Unsere letzte Chance: Was gegen das Artensterben hilft

Seite 5: Leidtragende sind die Mikroorganismen

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"Die Leute wollen schützen, was sie sehen können", hat Rebecca Nesbit beobachtet. "Aber bei den begrenzten Ressourcen können wir uns nicht leisten, dass ein paar wunderschöne Spezies die ganze Show stehlen." Leidtragende seien beispielsweise Mikroorganismen. "Dabei hat eine ganze Flut an Forschung gezeigt, wie stark sie unsere Umwelt, unsere Körper und sogar unseren Geist formen. Allein auf unseren Handflächen gibt es mehr Bakterienstämme als Säugetierarten in ganz Großbritannien." Noch größer ist die Biodiversität im Darm. Nesbit: "Analysen von DNA-Fragmenten fossiler menschlicher Exkremente haben einen sehr viel größeren Variantenreichtum gezeigt als heute. Der menschliche Darm hat also ein ,Massenaussterben‘ hinter sich, das potenziell unsere mentale und körperliche Gesundheit beschädigen kann."

Selbst Parasiten spielen eine wichtige Rolle in Ökosystemen. "Es werden mehr Tiere von innen nach außen gefressen als von außen nach innen", sagte der Ökologe Andrew Dobson gegenüber dem "New Scientist". In einigen Lebensräumen machen sie fast die Hälfte der Biomasse aus – und halten, ähnlich wie Raubtiere, Schädlinge in Schach.

Trotzdem werden Parasiten oft gezielt oder unwissentlich vom Menschen ausgerottet. Zum Beispiel bei der Guamralle. Anfang der 1980er-Jahre haben Tierschützer die letzten 22 noch frei auf Guam lebenden Vögel eingefangen und in Gefangenschaft weitergezüchtet. Währenddessen haben sie die Rallen routinemäßig entlaust – und somit die Guamrallen-Laus ausgerottet. "Dabei ist es möglich, dass die Guamralle sogar von dieser Laus profitiert hat", schreibt Nesbit. "Aber solche Fragen kamen damals niemandem in den Sinn." Die Lehre daraus: "Wir müssen uns vor Gefühlen und Intuition in Acht nehmen. Unsere Abneigung gegen Parasiten zeigt, wie leicht wir unschätzbare Spezies übersehen können."

Der Critical Ecosystem Partnership Fund identifiziert und unterstützt gefährdete, besonders artenreiche Gebiete.

(Bild: Critical Ecosystem Partnership Found (CEPF))

Eine weitere Kategorie besonders schützenswerter Spezies sind die "Schlüsselarten", die entscheidend sind für das Funktionieren eines Ökosystems – so wie Bisons für offene Prärien oder Seeotter für Kelpwälder. Auch hier zeigt sich wieder: Der Schutz von Arten lässt sich nicht vom Schutz ihrer Lebensräume trennen (und umgekehrt).

Der Critical Ecosystem Partnership Fund (CEPF) hat weltweit 36 Gebiete benannt, die als "Hotspots" der Artenvielfalt besonders schützenswert sind. Dazu müssen dort mehr als 1500 Gefäßpflanzenarten wachsen, die es nirgendwo sonst gibt, und sie müssen mehr als 70 Prozent ihrer ursprünglichen Vegetation verloren haben. Bei 25 dieser 36 Hotspots hat die Organisation bereits Schutzprojekte unterstützt. Diese Gelder gehen vor allem an Menschen vor Ort. Die Projekte reichen vom Kampf gegen invasive Arten bis zum Ökotourismus.