Digital Services Act: Was sich gegenüber dem NetzDG ändert

Seite 3: Sonstige Pflichten

Inhaltsverzeichnis

Wie das NetzDG sieht auch Art. 15 DSA die Pflicht der Vermittlungsdienste zur Erstellung von Transparenzberichten vor, wobei für Onlineplattformen und VLOPs zusätzliche inhaltliche Anforderungen gelten. Auch die im NetzDG rechtspolitisch umstrittene Meldepflicht für Straftaten wurde in Art. 18 DSA implementiert. Während im NetzDG wie erwähnt ein abschließender Katalog von meldepflichtigen Straftaten normiert wurde, umgeht der DSA das Problem der unterschiedlichen Strafrechtssysteme der Mitgliedsstaaten. Die Plattformen müssen der abstrakten Umschreibung zufolge jede "schwere Straftat" melden, "die eine Gefahr für das Leben oder die Sicherheit von einer Person oder mehreren Personen darstellt".

Art. 11 DSA sieht für alle Vermittlungsdienste mit Niederlassung in der Europäischen Union die Pflicht zur Einrichtung einer elektronischen Kontaktstelle vor. Vermittlungsdienste ohne Niederlassung in der Union müssen nach Art. 13 DSA einen gesetzlichen Vertreter als Ansprechpartner für die Aufsicht benennen. Die Vorschrift erinnert zwar an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 NetzDG, Zustellungen in gerichtlichen Verfahren finden aber keine Erwähnung.

An einigen Stellen geht der DSA deutlich über das NetzDG hinaus. In Art. 36 DSA findet sich ein zeitlich befristeter Krisenmodus, mit dem die EU-Kommission einzelnen Plattformen sofortige Risikoanalysen und scharfe Maßnahmen für maximal drei Monate auferlegen kann. Er greift bei "schwerwiegender Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit". Es ist unschwer zu erkennen, dass die Verhandler hier konkret den Ukrainekrieg und Desinformationskampagnen während der Coronapandemie im Kopf hatten.

Auch ein nicht ganz vollständiges Verbot von irreführender Nutzerführung ("Dark Patterns") sieht der DSA vor. Des Weiteren enthält er ein Verbot von Werbetracking von Jugendlichen, einige Verpflichtungen zur Algorithmentransparenz sowie den Zugang zu Daten für wissenschaftliche Zwecke.

Das NetzDG folgte weitestgehend dem Marktortprinzip. Demnach gelten die deutschen Vorschriften auch für ausländische soziale Netzwerke, wenn sie ihre Dienste hier zugänglich machen. Der DSA folgt diesem Ansatz. Er findet auf alle Anbieter ungeachtet ihres Niederlassungsortes Anwendung, sofern ihre Dienste für EU-Nutzer angeboten werden. Die Überwachung erfolgt gemäß Art. 56 aber durch die nationalen Behörden. Für die marktdominierenden US- Konzerne wird jedoch die Kommission zuständig sein.

Jeder Mitgliedsstaat muss einen Koordinator für digitale Dienste ernennen, der für alle Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung und Durchsetzung des DSA zuständig ist. Bedingung: Dieser Koordinator muss unabhängig von politischen Weisungen agieren können. In Deutschland ist noch unklar, welche Behörde dies sein wird. Das für das NetzDG zuständige Bundesamt für Justiz gilt angesichts der Aufsicht durch das Bundesjustizministerium als ungeeignet. Die Landesmedienanstalten haben sich ins Spiel gebracht. Laut Expertenstimmen ist anzunehmen, dass entweder die Bundesnetzagentur den Zuschlag erhält oder eine neue Behörde kreiert wird.

Bei VLOPs ist laut DSA ohnehin die EU-Kommission für die Aufsicht zuständig. Darüber hinaus soll es auf Unionsebene ein europäisches Gremium für digitale Dienste geben, das insbesondere die Koordinatoren berät. Bei der Aufsicht bleiben noch viele Fragen offen, obwohl der Sanktionierung eine entscheidende Rolle zukommt: Geldbußen in Höhe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens sieht die Verordnung vor. Im Fall anhaltender Verstöße sind sie auch periodisch möglich. Bei anhaltenden systemischen Verstößen kommt sogar ein vorübergehendes Verbot des Angebotes infrage. Im Vergleich zum NetzDG erwartet die Unternehmen ein drakonisches Bußgeld-Regime. (hob)