Unsere letzte Chance: Was gegen das Artensterben hilft

Seite 8: Sharing oder Sparing?

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Solche extensiv genutzten Flächen sind zwar gut für die Artenvielfalt, bringen im Schnitt aber auch weniger Ertrag – ergo braucht man mehr Flächen, um die gleiche Menge an Nahrungsmitteln zu erzeugen. Wäre es da nicht sinnvoller, eine möglichst intensive Landwirtschaft zu betreiben, um der Natur möglichst viel ungestörten Raum übrig zu lassen? Unter dem Stichwort "Sharing" (Integration von Naturschutz und Produktion) versus "Sparing" (Trennung) sorgt diese Frage regelmäßig für Diskussionen.

"Wir brauchen beides", meint Katrin Böhning-Gaese. "Nach dem Sparing-Prinzip hätten wir in Deutschland irgendwann nur noch riesige Getreidefelder und Wald – und keine Feldlerchen oder Hasen mehr." Sie plädiert für etwa ein Drittel Ökolandbau in Deutschland. In den Tropen hingegen sei oft die ineffektive Landwirtschaft ein Problem – sie müsse dort deutlich ertragreicher werden. "Das ist ein möglicher Ansatz, um zu verhindern, dass sich die Felder in die Wälder hineinfressen."

Um künftig zehn Milliarden Menschen satt zu bekommen, müssen wir aber auch unser Ernährungsverhalten ändern, sagt Böhning-Gaese. Der Flächenbedarf für Rindfleisch sei rund 160 Mal so hoch wie für Kartoffeln. "Schon wenn wir unseren Fleischkonsum halbieren, könnten wir den niedrigeren Ertrag aus Ökolandbau locker kompensieren."

Eine weitere Frage, welche die Ökobewegung polarisiert: Sollen Naturschutzgebiete völlig ohne Eingriff des Menschen auskommen – oder brauchen sie ein gewisses Management, etwa durch die gezielte Ansiedlung oder Bejagung von großen Pflanzenfressern?

"Für einige Spezies sind gemanagte Habitate besser als Rewilding", meint Rebecca Nesbit – beispielsweise für Spezialisten, die ganz besondere Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. "Vielleicht brauchen wir ein Mosaik aus Habitaten, die auf verschiedene Arten gemanagt werden – und einige von ihnen gar nicht."

Katrin Böhning-Gaese hat hingegen die Erfahrung gemacht, dass es "erstaunlich gut funktioniert, auf einem Teil der Fläche überhaupt nichts zu machen". Das könne man beispielsweise am Nationalpark Bayerischer Wald beobachten oder bei jedem beliebigen Rasen, wenn er lange nicht gemäht wurde. "Da entstehen oft viel artenreichere und resilientere Systeme."

Ihr Fazit: "Wir müssen unser akademisches Wissen nutzen, um zu entscheiden: Wo kann man die Natur machen lassen, wo muss man nachhelfen." Darauf setzen auch Steffens und Habekuss ihre Hoffnung: "Wir wissen ungleich mehr über die Mechanismen der Umweltzerstörung, kennen mögliche Gegenmaßnahmen, haben wichtige Hebel identifiziert. Wir verfügen über Möglichkeiten, die in der Geschichte der Menschheit einzigartig sind."

(lca)