Nockenwellenreiter

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Elektromechanische Nockenwellenversteller können überdies kompakter gebaut werden als die Flügelzellenversteller, deren Ölkammern ja ein Mindestvolumen benötigen. Nicht zuletzt können bei Teillast jederzeit die oben erwähnten Miller- und Atkinson-Cycles angefahren werden, um den Verbrauch weiter zu senken.

Zusammenarbeit mit Stopp-Start-Systemen

OVALO baut Getriebe in Ringbauweise, bei denen Nockenwelle und Ketten- bzw. Riemenrad jeweils mit einem Außenring verbunden sind. Ein bürstenloser DC-Motor (am Verbrennungsmotor angebracht) dreht das Getriebe und erzeugt die Relativbewegung von Nockenwellenantrieb zu Nockenwelle. Auch Delphi setzt auf einen bürstenlosen E-Motor, vor allem wegen der flachen Bauform und des hohe Drehmoments. Umgesetzt auf die Nockenwelle wird dessen Drehbewegung mittels Spannungswellengetriebe. Eine Feder fährt den Steller bei Stromausfall in seine Endposition. Damit das Steuergerät weiß, welche Position der Antrieb gerade einnimmt, melden ihm drei Hallsensoren den aktuellen Winkel.

Größere Freiheitsgrade

Erste veröffentlichte Ergebnisse ihrer Arbeit Klingen vielversprechend: Delphi berichtet, sein EVCP könne bei jeder Drehzahl den Ventiltrieb verstellen und damit eine Dekompression im Stopp-Start- Betrieb ermöglichen. „Dekompression“ bedeutet eine deutliche Entlastung des elektrischen Anlassers und der Batterie, der Starter beim Anlaufen nicht mehr gegen den Widerstand der Kompression anarbeiten muss. In Versuchen mit aufeinanderfolgenden Stopp-Start-Vorgängen erreicht der EVCP die Dekompressionsstellung innerhalb von 0,2 s. Bei kaltem Motor liegt die Stellgeschwindigkeit bis minus 25 Grad Celsius noch über 60 °KW/s, zwischen minus zehn und plus zehn Grad erreicht sie über 120 °KW/s, was völlig neue Anwendungen überhaupt erst ermöglicht. So kann EVCP beim Kaltstart durch eine entsprechende Steuerzeiteneinstellung eine Vorkompression erreichen, die das Gemisch aufheizen hilft, was sich unmittelbar auf die Abgasqualität auswirkt. Indirekt verbessert das die Abgaswerte durch ein schnelleres Anspringen des Katalysators. Durch ein spätes Einlassöffnen kann eine Reduktion der HC-Emission beim Kaltstart engegengewirkt werden. Weitere Vorteile ergeben sich durch eine teilweise Entdrosselung dank geringerer Ansaug- und Pumpverluste aufgrund größerer Freiheitsgrade bei der drehzahlunabhängigen Regelung der Steuerzeiten.

Fernziel: Nocken raus, Aktuatoren rein

Hörten wir da „Entdrosselung“? War da nicht was? Doch, und es ist schon ziemlich lange her: Am 24.06.2009 schrieb BMW voller Stolz: „2001 entwickelte BMW die vollvariable Ventilsteuerung VALVETRONIC, die erstmals den Motorbetrieb ohne Drosselklappe ermöglichte und bis heute weltweit einzigartig ist“. BMW ist nicht etwa nach über 84 Jahren Automobilbau ein bisschen vergesslich geworden (siehe erste Ottomotoren). Gemeint war die erste vollvariable Ventilsteuerung in einem Auto, die sowohl variable Steuerzeiten als auch frei steuerbare Ventilhübe ermöglichte.

Ein großer technischer Aufwand, der erst heute mit der nötigen Zuverlässigkeit zu bezahlbaren Preisen angeboten werden kann. Der Effizienzgewinn ist dagegen so schmal, dass er erst jetzt den Aufwand zu lohnen beginnt. Aber das ist eine andere Geschichte, die Richtung Fernziel aller auf diesem Gebiet arbeitenden Ingenieure weist: Die Idealvorstellung direkt steuerbarer Ventile! Könnte man hydraulische, pneumatische oder elektrische Aktuatoren dazu einsetzen, wäre der ganze aufwendige Nockenwellenantrieb mit seinen mechanischen Reibungsverlusten und unvermeidlichem Verschleiß Geschichte. Fast noch wichtiger: Man könnte nahezu beliebige Steuerzeiten und Öffnungen für jedes einzelne Ventil fahren, sogar eine zylinderselektive Steuerung wäre problemlos umsetzbar. Schon heute ist also absehbar, dass auch die elekrifizierten Steuerzeiten nur ein zeitlich begrenzter Kompromiss sein werden. (fpi)