Battery Quick Check für Elektroautos: Zertifizierter Zustand?

Der TÜV Rheinland bietet einen zertifizierten Check an, mit dem sich die Restkapazität einer Batterie in einem gebrauchten Elektroauto feststellen lässt.

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BMW i4

Der Nutzer hat es zum Teil in der Hand, wie lange die Batterie in einem Elektroauto hält.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Die Traktionsbatterie im Elektroauto ist ein Verschleißteil: Das wertvollste Bauteil altert durch das Laden und Entladen (zyklisch) sowie über die Zeit selbst (kalendarisch). Der Zustand ist entscheidend für den Wiederverkaufswert eines Elektroautos. Die Halter wollen die Information, wie weit die Degradation fortgeschritten ist. Potenzielle Käufer müssen wissen, wie der Gesundheitszustand (State Of Health, abgekürzt SOH) objektiv und unabhängig eingeschätzt werden kann. Eine Methode dafür bietet jetzt der TÜV Rheinland in Kooperation mit Twaice an – den Battery Quick Check für 149 Euro.

Um den SOH festzustellen, wird das Elektroauto beim Battery Quick Check an ein Diagnosegerät und eine Wallbox angeschlossen. Der Vorgang dauert insgesamt 90 Minuten, wobei ein Mitarbeiter nur etwa fünf Minuten am Fahrzeug direkt arbeiten muss. Der Rest des Tests läuft von allein im Hintergrund und muss nicht beaufsichtigt werden.

Der State Of Health, abgekürzt SOH, gibt an, wie viel Prozent des ursprünglichen Energieinhalts noch verfügbar sind.

(Bild: BMW)

Ähnlich wie bei Aviloo, wo der Halter den Test allein durchführen kann, dafür aber eine lange Messfahrt durchführen muss, ist das Kernelement ein Vergleich: Twaice analysiert fabrikneue Traktionsbatterien und stellt den Optimalzustand fest. Vereinfacht gesagt, wird das Elektroauto im Bestand mit diesem Ideal ins Verhältnis gesetzt. Daraus ergibt sich das Ergebnis, das zum Beispiel bei einem SOH von 75 Prozent liegt. Zusätzlich wird ein Energieinhalt in Kilowattstunden ausgewiesen.

Starttermin für den Battery Quick Check ist der 31. August, etliche Monate nach der ursprünglichen Ankündigung. In zertifizierten SOH-Feststellungen wie dem Battery Quick Check des TÜV Rheinland in Kooperation mit Twaice oder der Alternative von Aviloo liegen sowohl große Chancen als ein hohes Konfliktpotenzial.

Der TÜV Rheinland bietet in Kooperation mit Twaice den Battery Quick Check an. Das Verfahren ist unabhängig und zertifiziert. Gebrauchtwagenkäufer, aber auch die Verkäufer erhalten so eine Sicherheit über den SOH der Traktionsbatterie eines Elektroautos.

(Bild: TÜV Rheinland))

So weist der TÜV Rheinland ausdrücklich auf den Einfluss des Nutzerverhaltens hin. Die beste Bedingung für die Dauerhaltbarkeit einer Traktionsbatterie ist ein Ladestand von 50 Prozent. Je weiter und je länger der tatsächliche Ladestand davon entfernt ist, desto stärker die Degradation. Wer also jeden Abend das Elektroauto anschließt, auf 100 Prozent lädt und möglicherweise über viele Stunden so stehenlässt, stresst die Zellen.

Auch Schnellladen führt zu einem beschleunigten Verschleiß. Nahezu ruinös ist es, eine sehr kalte Traktionsbatterie schnell zu laden. Wer das Elektroauto schonen will, verkleinert also das Ladefenster so weit wie möglich. Vielfach können die Nutzer den Maximalstand auf 80, 70 oder noch weniger Prozent begrenzen. Das Gleiche gilt nach unten hin. Immer schön von 40 auf 60 Prozent laden, und das Teil hält sehr, sehr lange.

Der Battery Quick Check ist Chance und Risiko zugleich. Die Datensammlung könnte entlarven, dass bestimmte Autotypen schneller verschleißen als andere. Hier liegt ein Konfliktpotenzial. Zugleich haben die Nutzer durch ihr Verhalten einen Einfluss auf die Degradation – je länger und je weiter der Ladestand der Batterie von 50 Prozent entfernt ist, desto größer ist der Stress fürs System.

(Bild: TÜV Rheinland))

Hieraus ergibt sich offensichtlich, dass es Nutzungsprofile gibt, die die Traktionsbatterie stärker stressen als andere. Vielfahrer, die den größten Teil des Energieinhaltes tatsächlich brauchen und außerdem häufig Schnellladen, gehören allen voran dazu. Laternenparker sind die zweite große Gruppe – ein Elektroauto, das auf der Straße parkt, ist über den Jahresverlauf naturgemäß viel höheren Temperaturschwankungen ausgesetzt als eines, das in der Garage steht.

Die Autoindustrie garantiert den Besitzern im Regelfall einen Mindest-SOH von 70 Prozent für bis zu acht Jahre oder 160.000 Kilometer. Präzedenzfälle, bei denen es zum Streit kommt, weil sich Hersteller und Halter über die Auslegung der Garantiebedingungen streiten, sind bisher nicht in größerer Zahl bekannt. Das kann sich ändern, zumal die Autoindustrie eine gewisse Ausfallrate bei der Auslegung hinnimmt.

Dafür spricht, dass es für Autoindustrie und Kunden dabei unter Umständen um erhebliche Beträge geht. Die Antwort auf die Frage, ob eine Batterie 71 oder 69 Prozent des ursprünglichen Energiegehaltes hat, ist möglicherweise ein paar Tausend Euro wert. Hinzu kommt: Die Garantie für einen Mindest-SOH bedeutet eben nicht, dass Kunden bei einer Unterschreitung eine neue Batterie bekommt. Die Autokonzerne werden nur das wiederherstellen, was garantiert wurde. Dafür wird im Zweifelsfall einfach das schwächste Modul ausgetauscht und so der SOH-Wert wieder über den garantierten Wert gehoben.

In der gigantischen Datensammlung, die bei den Analyseunternehmen in den kommenden Jahren automatisch entsteht, liegt eine riesige Chance: Sollten die Daten transparent gemacht werden, könnten Gebrauchtwagenkäufer eine Übersicht darüber haben, welche Elektroautos lange halten und welche durch erhöhten Verschleiß oder gar durch häufige Defekte auffallen.

Denn so viel ist auch klar: Neben dem Nutzerverhalten sind es die Soft- und Hardware im Elektroauto, die für eine hohe Dauerhaltbarkeit entscheidend sind. Das Batteriemanagementsystem macht schließlich automatisch das, was der Mensch unterstützen kann: Die Zellen so gut wie machbar steuern. Wenn die Hardware in Form einer aktiven Heizung und Kühlung aber nicht oder nicht ausreichend vorhanden ist, kann auch die Software nicht helfen. Ein gekonnt abgestimmtes Batteriesystem mit einem perfekten Temperaturmanagement ist die beste Voraussetzung für langanhaltende Freude mit dem Elektroauto.

Wichtigster Konkurrent des TÜV Rheinland mit Twaice ist Aviloo. Elektroautohalter können dieses zertifizierten Tests selbst durchführen, müssen dafür aber eine lange Strecke mit dem Messgerät fahren.

(Bild: Aviloo)

Viele Tesla-Besitzer etwa können nachweisen, dass die Degradation eher gering ist. Der Battery Quick Check wird das auf absehbare Zeit nicht bestätigen können: Tesla ist vorerst ausgenommen, weil die einheitliche Schnittstelle in den meisten Fällen fehlt.

Der Konkurrent Aviloo hat in Hintergrundgesprächen mehrfach darauf hingewiesen, dass es eine große Schwankungsbreite beim Verschleiß der Traktionsbatterie gibt. Diese Erfahrung bestätigt Twaice. Das heißt, dass sich keine einheitlichen Aussagen ableiten lassen. Im Gegenteil, es gibt eine deutliche Spannbreite bei der Degradation.

Sowohl für die Halter von Elektroautos als auch jene, die sich für einen elektrischen Gebrauchten interessieren, ist die SOH-Feststellung von höchster Relevanz. Das Thema steht jetzt am Anfang. Die Zahl der Elektroautos, die bereits unterwegs sind, ist winzig im Verhältnis zu denen, die noch kommen. Heute liegt das Durchschnittsalter der Pkw in Deutschland bei gut zehn Jahren. Irgendwann kommen Elektroautos an den gleichen Punkt. Es ist anzunehmen, dass einige fürs Refurbishment fällig sind. Hier wird eine völlig neue Werkstattkultur wachsen.

(mfz)