Batterieforscher: "Europa hat den Vorsprung der Chinesen eingeholt"

Batterieforscher Maximilian Fichtner spricht im TR-Interview über die Aufholjagd Europas und die jüngsten Durchbrüche bei der Batterieentwicklung.

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(Bild: Lightboxx/Shutterstock.com)

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Der Chemiker Maximilian Fichtner, Jahrgang 1961, ist unter anderem Professor für Festkörperchemie an der Uni Ulm und stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung.

(Bild: Helmholtz-Institut Ulm)

Lange galt Europa als abgehängt bei der Batterieentwicklung. Doch das sei ein Vorurteil, meint Maximilian Fichtner, Professor für Festkörperchemie an der Uni Ulm sowie stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung. "Es ist in Europa zu großen Teilen gelungen, den Entwicklungsvorsprung der Chinesen einzuholen", sagte er im Interview mit der deutschen Ausgabe des MIT-Magazins Technology Review (aktuelle Ausgabe 7/2021 jetzt am Kiosk oder hier zu bestellen). "Die Europäer haben in den letzten Jahren zwei bis drei Mal mehr investiert als China. Und Deutschland hat sich vom Enfant terrible der Batterieproduktion zum Musterknaben entwickelt. Es gibt kein Land in Europa, in dem mehr Gigafactorys geplant oder gebaut werden."

Diese Fabriken verändern auch die hiesige Forschungslandschaft, so Fichtner: "In den letzten zehn Jahren konnten Sie mit einer Industriefirma nur kooperieren, wenn Sie etwas gemacht haben, was genau in deren Portfolio gepasst hat. Das ist in Asien anders. Dort arbeiten große Firmen sehr langfristig mit Einrichtungen zur Grundlagenforschung zusammen. Aber jetzt, da wir fast auf Augenhöhe mit den Chinesen sind, scheint sich die Lage auch hier ein bisschen zu entspannen. Die Firmen scheinen mehr Interesse zu haben an Themen, die in den nächsten 20 bis 30 Jahren relevant werden könnten."

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 7/2021

Zur aktuellen Entwicklung sagte Fichtner: "Die Ereignisse überstürzen sich etwas. Es ist unglaublich, was für eine Dynamik da drin ist.“ Grund seien gleichzeitig Verbesserungen bei der Zellchemie und beim Batteriedesign. "Das eigentliche Speichermaterial macht nur etwa 25 Prozent von einem Batteriepack aus, der Rest sind die Kollektorfolien, Gehäuse, Verdrahtung, Elektrolyt, Grafit und so weiter", so Fichtner.

Mit größeren Zellen könne man diesen Anteil an "totem Material" senken. Dies sei der größte Hebel für eine höhere Reichweite – und ermögliche es, auf Speichermaterialien wie Lithium-Eisenphosphat oder Natrium-Ionen umzusteigen, die zwar eine geringere Energiedichte haben, dafür aber preiswerter, sicherer, umweltfreundlicher und langlebiger seien. "Ich glaube, wir werden uns noch wundern, was noch alles möglich sein wird", sagte Fichter. "Ich verfolge das mit großen Augen wie ein kleines Kind." (jle)