Schwerblüter

Test: Volvo V60 D3

Der zweite V60 wirkt wie ein kleiner Volvo V90 - ein Eindruck, der sich beim Fahren bestätigt? Im Test zeigt die deutlich größer gewordene Neuauflage sich rundherum verbessert, zur Perfektion fehlt es aber an einigen Stellen noch an etwas Feinschliff

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Volvo V60 33 Bilder

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Dieser Testwagen bekommt schon vor dem ersten gefahrenen Meter einen Preis. Nein, die Rede ist nicht vom „autonis“-Award als beste Design-Neuheit 2018, den der V60 eingesammelt hat. Wir verleihen ihm die Auszeichnung „lauteste Zentralverriegelung der diesjährigen Testwagen“. Sollten Sie Bedenken haben, dass Ihre Nachbarn vom Sound des Motors morgens geweckt werden, können Sie beruhigt sein: Die Verriegelung hat das schon souverän übernommen. Abgesehen davon hat Volvo in den zweiten V60 eine Menge Arbeit gesteckt, auch wenn das optisch nicht immer sichtbar ist. Das zeigt der Test des 150-PS-starken Volvo V60 D3.

Gleichmacherei

Die Gestaltung wirkt wie eine Kleinausgabe des V90 (Test), und zwar innen wie außen. In Zeiten, in denen viele Autos sich mit einer deftigen Überzeichnung absetzen wollen, wirkt die vergleichsweise ruhige Formgebung auf mich gelungen. Gegenüber dem Vorgänger, dessen seitliche Proportion durch ein arg kurzes Heck immer etwas litten, hat Nummer zwei in meinen Augen gewonnen. Im Innenraum treibt Volvo die Gleichmacherei auf die Spitze. Das Armaturenbrett unterscheidet sich bei allen seit 2015 auf den Markt gekommenen Modellen nur noch durch Details. Die Linie kann man mögen, doch wer das nicht gut findet, hat bei Volvo keine Alternative mehr.

Hochwertig

Im täglichen Umgang ähnelt der V60 den größeren Modellen. Auch hier fällt eine penible Verarbeitung von hochwertigen Materialien auf, die den Volvo deutlich über den Klassendurchschnitt hebt. Das Gefühl, in einem teuren Auto zu sitzen, stellt sich schon ein, bevor man losgefahren ist. Im Testwagen störten diesen Eindruck ein temporär klapperndes Dach bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und Windgeräusche rund um die A-Säule. Beides freilich so leise, dass es nur empfindlichen Menschen auffallen wird. Wie einige Hersteller in diesem Segment, bietet auch Volvo Dämmglas an, das im Testwagen nicht verbaut war. Es kostet 990 Euro und ist nur zusammen mit einer elektrisch betätigten Heckklappe zu haben – warum auch immer. Kurios auch, dass Volvo sich ein Schloss im Handschuhfachdeckel mit 40 Euro bezahlen lässt.

Heiß

Die ausgezeichneten Ledersitze waren im Testwagen zusätzlich mit einer verstellbaren Verlängerung der Sitzflächen ausgestattet – Langbeiner wie der Autor registrieren solche Feinheiten dankbar, wenngleich sie mit 170 Euro nicht ganz billig und nur zusammen mit weiteren Extras zu haben ist. Die Heizungen von Sitzen und Lenkrad sind ganz offensichtlich nahe dem Polarkreis getestet worden, gefühlt liegt die maximale Temperatur nur knapp unterhalb eines Kohlegrills.

Deutlich zugelegt hat der V60 vor allem hinten und im Kofferraum. Die rund 13 cm mehr in der Länge machen sich bemerkbar, wobei wir dem Kombi noch immer kein überdurchschnittliches Verhältnis zwischen äußeren Abmessungen und Platzangebot bescheinigen können. Immerhin bietet der Kofferraum mit 526 Litern nun ein Format, mit dem auch Familien zurechtkommen dürften, sofern sie maximal zwei Kinder haben, von denen keines mehr in einen Kinderwagen muss. Für einen ähnlich langen VW Passat Variant (Test) ist der V60 hinsichtlich des Raumangebotes aber keine Konkurrenz.

Klanggewaltig

In anderer Hinsicht macht in dieser Klasse dagegen dem Volvo keiner etwas vor. Das mit 3300 Euro sehr kostspielige Soundsystem von Bowers und Wilkins klingt exzellent: Klare Höhen, verfärbungsfreie Mitten, saubere, tief nach unten reichende Bässe – so soll es sein. Mit dem restlichen System stehe ich noch immer auf dem Kriegsfuß. So werden auf einem USB-Stick weiterhin weder Ordner noch mit dem Mediaplayer angelegte Playlisten angezeigt. Der CD-Spieler sitzt zwischen den Rücklehnen der Vordersitze, was ich so praktisch finde wie die Idee von Volkswagen, diesen ins Handschuhfach zu verfrachten – nämlich gar nicht.