Zehn Autos der 50er-Jahre

Die Träume waren im ersten Jahrzehnt der noch zögerlich startenden Massenmotorisierung sicher noch größer als die Realität. Diese Modelle bleiben in Erinnerung.

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Opel Kapitän
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

Frieden. Durchatmen. Das Land liegt in Trümmern, doch es entstehen Jobs, die nichts mit der Rüstungsproduktion zu tun haben. Die Supermarktregale füllen sich. Filme und Musik wecken das Reisefieber. Und mittendrin ist die Automobilindustrie, die das neue Lebensgefühl bedienen und das Wirtschaftswunder mobilisieren muss. Damit emanzipiert sich ein ganzer Wirtschaftszweig. Denn endlich ist er nicht mehr nur für die Reichen oder die Rüstung zuständig, sondern für die ganze Gesellschaft. Das Zeitalter des Automobils beginnt.

In den 50er-Jahren unterliegen die Automodelle gewissen Zwängen. Rohstoffe, Maschinen und Geld sind begrenzt, die Anforderungen aber enorm. Billig müssen die Wagen sein, und robust. Trotzdem müssen sich die Fahrzeuge klar von den Militärmodellen abgrenzen. Diese Zeiten sollen endgültig beendet werden. Autos, die dieses Jahrzehnt prägen wollen, müssen kompromisslos sein. So wie diese zehn Modelle der 50er-Jahre. Die Auswahl und Reihung erfolgten streng subjektiv.

Der VW Bus T1 ist ein Sinnbild für die 50er-Jahre. Damals bauten Mitarbeiter ausrangierte Käfer zu Transportern um, indem sie Ladeflächen aus Holzlatten improvisierten. Die so entstandenen "Plattenwagen" nutzten sie in der Logistik im Wolfsburger VW-Werk. Um daraus einen Alleskönner-Bus für Kunden zu machen, wird die Technik vom Käfer beinahe übernommen. Bedeutet: Ein luftgekühlter 4-Zylinder-Boxermotor schickt seine Kraft gen Hinterachse.

Mit dem Bulli prägte Volkswagen ganze Jahrzehnte. Erst waren es Friedensbewegte, die sich den Wagen zu eigen machten, dann Sammler.

(Bild: VW)

Die Basis ist so simpel, dass Volkswagen daraus problemlos alles bauen kann, was sich der Kunde wünscht. Pritschenwagen, Kleinbus, Kombi, Camper, Einsatzfahrzeug für Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienste. Im Oktober 1954 – nur vier Jahre nach Produktionsbeginn – liefert Volkswagen bereits den 100.000ten T1 aus. Als im Juli 1967 der Nachfolger präsentiert wird, hat VW insgesamt 1,8 Millionen Stück gebaut und verkauft.

Für Handwerker und Familien, Feuerwehrleute und Polizisten – VW baute für jeden denkbaren Anwendungsbereich den passenden Bulli.

(Bild: VW)

Der VW Bulli kurbelte derart kräftig die Produktion an, dass Volkswagen damit nach Hannover musste, um ausreichend Platz zu haben.

(Bild: VW)

Mit dem Wunsch nach Mobilität wollte auch ISO Rivolta Geld verdienen. Nach Kriegsende bauten die Italiener vor allem Motorroller. Für die Entwicklung der Isetta nahm die Firma dann einen Kredit auf, bei dem sie sich massiv verhoben. Sie glaubten, sie könnten 10.000 Stück pro Jahr fertigen. Taten sie nicht. Im ersten Produktionsjahr waren es gerade einmal 3000 – trotz Exporten nach Frankreich, England, USA, Mexico, Belgien, Portugal und in die Schweiz.

ISO Rivolta verdiente sein Geld ursprünglich mit Kühlschränken. Der Öffnung der Isetta sieht man das an.

(Bild: BMW)

Zum Glück war BMW auch gerade kurz vor der Pleite, weil der 501 und 502 viel zu teuer waren für das gebeutelte Nachkriegsdeutschland. Die Münchner kauften die Lizenz und die Produktionsstraße. Der Zweitakter der Italiener wich einem Einzylinder-Viertakter aus dem Motorrad BMW R 24 / R 25, was den Wagen etwas erwachsener wirken ließ. Innerhalb des ersten Jahres wechselten 10.000 Stück den Besitzer. Bis Ende der 50er-Jahre spülte die "Knutschkugel" Geld in die klammen, bayerischen Kassen.

BMW zeigte sich früh äußerst kreativ bei der Namensfindung und nannte die Fahrzeugklasse „Motocoupé“.

(Bild: BMW)

Im Jahr 1955 traten zwei Isetta auf der Mille Miglia an. Mario Cipolla landete in seiner auf Platz 267 (vorne zersägte Stirling Moss im Mercedes 300 SL die Ferraris). Spannend ist der Leistungsindex. Hier wird die Gesamtzeit um Hubraum und Motorleistung bereinigt. Hier landete Cipolla auf Platz drei.

(Bild: BMW)

Den Angestellten von Citroën war schon vor der Präsentation des Fahrzeugs auf dem Pariser Autosalon 1955 klar, dass ihnen hier ein großer Wurf gelungen war. Intern wurde das Projekt VGN genannt, was für "voiture à grande diffusion" stand. Also "Massenmarktauto". Bei Citroën gab es keinen Zweifel daran, dass sich dieses Fahrzeug, das als DS berühmt werden sollte, durchsetzen würde. Selbst den Spitznamen "Göttin" verpassten die Kunden dem Wagen. Dabei wären Zweifel angebracht gewesen.

Wenn Kunden deinem Auto den Spitznamen „Göttin“ geben, dann hast du als Ingenieur etwas richtig gemacht.

(Bild: Citroën)

Denn die DS war mutig. Design und Technik ließen alle Konkurrenten mit einem Schlag veraltet aussehen. Das zentrale hydraulische System war für Federung, Bremsen, Schaltung und Lenkunterstützung zuständig. Die Optik bescherte dem Fahrzeug nicht nur den Spitznamen "Haifisch", sondern auch gleich eine eindrucksvolle Aerodynamik mit entsprechend niedrigem Verbrauch. Erst im Jahr 1975 beendete Citroën die Produktion – nach rund 1,5 Millionen Stück. Heute muss das Kürzel DS einer ganzen Marke Flair einhauchen.

Es ist allerdings banaler. Aus „DS“ wurde umgangssprachlich „la déesse“ und das ist nun mal französisch für Göttin.

(Bild: Citroën)

Früher wurde in Deutschland „der DS“ verkauft. Mittlerweile hat sich das Femininum durchgesetzt.

(Bild: Citroën)

Sportwagen waren damals nicht unkompliziert. Die Technik war anfällig und den reichen Fahrern mangelte es allzu oft an Interesse oder Talent um damit richtig umzugehen. Bis plötzlich Porsche auf den Plan trat und den 356 kreierte. "Kreierte", weil Erwin Kommeda, der österreichische Designer hinter dem Fahrzeug, an die Optik ran ging wie an ein Kunstwerk. Der "Goldene Schnitt" stand über allem. Nie wieder sollte ein Fahrzeug so wohlproportioniert auf der Straße stehen. Einen "Regentropfen aus Aluminium" nannte Auto-Enthusiast und Comedian Jerry Seinfeld das Ergebnis.

Die ersten Exemplare des Porsche 356 wurden bereits 1948 gebaut. Wir nehmen den Wagen trotzdem in diese Liste auf. Fertig. Aus.

(Bild: Porsche)

Größter Vorteil des Fahrzeugs war aber, dass Porsche schon damals tief ins Technikregal von Volkswagen griff. Der luftgekühlte Boxermotor im Heck, Kurbellenkerachse vorne, Pendelachse hinten, platzsparende Drehstäbe zur Federung. Jede Werkstatt, die Volkswagen reparieren konnte, konnte auch den Porsche 356 wieder auf Vordermann bringen.

Ottomar Domnick war Psychiater und Kunstsammler. Er bestand darauf, seinen Porsche 356 selbst abzuholen. Auch die kurzen Hosen zum Sakko konnte ihm niemand ausreden. Aus der privaten Abholung in Zuffenhausen hat Porsche seitdem eine Tradition gemacht.

(Bild: Porsche)

Gerüchtehalber entstand der Porsche 356, weil Ferry Porsche sich seinen Traumwagen einfach selber bauen wollte.

(Bild: Porsche)

Als "Sound of Wirtschaftswunder" bezeichnete ein Fachmagazin den Motorenklang des 300 SL einmal. Und das ist Quatsch. Denn damals wie heute ist dieser Mercedes ein Auto für Millionäre und damit von denen, die den Aufschwung erarbeitet haben, so weit weg wie der Amazon-Kurier vom Weltraumtrip mit Jeff Bezos. Die Reichen und Schönen schmückten sich mit diesem Auto. Herbert von Karajan fuhr einen, Sophia Loren, Gunther Sachs, Clark Gable ... die Liste prominenter Fahrer ist lang. Wenn auch nicht so lang. Gerade einmal 1400 Coupés und 1858 Roadster wurden gefertigt.

Genauso subjektiv wie ehrlich: Das Mercedes-Benz 300 SL Coupé ist der vielleicht schönste Wagen, den die Marke je gebaut hat.

(Bild: Mercedes)

Mercedes hat beim 300 SL aus wenig viel gemacht, um es provokant zu formulieren. Denn unter dem Blechkleid, das sicherlich zu den schönsten zählt, die jemals ihren Weg in die Serienfertigung gefunden haben, steckt bewährte Technik. Die stammt aus dem W 186 II. Eine eher plumpe babyspeckige Limousine, die Mercedes von 1951 bis 1957 baute. Clou des Fahrzeugs ist natürlich der Gitterrohrrahmen von Rudolf Uhlenhaut. Wegen dessen niedrigen Gewichts (nur 82 Kilogramm) liegt der Schwerpunkt exakt in der Fahrzeugmitte. Zur Legende des Wagens trugen natürlich auch die Rennsporterfolge von (u.a. von Stirling Moss) bei.

Die Flügeltüren erhielten im Englischen den Namen „Gullwing“ (Möwenflügel). Sie erheben das Coupé über das Cabrio.

(Bild: Mercedes)

Für gut erhaltene Mercedes 300 SL rufen die Besitzer heute deutlich über eine Million Euro auf. Und Interessenten zahlen diese Summe.

(Bild: Mercedes)

So einfach kann Automobilbau sein. Ein unprätentiöses Auto sollte her, entschied Peugeot nach dem Krieg. Ein unkaputtbarer Alleskönner, der 300.000 bis 400.000 Kilometer schafft, ohne größere Reparaturen. So einfach ist es dann eben doch wieder nicht. Weil weder die Straßen noch der Sprit der Nachkriegszeit die passende Qualität hatten. Also entschieden sich die Franzosen für eine Sensation: Ein 1,9-Liter-Dieselmotor kam unter die Haube. Der hatte mehr Drehmoment und verbrauchte weniger als die Konkurrenz (natürlich waren auch Benziner im Angebot).

Peugeot wusste damals, was andere Hersteller nicht wussten: Kunden mögen unkomplizierte Autos, die nicht kaputt gehen. Konnte ja keiner ahnen.

(Bild: Peugeot)

Den Peugeot 403 gab es als Limousine, Kombi, Pick-up, mit sechs oder acht Sitzen, als Kranken- oder Leichenwagen. Insgesamt 51 verschiedene Varianten waren im Angebot. Darunter auch ein Cabrio, das es zu besonderem Ruhm bringen sollte. Zwar wurden von ihm nur 2043 Stück gebaut (im Vergleich zu 1,2 Millionen Stück produzierten 403), doch eines davon fuhr Inspektor Columbo. Die Produzenten brauchten ein schrulliges Auto, um Hauptdarsteller Peter Falk möglichst spleenig darzustellen.

Ein Erfolgsgarant war, dass die Franzosen den Peugeot 403 in insgesamt 51 Fahrzeugvarianten produzierten. Ein Nutzfahrzeug im Pkw-Kleid.

(Bild: Peugeot)

Mit einem Dieselmotor in einem Familienauto leistete Peugeot damals noch Pionierarbeit.

(Bild: Peugeot)