Chinas Elektroauto-Markt: Großer Kuchen, viele Stücke

China ist der größte Automarkt der Welt. Der Absatz der E-Autos wächst enorm. Davon profitieren vor allem die unzähligen Hersteller in der Volksrepublik.

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BYD

In China ist der Hype um das Auto ungebrochen. Chinesische Hersteller sichern sich Marktanteile, weil sie auf hohe Margen verzichten. So profitieren sie von Skaleneffekten.

(Bild: BYD)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Folge eins einer zehnteiligen Serie, mit der heise Autos auf den chinesischen Automarkt blickt. Dort laufen sich – teils kräftig unterstützt von der sogenannten Kommunistischen Partei – gerade chinesische Elektroautoproduzenten warm, um demnächst mit viel Schwung und einem bunten Strauß modernster Autos den heimischen und die internationalen Märkte aufzurollen. Das dürfte nicht ohne Folgen für die deutschen Autoproduzenten bleiben, deren größter weltweiter Einzelmarkt seit einigen Jahren China ist.

Das wird einerseits absehbar das Bild auf deutschen und europäischen Straßen verändern, aber auch Auswirkungen für die deutschen Produzenten und ihren Absatz in China, dem weltweit größten Einzelmarkt, haben.

Von Januar bis September verkauften die Hersteller in China rund 17 Millionen Neuwagen. Rund 22 Prozent davon fahren rein batterieelektrisch, Tendenz steigend. Allein im September meldeten die Chinesen 475.000 Autos neu an. Das bedeutet ein Plus von 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und den fünften Rekordmonat für diese Fahrzeugklasse in Folge.

Das sind schlechte Nachrichten für die deutschen Hersteller. Denn der Markt der elektrischen Fahrzeuge wird von den chinesischen Marken dominiert – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

In China gibt es etwa 500 Hersteller von rein elektrischen Fahrzeugen. Manche sind bereits in Europa bekannt, beispielsweise BYD oder Nio. Andere Marken oder Modelle bedienen sehr kleine Märkte. Ein Beispiel wäre der Baojun E100 des Joint Ventures SAIC GM Wuling. Die lokale Regierung der Stadt Liuzhou hatte das Fahrzeug ab dem Jahr 2017 enorm gefördert. Zum Beispiel konnten Kunden eine zehnmonatige, kostenlose Probefahrt machen, bevor sie sich für den Wagen entschieden.

Ziel war es, in der Stadt neben der Produktionsstätte für das Fahrzeug, auch die entsprechenden Zulieferer anzusiedeln. Dank Prämien und Subventionen war der elektrische Kleinwagen für umgerechnet 4500 Euro zu haben. Mittlerweile prägt der Baojun das Straßenbild in der Stadt. In den ersten zwei Jahren verkaufte die Marke rund 30.000 Stück. Ähnliche Fahrzeuge – wie beispielsweise der Wuling Hongguang Mini EV – erschienen kurze Zeit später. Auch, weil Elektroautos dort umsonst parken und sogar Busspuren benutzen dürfen. Liuzhou gilt als Elektrohauptstadt der Welt.

Die deutschen Hersteller tun sich dennoch schwer. Je beliebter Elektroautos werden, desto stärker sinkt deren Marktanteil.

(Bild: VW)

Für ausländische Hersteller ist auf diesem Markt kaum Platz. Er wird von lokalen Unternehmen dominiert. In die Liste der 15 erfolgreichsten EV-Marken (Absatz Januar bis August 2022) schaffen es nur zwei Unternehmen, die mehrheitlich im Besitz ausländischer Firmen sind. Nämlich SAIC GM Wuling und Tesla. Mit SAIC-VW und FAW-VW schaffen es immerhin noch zwei Konstrukte mit deutscher Beteiligung in die Liste.

Die 15 erfolgreichsten EV-Hersteller in China nach Marktanteil bei den Neuzulassungen zwischen Januar und August 2022 nach Angaben der China Passenger Car Association (CAPCA).

  1. BYD (29,3 Prozent)
  2. SAIC-GM-Wuling (9,6 Prozent)
  3. Tesla (7,0 Prozent)
  4. Cherry (5,0 Prozent)
  5. GAC Aion (4,6 Prozent)
  6. Geely (4,3 Prozent)
  7. Xpeng (3,1 Prozent)
  8. Chang’an (3,0 Prozent)
  9. Nezha (2,9 Prozent)
  10. Great Wall Motors (2,9 Prozent)
  11. Li Auto (2,8 Prozent)
  12. Leap Motor (2,4 Prozent)
  13. Nio (2,2 Prozent)
  14. SAIC-VW (1,8 Prozent)
  15. FAW-VW (1,2 Prozent)

Elektroautos sind nicht die große Stärke deutscher Hersteller. Zwar hat Volkswagen in China einen Marktanteil von 11,3 Prozent, bei den elektrifizierten Fahrzeugen (inklusive Hybridmodelle) sind es aber nur 3,7 Prozent, rechnet das Mercator Institute for China Studies ("MERICS") vor. BMW hat einen Anteil von 3,9 Prozent am Gesamtmarkt, eroberte aber nur 1,4 Prozent dieser Nische. Bei Mercedes ist der Anteil mit 3,5 zu 0,3 Prozent ebenfalls verheerend. Geht der Trend zum Elektroauto in China so weiter, wird sich das Problem verschärfen.

Das Problem ist hausgemacht. Zum einen, weil sie den Fortschritt in den Bereichen der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Systemsoftware schlicht verschlafen haben. Sie kamen zu spät und mit falschen Fahrzeugen auf den Elektroautomarkt in China. Zum anderen, weil sie während der Coronakrise zu sehr auf Profite geachtet haben. Die deutschen Hersteller haben den Mangel an Halbleitern genutzt, um die Margen nach oben zu treiben. Die Chips, die sie hatten, haben sie in hochpreisigen Modellen verbaut.

Zeitgleich fahren chinesische Elektromarken seit Jahren eine Strategie, die darauf ausgelegt ist, Marktanteile zu gewinnen. Während Volkswagen mit 7,7, BMW mit 12 und Mercedes mit 12 Prozent Ebit-Marge im Geschäftsjahr 2021 dank teurer Verbrenner vor Selbstvertrauen durch keine Tür mehr passten, verkauften Hersteller aus China komplett ausgestattete Elektroautos mit Mini-Margen. Mit gerade einmal fünf Prozent Marge gehört Geely noch zu den erfolgreichsten. Das Geld soll langfristig durch Monetarisierung der Daten verdient werden, beispielsweise mit Entertainment-Angeboten, Versicherungen und Abo-Systemen für einzelne Funktionen. Letztere stoßen in China auf deutlich positivere Resonanz als hierzulande.

So konnten chinesische Hersteller sehr viel früher Skaleneffekte nutzen. Selbst mit E-Autos, die gerade einmal 12.000 bis 15.000 Euro kosten, erwirtschaften sie mittlerweile Gewinn, rechnet das Beratungsunternehmen McKinsey vor. Etwas, das vor drei Jahren noch undenkbar schien.

Die deutschen Autohersteller versuchen aufzuholen. Etwa durch Joint Ventures und Beteiligungen in der Volksrepublik. Das gilt nicht nur beim eigentlichen Fahrzeugbau, sondern entlang der Wertschöpfungskette und durch den Ausbau der Abteilungen für Forschung und Entwicklung in China.

Davon soll der globale Absatz der Hersteller profitieren. MERICS hat allerdings Zweifel an der Strategie. Die Marktbeobachter weisen darauf hin, dass die chinesische Wirtschaft davon deutlich stärker profitiere als die deutsche. Es sei zumindest unsicher, ob mit Ingenieursstellen, Zulieferern und Fahrzeugproduktion (samt globalen Export) in China Arbeitsplätze in Deutschland gesichert werden können.

(fpi)