer, in einem gemütlichen Mercedes GLC überhaupt nicht.

Nicht zu vergessen ist, wo SUVs gegenüber flacheren Autos beim Verbrauch vor allem ins Hintertreffen geraten: Auf der Autobahn. Nun darf fleißig darüber debattiert werden, wie viele Kilometer der Durchschnittsfahrer genau dort schnell fahrend verbringt. Laut einer Studie im Auftrag des BMVI fahren Menschen in Großstädten pro Tag im Schnitt insgesamt 14 km, Bewohner dörflicher, kleinstädtischer Räume 26 km. Ein Großteil der am Stück zurückgelegten Strecken ist also keine 10 km lang. Anders formuliert: Der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren ist im typischen Streckenprofil derart unter aller Kanone, dass es eine untergeordnete Rolle spielt, ob die Hülle ein VW Golf oder VW T-Roc ist.

Borderline-Mentalität

Hierzulande zerfleischen Aktivisten mit einer weltweit einmaligen Lust die eigene Autoindustrie und die Freiheit der individuellen Mobilität gleichermaßen, die beide einen erheblichen Anteil an unserem Lebensstandard haben. Andernorts reibt man sich angesichts dieser Borderline-Mentalität verwundert die Augen oder fällt vor Lachen bald vom Stuhl, mit welcher Begeisterung in Deutschland Autos an den Pranger gestellt werden, die in der Praxis einen halben bis einen Liter mehr verbrauchen. Mein 20 Jahre alter Mondeo war kaum unter acht Liter zu bekommen, ein Seat Ateca Dreizylinder mit 25 PS mehr liegt unter vergleichbaren Bedingungen locker zwei Liter darunter – das sei nur jenen mit auf den Weg gegeben, die unermüdlich wiederholen, beim Verbrauch wäre in den vergangenen Jahren nichts passiert.

Ein batterieelektrischer Antriebsstrang kann das freilich dramatisch besser, sofern er nicht in einem 2,5-Tonnen-Gesamtpaket steckt. Nun möchte ich nicht alle zu Kleinwagenfahrern machen, doch die Freiheit, die die individuelle Mobilität bietet, ausgerechnet mit elektrisch angetriebene SUVs á la Audi e-tron (Test) oder Tesla Model X (Test) verteidigen zu wollen, ist absurd. Auf der anderen Seite finde ich es unredlich, dass so getan wird, als könnten wir die Klimakrise mit einer SUV-Dämonisierung in Deutschland lösen. Zielführender wäre es fraglos, seinen gesamten Öko-Fußabdruck zu hinterfragen. Da finden sich bei den meisten Menschen größere Hebel als dieser halbe Liter Mehrverbrauch, um einen Beitrag zu einer geringeren Umweltbelastung zu leisten.

Reaktion auf abnehmende Gelenkigkeit

Ich bin in dieser Hinsicht natürlich in einer guten Ausgangslage: Ich mag SUVs einfach nicht und als Verteidiger von Wuchtbrummen à la Audi Q7, BMW X7 und Co bin ich komplett raus. Bevor in meiner Auffahrt ein riesiges SUV dauerhaft parkt, hält die DUH ihre nächste Vereinssitzung auf einer Kreuzfahrt ab. Doch in einer alternden Gesellschaft wird es sich kaum verhindern lassen, auf die abnehmende Gelenkigkeit irgendwie auch in automobiler Hinsicht zu reagieren. Der SUV-Trend scheint langlebiger als die Ära der Vans. So berechtigt Kritik an der Randerscheinung „Riesen-SUV“ ist: Sie in gleicher Weise auch auf kleine bis mittlere Exemplare zu verteilen, ist Unsinn. (mfz)