Abgas-Betrug: BGH spricht Klägerin Ersatz des "Minderwerts" zu

Der Käuferin eines VW Passat Variant mit Dieselmotor kann wegen der Prüfstanderkennungssoftware ein sogenannter "kleiner Schadensersatzanspruch" zustehen.

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Der Motor EA189 in einem Skoda

(Bild: Skoda)

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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Käuferin eines VW Passat Variant mit Dieselmotor wegen der Prüfstanderkennungssoftware ein sogenannter "kleiner Schadensersatzanspruch" zustehen kann.

Die Klägerin hatte im Juli 2015 einen gebrauchten VW Passat Variant 2.0 TDI mit dem Dieselmotor des Typs EA189 gekauft. Bei diesem Motor werden wegen eines betrügerischen Programms in der Motorsteuerung die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm nur auf dem Prüfstand eingehalten. Im normalen Fahrbetrieb sind die Stickoxidwerte dagegen stark erhöht.

2015 hat das Kraftfahrt-Bundesamt daher Volkswagen verpflichtet, Autos mit dieser Software zurückzurufen und das betrügerische Programm zu ersetzen. Das betraf auch den Passat der Klägerin. Dennoch hat sie Volkswagen auf Ersatz des Minderwerts und Schadenersatz für die Wertminderung durch Manipulation des Fahrzeugs verklagt.

Diese Klage wurde vom Landgericht Rottweil abgewiesen. Eine Berufung war vor dem Oberlandesgericht Stuttgart teilweise erfolgreich, es bestätigte den Anspruch auf Ersatz des Minderwerts. Die Berufung gegen die Abweisung der Feststellungsklage hat es zurückgewiesen.

Eine Revision, von der Volkswagen eine vollständige Klageabweisung erhoffte, blieb vor dem Bundesgerichtshof ebenso ohne Erfolg wie die Revision der Klägerin. So ist Volkswagen der Klägerin nach dem Urteil gegenüber zu Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet (Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19).

Die Klägerin könnte demzufolge eine Erstattung des Kaufpreises abzüglich ihrer Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen Übertragung des Fahrzeugs verlangen (sogenannter großer Schadensersatz). Es bleibt ihr aber unbenommen, ihren Passat zu behalten und sich von Volkswagen den Betrag ersetzen zu lassen, um den sie ihn zu teuer gekauft hat. Zur Ermittlung dieses sog. "kleinen Schadensersatzes" ist zunächst der Kaufpreis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.

Der Senat verlangte, dabei auch den Einfluss auf den Restwert durch die Beseitigung der unzulässigen Prüfstandserkennung durch Volkswagen zu berücksichtigen. So sei zwar die Motorsteuerung dadurch wieder Gesetzeskonform, dem gegenüber stehen allerdings mit dem Software-Update verbundene Nachteile. Das soll in einem späteren Betragsverfahren festgestellt werden, wie der BGH in seiner Pressemeldung mitteilte.

Der Klägerin steht als "kleiner Schadensersatz" also die Wertminderung in bar zu, nicht aber der "große Schadensersatz", also der volle Ersatz aller Ausgaben Zug um Zug gegen Rückgabe ihres VW Passat.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
)

(fpi)