Fahrzeugkommunikation schafft Sicherheitsreserven

Schutzengel 2010

Die EU-Initiative eSafety will bis 2010 die Zahl der Unfalltoten halbieren. Ein Mittel dafür soll die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation werden: Autos tauschen per Funk Informationen über den Straßenzustand aus und warnen ihre Fahrer

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Die EU-Initiative eSafety will bis 2010 die Zahl der Unfalltoten halbieren. Ein Mittel dafür soll die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation werden: Autos tauschen per Funk Informationen über den Straßenzustand aus, warnen ihre Fahrer und beschleunigen so den unfallvermeidenden Tritt aufs Bremspedal.

Es ist 19:30 Uhr. Ein zu langer Arbeitstag liegt hinter Lars Jensen und noch 70 Kilometer Autobahn vor ihm. Müde ordnet er sich auf die Spur zur Auffahrt ein – und steigt voll in die Eisen. Hinter der Kurve steht nämlich schon das erste von hunderten Stauopfern.

Die Technik soll Staus vermeiden
So sieht Autofahren häufig aus, muss es aber nicht: Politik, Wissenschaft und Wirtschaft möchten mit Hilfe von Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation (Car-to-Car Communication, C2C) Staus vermeiden. Das wichtigere Ziel ist aber, die Sicherheit zu steigern, denn in der EU sterben jährlich 40.000 Menschen durch Verkehrsunfälle. Die eSafety-Initiative der EU will diese Zahl bis 2010 halbieren [1].

Bisher kamen im Automobil überwiegend passive Sicherheitssysteme zum Einsatz, die erst dann reagieren, wenn es eigentlich schon zu spät ist: Airbag, Gurtstraffer und Seitenaufprallschutz reduzieren die Folgen, können den Unfall aber nicht verhindern. Für die nächsten Jahre prognostizieren Verkehrsforscher, dass die Anzahl der Fahrzeuge auf europäischen Autobahnen schneller wächst als das Straßennetz. Die steigende Verkehrsdichte lässt die Zahl gefährlicher Situationen deutlich zunehmen und fordert vom Autofahrer deshalb erhöhte Aufmerksamkeit.

Sicherheitsproblem Fahrer
Schon heute geht mehr als ein Drittel aller Unfälle (36 Prozent) auf mangelnde Aufmerksamkeit zurück [2]. Dazu kommen zu hohe Geschwindigkeit (14 Prozent) und zu geringer Abstand (10 Prozent). Alle drei Faktoren beschneiden die Sicherheitsfrist: Der Fahrer braucht Zeit, die Situation einzuschätzen, zu reagieren und schließlich das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen (Bremszeit). An der Reaktions- und Bremszeit lässt sich wenig ändern, aber aktive Sicherheitssysteme können beim Einschätzen der Verkehrssituation helfen und dem Fahrer eine zusätzliche Zeitreserve verschaffen.

Bisherige Telematik-Anwendungen wie der Verkehrsfunk sind dazu nicht in der Lage: Bis ein sicherheitsrelevantes Ereignis gemeldet wird, vergeht schon mal eine halbe Stunde, denn die gefährdenden Faktoren werden nicht automatisch erfasst [3]. Manche Meldungen warnen hingegen vor einem Stau, der sich längst aufgelöst hat. Die Rundfunksender können vor allem zu Stoßzeiten nur über eine Auswahl berichten, weil ihr Verbreitungsgebiet sehr groß ist: „Und jetzt alle Staus ab 10 km …“

Sensoren erfassen die Umgebung
Diese Probleme lassen sich nur mittels automatischer Erfassung der vielfältigen Ereignisse lösen, die den Verkehr beeinflussen. An Systemen dafür forschen verschiedene Gruppen schon seit über zwanzig Jahren. Aktuelle Fahrzeuge der Oberklasse haben serienmäßig längst mehr als 100 Sensoren, die ein detailliertes Bild der Umgebung des Fahrzeugs ergeben: ABS- und ESP-Sensoren liefern Daten über den Zustand der Straße (Rutschgefahr bei Nässe). Die vom Tacho gemeldete Geschwindigkeit und das Abstandsradar geben Hinweise auf die Verkehrsdichte. Doch dieser Schnappschuss gilt nur für die direkte Fahrzeugumgebung.

Der notwendige Schritt zu einer besseren Verkehrstelematik ist, mit einem Steuergerät die lokalen Informationen zu bewerten, per Funk an benachbarte Fahrzeuge zu senden und so einen differenzierten und frühzeitigen Situationsüberblick zu schaffen. Ein Ansatz ist beispielsweise das elektronische Bremslicht. Damit ist mehr gemeint als eine simple Helligkeitssteuerung, die bei einem hastigen Tritt aufs Pedal die Heckleuchten stärker strahlen oder flackern lässt.

Elektronisches Bremslicht
Bei starker Verzögerung sendet das elektronische Bremslicht Warn-Nachrichten. Als Funkmedium dafür kristallisiert sich zurzeit ein aus WLAN weiterentwickeltes System heraus. Die Funktelegramme enthalten die per GPS gewonnene Fahrzeugposition nebst Geschwindigkeitsvektor, einen Zeitstempel, die Koordinaten der Relevanzzone, eine Gültigkeitsdauer und einen Code für das Ereignis, eben die abrupte Bremsung. Die relative Größe der Relevanzzone wird für verschiedene Ereignisse im Voraus festgelegt; der Sender errechnet dann ihre absoluten Koordinaten aus seiner Position: Heftiges Bremsen interessiert Vorausfahrende kaum, Folgende dafür umso mehr.