Unsere letzte Chance: Was gegen das Artensterben hilft

Seite 2: Risiko der Ausrottung

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Eine weitere wichtige Dienstleistung der Natur ist das Bestäuben von Nutzpflanzen. Etwa ein Drittel der Welternährung basiert darauf. "Den Verlust von einzelnen Vogel- oder Säugetierarten können Ökosysteme oft noch einigermaßen ausgleichen, doch Insekten sind systemrelevant", warnen Steffens und Habekuss.

Ähnliches gelte auch für Pflanzen: "Ungefähr 6000 Pflanzen hat der Mensch seit der Sesshaftwerdung kultiviert. Aber die meisten davon sind vom Aussterben bedroht. Inzwischen hängen zwei Drittel der Welternährung von nur neun Pflanzenarten ab. Eine genetische Verengung, die brandgefährlich ist. Wenn die Klimakrise die Hitzetoleranz einer Art überfordert oder ein neuer Krankheitserreger auftaucht, könnte das Hungerkatastrophen auslösen. Der beste Schutz davor ist: Vielfalt." Der Ornithologe Peter Berthold formulierte es in der 3sat-Sendung nano ähnlich drastisch: "Wenn wir so weitermachen, haben wir in 30 Jahren Verhältnisse, wo wir nicht mehr in der Lage sind, unsere Bevölkerung zu ernähren."

Waldrappe sind Zugvögel, aber beim Auswildern müssen sie das Ziehen erst erlernen. Deshalb zeigt ihnen ein Ultraleichtflieger den Weg.

(Bild: Waldrappteam)

Die Pharmazie profitiert ebenfalls von der Biodiversität: "Irgendwo da draußen in einem Regenwald, Korallenriff oder Trockenrasen gedeiht vielleicht schon jetzt die Lösung gegen Antibiotikaresistenzen. Wenn wir auf diese Lebensräume nicht aufpassen, sind Antworten weg, bevor wir unsere Fragen anständig formuliert haben", schreiben Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg in ihrem Buch "Was hat die Mücke je für uns getan?".

Auch bei Pandemien sind die Ursachen eng mit denen des Artensterbens verknüpft. Die Reduzierung der Lebensräume führt dazu, dass Arten näher zusammenrücken, wodurch Krankheitserreger eine größere Chance haben, von einem Wirt auf den anderen zu wechseln – und irgendwann auch zum Menschen.

Am Beispiel eines Blauwals haben Ökonomen des Internationalen Währungsfonds den wirtschaftlichen Nutzen einer Tierart durchgerechnet. Das Ergebnis: Dadurch, dass ein großer Wal Touristen anlockt, in seinem Körper Kohlendioxid speichert und durch seinen Kot Nährstoffe im Meer verteilt, kommt er auf einen Wert von rund zwei Millionen Dollar. Würden die Bestände wieder auf das Niveau vor Beginn des Walfangs ansteigen, könnte allein diese Tiergruppe ein Zwanzigstel der globalen Treibhausgase absorbieren.

Rechnet man alle unentgeltlichen "Ökosystemleistungen" der Natur für die Nahrungsproduktion, Reinigung von Luft und Wasser und andere Faktoren hinzu, kommen Summen von 16 bis 54 Billionen Dollar jährlich zusammen. Das hat eine Forschungsgruppe der University of Maryland ermittelt. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt der USA liegt bei etwa 20 Billionen Dollar.