Mercedes GLE Coupé 400 vs. Jaguar F-Pace 30d

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Die Schattenseite zu dieser Sonnenseite: Trotz gut 2,2 Tonnen Gewicht fährt dieser GLE nicht besonders neutral. Bei schneller Fahrt oder rutschigem Untergrund schiebt er nicht sanft vorne oder über beide Achsen, sondern das Heck kommt ansatzlos herum. Das passierte beiden Fahrern, liegt also wohl nicht am Fahrstil. Dann wirft das ESP seinen Regelanker darüber, der auch Überkorrekturen des Fahrers ausregeln will, was besonders auffällt, wenn diese nicht geschehen. Verschärft wird der Effekt bei höheren Geschwindigkeiten durch die Auftriebswirkung des fallenden Daches hinten und die starke Aquaplaningneigung. Im ADAC-Test fiel der normale GLE beim Ausweichfahrmanöver durch krasses Untersteuern auf, das den Wagen zusammen mit "heftigsten ESP-Eingriffen" unlenkbar machte beim Versuch, zurück in die ursprüngliche Fahrspur zu gelangen. Vielleicht wollte Mercedes fürs Coupé dem Fahrwerk diese Unart austreiben und kam im anderen Extrem heraus, das leider (Schleudergefahr!) das gefährlichere ist.

Im anschließenden Telefonat sagte Mercedes dazu, das Coupé sei tatsächlich leicht anders ausgelegt als der GLE SUV, und zwar "neutraler", also weniger konservativ untersteuernd. Das von uns beschriebene Fahrverhalten mit Übersteuern sei somit etwas, das im normalen Fahrbetrieb nicht auftrete und nur bei Situationen wie Aquaplaning oder Lastwechseln über Flächen geringer Reibung (lift-off oversteer) möglich sei.

Die gefühlsarme Lenkung mit einem "Lenkassistent", der situationsabhängig unterschiedlich stark mit an der Lenkung dreht, tut ihr Übriges, um die Asphaltwertung zu versauen. Es ist das vielzitierte Gummistiefel-Gefühl, das auch vom Fahrwerk geliefert wird: kaum auswertbares Feedback, dafür viel Komfort. Der Mercedes eignet sich damit für die französische Schule des Fahrens: gediegen sitzen und dirigieren statt lenken. Er verdirbt das ein bisschen damit, so breit zu bauen: 2,13 Meter über Spiegel. Kaum ein Auto zieht mehr Nutzen aus der 360°-Kamera, kaum ein Auto bringt dich in engen Innenstädten häufiger zum Schwitzen, wenn der archetypische Opel-Agila-Fahrer wieder halb auf deiner Fahrspur entgegenkommt, von der du bereits 102 Prozent in Anspruch nimmst. Außer natürlich der F-Pace, der ist praktisch genauso breit, auch wenn das durch deutlich bessere Übersicht weniger auffällt. Ich rate jedem Interessenten zu einer ausgiebigen Probefahrt über engere Sträßchen und Orte, die ihm sonst auf Dauer zu anstrengend sein könnten. Man beobachte dazu auch viele überforderte Kunden des ebenfalls sehr breiten X6.

Der Jaguar ist vor allem beim direkten Umstieg eine Asphalt-Offenbarung. Als wäre es nur ein leicht vergrößerter Golf GTI, verrät er dir sofort nach dem Anfahren und jederzeit, was seine vier Räder tun und wo genau sie sich befinden. Als ich mit dem Mercedes hinter Sebastian herfuhr, erstaunte mich seine präzise Fahrweise: immer mit der äußeren Spur exakt am Begrenzungsstreifen. Ja mei, dachte ich, der kann's halt, der Sebastian. Als wir tauschten, zeigte sich jedoch, dass eben dieses exakte Fahren im Jaguar einfach viel einfacher ist als im Mercedes, denn darin fuhr auch Sebastian wesentlich weniger genau. Zur Präzision kommt Jaguars straffes Fahrwerk mit wenig Wankbewegungen und ein Verhalten im Grenzbereich, das ganz konservativ sicher entweder über die Vorderachse schiebt oder über beide Achsen. Ein je nach Einstellung spät regelndes ESP lässt sich nicht ganz abschalten, denn es soll seitliche Überschläge verhindern.

Das ZF-Getriebe im F-Pace liefert sehr schnell Drehmoment an die Räder, wo das Daimler-Ding sich eine Ewigkeit sortiert und trotzdem erstaunlich hart schaltet. Auf Asphalt ist der Jaguar in Sachen aktiver Sicherheit und Fahrspaß dem Daimler Welten voraus. Und hier verbringen Autos eben die meiste Zeit. Erkauft hat sich Jaguar das mit geringerem Komfort. Mercedes baut das bessere Reiseauto.