Sichere Datenübertragung im Automobil

Zeitig steuern

Wie mehrere Dutzend Mikrocontroller im vernetzten Verbund kommunizieren, um Komfort und Fahrsicherheit zu steigern, demonstriert der neue Übertragungsstandard Flexray.

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Inhaltsverzeichnis

Unter der Haube der neuen Familiensänfte werkeln mehrere Dutzend Mikrocontroller, die im vernetzten Verbund Komfort und Fahrsicherheit steigern. Ihre Kommunikation muss fehlertolerant, deterministisch und schnell passieren, damit die Gurte noch vor dem Crash gestrafft werden und so die Folgen des Aufpralls mildern, statt den Insassen im Nachhinein die Luft zu nehmen. Wie ausgefeilte Netz- und Protokolltechniken dafür zusammenspielen, demonstriert der Newcomer Flexray.

Ob nun siebzig oder auch nur sieben mit Mikrocontrollern bestückte Steuergeräte als unsichtbare Maschinisten mitfahren, hängt natürlich von Baujahr und Modell ab. Doch selbst in manchem Youngtimer aus den frühen 1990er Jahren steckt schon eine Handvoll Steuergeräte, die über Datenbusse miteinander sprechen. Seitdem hat die Präsenz von Software im Automobil rasant zugelegt: In einem modernen Oberklassefahrzeug können sich durchaus 80 MByte Software auf über 70 Steuergeräte verteilen, die über Sensoren Daten erfassen, Regelalgorithmen ausführen, über Aktoren auf das Fahrzeugverhalten wirken und untereinander Daten austauschen.

Heerschar von Helferlein

Sie bilden Fahrerassistenzsysteme, die vor dem Verlassen der Fahrspur warnen (Lane Departure Warning), auf der Autobahn den Abstand zum Vordermann regeln (Adaptive Cruise Control) oder beim Einparken assistieren. Pre-Crash-Systeme straffen schon vor einem als unvermeidlich eingestuften Zusammenstoß die Gurte. Ein Bremsassistent lässt auch einen Fahrer, der kein Sicherheitstraining absolviert hat, eine Crash vermeidende Vollbremsung hinlegen, wenn er den Paniktritt aufs Bremspedal bemerkt – ESP verhindert dabei das Ausbrechen des Fahrzeugs. Telematikanwendungen (Navigations- und Verkehrsinformationssysteme, automatischer Notruf) helfen, die Aufmerksamkeit des Fahrers beim Verkehrsgeschehen zu halten, indem sie ihn akustisch mit Informationen versorgen. Neben solchen mehr oder weniger direkt wahrnehmbaren Anwendungen leisten im Hintergrund elektronische Steuerungen für Getriebe, Motor und Fahrwerk oder auch das Energiemanagement essenzielle Dienste zugunsten von Komfort und möglichst niedrigem Kraftstoffverbrauch. Eine Reihe kleinerer Helferlein schaltet bei Dämmerung das Licht ein, aktiviert bei Regen den Scheibenwischer und kümmert sich um die Zentralverriegelung.

Anforderungen steigern Bus-Vielfalt

All diese Anwendungen resultieren in dramatisch gestiegenen Anforderungen an den Datenaustausch, der bei Edelfahrzeugen ohne weiteres über vier bis sechs verschiedene, über Gateways und Hubs (im Auto auch: Sternkoppler) organisierte Bussysteme läuft. Zu den bekanntesten Vertretern gehören CAN, LIN, MOST und seit kurzem FlexRay (siehe dazu auch Computer on the Road sowie by-wire - doch ganz anders als im Airbus) – nachfolgend zugunsten holperfreien Lesens mit kleinem R. Die Bus-Vielfalt stammt zum einen aus der Spezialisierung einzelner Systeme, etwa MOST für Telematik und Multimedia-Anwendungen oder LIN für den Low-Cost-Bereich wie die Sitz- oder Spiegelverstellung. Eine Übersicht technischer Merkmale und Anwendungsbereiche liefert neben stehende Tabelle (siehe Bildergalerie). Andererseits genügt die Übertragungsrate etablierter Busse – beispielsweise bei CAN maximal 1 MBit/s – heutigen Anforderungen nicht mehr, weshalb Kfz-Hersteller gelegentlich mehrere Bus-Stränge parallel betreiben.

Warum Flexray?

Dank seiner höheren Datenrate von 2x10 MBit/s kann Flexray nicht nur mehrere Stränge eines älteren Busses ersetzen, auch der Einsatz als Backbone für andere Systeme wird diskutiert. Die Autoelektronik hat in den letzten Jahren in puncto Zuverlässigkeit gelegentlich durch negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht und manchem Autobauer eine Beule am Image beschert. Wenn Flexray die Komplexität und die damit verbundene Fehleranfälligkeit des Bordnetzes reduzieren kann, kommt das aber nicht nur der Autoindustrie, sondern auch dem Kunden zugute.

By-wire-Systeme müssen zuverlässig sein

Nicht nur die Datenrate und die verschiedenen möglichen Topologien waren Anlass zur Flexray-Entwicklung. Als mindestens ebenso wichtig galt die Zunahme sicherheitskritischer Applikationen im Fahrzeug: Vor einigen Jahren sorgten Ideen von Autos ohne Lenkstange (Steer-by-Wire), mit elektrischen Bremsen (Brake-by-Wire) und elektrischer Schaltung (Shift-by-Wire) für Enthusiasmus in der Industrie. Inzwischen ist die Erkenntnis gereift, dass zumindest die technisch anspruchsvollsten Applikationen – allen voran Steer-by-Wire – wohl frühestens im nächsten Jahrzehnt in Serie gehen.