Forscher zum Batteriemarkt: "Deutschland hat sich zum Musterknaben entwickelt"

Seite 2: "Das System erweitert auf diese Weise sein Wissen."

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Wie funktioniert dieser Roboter?

Der Roboterarm in der ersten Version hat einen Probenkopf aus dem 3-D-Drucker. Der Kopf ist mit ein paar Kubikzentimetern Elektrolyt gefüllt, das mit einer Pumpe in ein paar Sekunden ausgetauscht werden kann. Unten ist eine winzige Öffnung mit einer Gegenelektrode und einer Referenzelektrode. Der Kopf setzt dann auf eine Platte mit einer anderen Elektrode auf, zum Beispiel einer Magnesiumfolie. Dabei bildet sich eine Grenzfläche, ein dünnes Häutchen aus einem neuen Material, welches entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Batterie hat. Am Ende hat man eine Platte mit vielen Punkten drauf, die alle unterschiedliche Eigenschaften haben. Per Hochdurchsatz-Oberflächenanalytik oder Spektroskopie werden die dann autonom analysiert. Nachdem die KI aus den Ergebnissen etwas gelernt hat, sagt sie dem Roboter, was er als Nächstes zu tun hat – und so weiter, in einer Schleife. Das System erweitert auf diese Weise sein Wissen und man bekommt einen multidimensionalen Datensatz. Daraus kann die Mathematik Korrelationen erkennen, die außerhalb der üblichen Wahrnehmungsfähigkeit des Wissenschaftlers liegen. So können wir Treffer um den Faktor 5 bis 10 schneller identifizieren.

Über wie viele Materialkombinationen sprechen wir da?

Sagen wir mal tausend pro Tag. Sie kriegen in einer Woche eine Anzahl von Proben, für die ein einzelner Forscher sein ganzes aktives Forscherleben bräuchte.

Bei wie vielen davon lohnt es sich, sie näher zu untersuchen?

Bei Batterien kann ich Ihnen das noch nicht sagen. In der Katalysatorforschung ist es ein Treffer auf einigen Tausend Daten. Unser Traum ist es, sagen zu können: Liebe KI, ich hätte gern ein Material mit diesen und jenen Eigenschaften, zeig mir bitte, wie ich das machen muss. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Ganz ohne Menschen geht es also auch in Zukunft nicht. Welche Eigenschaften sollte man als Batterieforscher denn idealerweise mitbringen?

Man muss neugierig und ehrlich sein. Mir scheint es, als ob Wissenschaftler manchmal unter dem Druck stehen, einen Wettbewerb gewinnen zu wollen. Sie lassen ihre Technik dann in besonders gutem Licht erscheinen und verschweigen die Nachteile. Es führt aber zu nichts, sich in die Tasche zu lügen. Wir brauchen als Wissenschaftler auch Demut. Letztendlich fragen wir die Natur: Wenn ich das und das mache, welche Antwort gibst du mir? Diese Antwort müssen wir dann auch ehrlich zur Kenntnis nehmen.

Finden Sie genug Nachwuchs?

Jein. Wir hatten im letzten Jahr durch Corona keinerlei Schwierigkeiten, an gute Mitarbeiter zu kommen, – weil die Firmen praktisch gar nicht eingestellt haben. Üblicherweise gehen aber viele Absolventen in die Industrie. In der Forschung müssen wir uns da umschauen. Das führt auch dazu, dass wir hier sehr internationale Teams haben. Es gibt hervorragende Leute aus Indien und China. Seltener sind Leute aus den USA hier.

Ist die hiesige Batterieentwicklung im internationalen Vergleich denn wettbewerbsfähig?

Es ist in Europa zu großen Teilen gelungen, den Entwicklungsvorsprung der Chinesen einzuholen. Die Europäer haben in den letzten Jahren zwei bis drei Mal mehr investiert als China. Und Deutschland hat sich vom Enfant terrible der Batterieproduktion zum Musterknaben entwickelt. Es gibt kein Land in Europa, in dem mehr Gigafactorys geplant oder gebaut werden.

Haben diese neuen Fabriken einen Einfluss auf die Forschungslandschaft – oder sind das reine Produktionsstätten?

Das ändert sich gerade. In den letzten zehn Jahren konnten Sie mit einer Industriefirma nur kooperieren, wenn Sie etwas gemacht haben, was genau in deren Portfolio gepasst hat. Das ist in Asien anders. Dort arbeiten große Firmen sehr langfristig mit Einrichtungen zur Grundlagenforschung zusammen. Aber jetzt, da wir fast auf Augenhöhe mit den Chinesen sind, scheint sich die Lage auch hier ein bisschen zu entspannen. Die Firmen scheinen mehr Interesse zu haben an Themen, die in den nächsten 20 bis 30 Jahren relevant werden könnten.