Zeitig steuern

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Allerdings streut der Einfluss stark mit der Architektur des konkreten Systems. Ein Flexray-Entwickler ist folglich gut beraten, in seinem Projekt Worst-Case-Simulationen mit variierender Idle-Zeit durchzuführen.

Die einzustellende Idle-Zeit ergibt sich übrigens genauso, wenn die Sender-Uhr gegenüber dem Empfänger vorgeht. Spielt man dieses Szenario im Detail durch, kommt man zu der zunächst absurd erscheinenden Erkenntnis, dass sich eine garantierbare Mindestsignalverzögerung hier förderlich auswirkt, weil sie dazu beiträgt, die Idle-Zeit klein zu halten.

Flexibler Gestaltwandler

Die bei Flexray standardmäßig vorgesehenen zwei Übertragungskanäle erlauben ungewöhnliche Konstruktionen. Schon bei einem Kanal kann ein Entwickler klassische lineare Busse mit aktiven und passiven Sternen kombinieren. Die maximale Strecke ohne aktiven Hub darf 24 Meter zwischen zwei Knoten betragen; mit maximal zwei Hubs steigt die Distanz auf 72 Meter. Auf elektrischer Ebene arbeitet Flexray mit Differenzsignalen auf einer Doppelader, die wahlweise in geschirmten oder ungeschirmten Kabeln läuft. Der zweite Kanal muss nicht zwangsweise die gleiche Struktur bekommen: Bei besonderen Sicherheitsanforderungen kann man ihn als redundanten, unabhängigen Übertragungsweg aufbauen, der nur die für eine besonders wichtige Funktion nötigen Knoten verbindet.

Alternativ kann man ähnlich wie bei der Link Aggregation bei Ethernet-LANs die Kanäle zwecks Durchsatzverdoppelung parallel schalten. Ein im Flexray-Knoten autonom arbeitender Bus Guardian verhindert, dass ein vielleicht durch Glitches auf der Versorgungsspannung in die Irre gelockter Controller zur Unzeit Daten auf den Bus gibt und so die Zeitsteuerung im statischen Segment durcheinanderbringt.

Flexray eliminiert Störfehler mittels gleitender Auswertefenster

In der übertragungstechnisch gesehen "lauten" Kfz-Elektrik sind Bitfehler durch kurzfristige Störungen (Glitches) an der Tagesordnung. Solche Ausrutscher eliminiert Flexray mit achtfacher Überabtastung: Aus den jeweils letzten fünf Samples bildet es zunächst eine Mehrheitsentscheidung (3 aus 5), das Voted Signal. An dessen fallender Flanke synchronisiert sich der von eins bis acht laufende Sample Counter. Hat dieser die Stufe fünf erreicht, geht der Empfänger von einem stabilen Zustand aus und reicht das momentane Voted Signal als empfangenes Bit weiter. Die geringfügige Verzögerung (Voting Delay) stört nicht weiter.

Hohe Fehlertoleranz

Außer durch die Zeitsteuerung zeichnet sich Flexray durch eine Reihe weiterer Eigenschaften aus, die das System für die Übertragung sicherheitskritischer Informationen prädestinieren. So sorgt etwa der fehlertolerante Startup-Mechanismus dafür, dass beim Hochfahren des Clusters nur die vorab festgelegten Cold-Start-Nodes Sync-Frames an die anderen Knoten senden, und das wiederum kollisionsfrei. Die Fehlertoleranz ist so weit eingearbeitet, dass sogar Restsysteme dann noch ordnungsgemäß starten und kommunizieren, wenn die Oszillatoren einzelner Knoten stark abweichen oder ganz ausfallen. All das bildet eine gute Grundlage für zuverlässige Kommunikation zwischen Steuergeräten, die letztlich dem Komfort und der Verkehrssicherheit zugute kommt. Flexray hat die kritische Masse von Nutzern und Anbietern schon jetzt erreicht. Das bedeutet aber nicht, dass die Tage der etablierten Systeme wie CAN, LIN oder MOST gezählt sind. Denn unterschiedliche Kostenstrukturen und die Spezialisierung der einzelnen Systeme garantieren ihnen ihre Marktsegmente. (Markus Jochim) (imp)