Analyse: Deutsche Umwelthilfe wittert neuen Betrug von Mercedes

Die DUH hat ein geleaktes Dokument veröffentlicht und wittert einen Skandal. Der ist bei genauerem Hinsehen allerdings bedeutend kleiner, als es scheint.​

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Mercedes E 350 BlueTEC

Der Sechszylinder-Diesel OM642 wurde viele Jahre in verschiedene Modelle eingebaut. Beanstandet wurde vom KBA die Ausführung in der E-Klasse in Verbindung mit der Abgasnorm Euro 6.

(Bild: Mercedes)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Deutsche Umwelthilfe wittert einen Skandal und hat ein geheimes Papier veröffentlicht, in dem das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Mercedes-Benz AG auffordert, einen Maßnahmenplan vorzulegen, um die Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit nach Art. 52 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2018/8585 sicherzustellen. Kurz gesagt: Einen Betrug zu beseitigen.

Es ist in der Öffentlichkeitsarbeit eine alte Taktik: Kündigt sich an einer Stelle eine Niederlage an, entfache einen frischen Skandal zur Ablenkung! Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) handelt gewissermaßen nach diesem Lehrbuch. Vor Gericht zeichnet sich für die DUH ein juristischer Fehlschlag gegen BMW ab, und so wird ein geleaktes Papier zu einem Skandal gemacht. Bei genauerer Betrachtung allerdings ist das nicht mehr als ein Strohfeuer.

In dem Papier heißt es:

"Gelangt die Marktüberwachungsbehörde eines Mitgliedstaats durch die Bewertung nach Artikel 51 zu dem Schluss, dass ein Fahrzeug, System, Bauteil oder eine selbstständige technische Einheit nicht den Vorschriften dieser Verordnung entspricht, jedoch keine ernste Gefahr gemäß Absatz 1 dieses Artikels darstellt, so fordert sie die betroffenen Wirtschaftsakteure umgehend dazu auf, innerhalb eines angemessenen Zeitraums alle geeigneten Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um die Übereinstimmung des betreffenden Fahrzeugs, Systems, Bauteils oder die betreffende selbstständige technische Einheit des Produkts mit diesen Anforderungen herzustellen. Dieser Zeitraum muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Nichtübereinstimmung stehen, damit sichergestellt ist, dass das betreffende Fahrzeug, System, Bauteil oder die betreffende selbstständige technische Einheit beim Inverkehrbringen, bei der Zulassung oder bei der Inbetriebnahme den Anforderungen entspricht."

Zusammengefasst bedeutet das: Weiß eine Behörde, dass ein Fahrzeughersteller betrogen hat, muss sie diesen auffordern, innerhalb einer angemessenen Zeit den Betrug zu beseitigen. Betroffen ist im konkreten Fall der Dieselmotor mit dem internen Code OM642, der unter anderem im Mercedes E 350 BlueTEC mit der Abgasnorm Euro 6 eingebaut wurde. Angenommen werden muss wohl, dass alle anderen Mercedes-Modelle, die den OM642 mit der Abgasnorm Euro 6 nutzen, potenziell ebenso betroffen sind. Der Einbau einer Abschalteinrichtung ist schon lange nachgewiesen, Mercedes hat mit einem Update reagiert. Das KBA hat die Maßnahme vorab überprüft und mit der ABE 91750 genehmigt.

Es geht im aktuellen Fall also nur um Modelle, die das Update des Herstellers bislang nicht eingespielt bekommen haben. In dem Papier wird die Abgasnachbehandlung vor der Aktualisierung an drei Stellen vom KBA beanstandet. In der ursprünglichen Softwarefassung wurde

  • Harnstoff abhängig von der Ladelufttemperatur eingedüst,
  • Harnstoff abhängig vom durchschnittlichen Harnstoffverbrauch dosiert,
  • die Abgasrückführung abhängig von der Öltemperatur geregelt

Mit dem Softwarestand A 642 903 02 15, so ist dem Dokument zu entnehmen, wurden all diese Funktionen deaktiviert. Das KBA fordert von Mercedes untere anderem eine Aufstellung, welche Fahrzeuge an der Rückrufaktion bislang nicht teilgenommen haben. Da dieser Rückruf ohne behördlichen Zwang erfolgte, hat das Amt dazu keine Daten. Mercedes dürfte aber wissen, welche Autos das Update im Rahmen eines Werkstatttermins bekommen haben – und welche nicht. Über einen Abgleich mit den amtlichen Zulassungsdaten, schließlich sind ja nicht mehr alle jemals mit dieser Maschine gebauten Autos im Verkehr, dürfte eine Identifizierung recht schnell gehen. Besitzer, die eine Aktualisierung bislang abgelehnt haben, bekommen dann Post mit der Aufforderung, dies innerhalb einer Frist nachzuholen. Andernfalls droht die Stilllegung. Konkret heißt es im Schreiben dazu:

"Das KBA behält sich vor, […] im Hinblick auf die Fahrzeuge, die nicht an der Rückrufaktion teilgenommen haben, die … Zulassungsbehörden zu informieren, die dann eine Betriebsuntersagung nach §5 […] prüfen und durchführen können."

Mercedes hat mit einem Update die beanstandeten Teile der Abschalteinrichtung beseitigt. Unklar für die Behörden ist, ob alle Fahrzeuge diese Aktualisierung erhalten haben. Da davon auszugehen ist, dass das in einigen Fällen nicht erfolgt ist, muss das KBA diese identifizieren und die Besitzer auffordern, die veränderte Software aufspielen zu lassen. Erst wenn das nicht passiert, wird das Auto – als letzte denkbare Maßnahme – unter Umständen stillgelegt.

Ein Kommentar
Jürgen Resch

(Bild: DUH / Lehmann)

Die DUH wollte BMW juristisch dazu zwingen, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2030 einzustellen und gleichzeitig die CO₂-Emissionen drastisch zu senken. In erster Instanz war das vor dem Münchner Oberlandesgericht gescheitert. In einer mündlichen Verhandlung machte das OLG deutlich, dass auch eine Berufung nur geringe Chancen auf einen Erfolg habe. Die Entscheidung ist vorläufig, eine endgültige soll am 12. Oktober fallen. Für den Fall einer Niederlage kündigte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch bereits an, vor den Bundesgerichtshof ziehen zu wollen.

(mfz)