Hinter den Kulissen von Moia: So arbeitet der Ridepooling-Spezialist

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Ein erhöhter Planungsbedarf ergibt sich auch durch die Elektrifizierung der Flotte. Mit ihrem 77 kWh-Akku schaffen die umgebauten VW Crafter 330 Kilometer. Das reicht für eine Schicht, da die Durchschnittsgeschwindigkeit in der Stadt nur 26 km/h beträgt. Moia betreibt im Stadtgebiet von Hamburg drei Betriebshöfe und drei dezentrale Ladepunkte, um die Fahrzeuge einsatzbereit zu halten.

Sollte die tatsächliche Nachfrage die Vorhersage übersteigen, schafft das System einen Ausgleich, indem es die Preise erhöht. In die Preisanpassung fließen unter anderem Daten der Buchungsvorhersage sowie die Kosten für den Dienstanbieter ein. Als Kosten werden in diesem Fall die Pooling-Wahrscheinlichkeit für eine Fahrt, erwartete Leerkilometer auf dem Weg zu Fahrgästen als auch Stillstand durch Stau betrachtet.

"Zu Beginn war der Algorithmus auf Umsatzoptimierung ausgelegt, sollte also möglichst viele Kunden in einem Fahrzeug platzieren", sagt Dibbern. Das Ergebnis waren relativ hohe Preise und eine schlechte Auslastung der Fahrzeuge, da die Kundenanfragen auf möglichst wenige Autos verteilt wurden. "Das haben wir angepasst, auch im Sinne einer höheren Wiedernutzungswahrscheinlichkeit", so Dibbern. Denn wer einmal schlechte Erfahrung mit dem Service gemacht hat, bucht kein zweites Mal.

Darum fließen inzwischen mehr Faktoren in die Preisberechnung ein, sodass einmal gewonnene Kunden dem Service treu bleiben. Dazu gehören neben dem Preis auch die Fahrtdauer, die Fahrzeugbelegung sowie eine möglichst pünktliche Ankunft. "Auch bei der Ankunftszeit haben wir gelernt", gibt Meyer offen zu.

Die Darstellung des Zeitfensters für die Ankunftszeit hat Moia überarbeitet. Man erkennt nun deutlicher, wann man frühestens beziehungsweise spätestens am Ausstiegspunkt ankommt.

In der ersten Version gab es zwei Zeitangaben zur Ankunft. "Die Kunden hatten nur die erste Zeitangabe im Blick. Bei vielen Beschwerden stellten wir fest, dass wir im ursprünglich angekündigten Fenster waren. Das stellen wir durch einen grafischen Zeitstrahl in der App nun deutlich klarer heraus", sagt Meyer. Im Ergebnis monieren heute weniger Kunden eine verspätete Ankunft.

Ob bei einer Fahrt noch jemand zusteigt, entscheidet sich nicht anhand des Streckenverlaufs oder der Entfernung zum weiteren Kunden, sondern anhand der prognostizierten Ankunftszeit des ersten Fahrgastes. Wird das Zeitfenster eingehalten, bucht das System einen weiteren Passagier hinzu, selbst wenn das einen kleinen Umweg im Fahrweg bedeutet.

Auf Kundenwunsch führte das Unternehmen eine zusätzliche "Express-Option" ein. Damit hat man die Gewissheit, dass weitere Kunden nur aufgenommen werden, wenn sie auf direkter Strecke zusteigen. Das ist praktisch, wenn man mehr Sicherheit bei der Ankunftszeit benötigt, beispielsweise um einen Zug oder einen Flug zu erreichen. Der preisliche Zuschlag für die Option wird ebenfalls dynamisch berechnet. "Je nach Strecke und Tageszeit kann die Differenz um mehrere Euro variieren", sagt Dibbern.

Dabei würde die dynamische Preisermittlung für Fahrten mit geringer Buchungswahrscheinlichkeit im Sinne einer höchstmöglichen Kundenmotivation auch einen Fahrpreis von null Euro auswerfen. Das entspricht den Vorgaben des hinterlegten mathematischen Modells. Ausgaben für Fahrzeugbetrieb und Fahrer fallen sowieso an, dann kann auch ein Fahrgast mitfahren. Doch die Null als Fahrpreis bleibt graue Theorie.

Für die endgültigen Preise gelten Schwellenwerte, die die Fahrtkosten nicht unterhalb des ÖPNVs ansetzen. Moias Preise waren vom ersten Tag an ein Politikum. Die symbolischen Cent-Beträge beim Beta-Test in Hannover provozierten scharfe Kritik vom Taxigewerbe wie von Vertretern des ÖPNV (PDF).

Genau gesagt sind es drei Vorschläge mit unterschiedlichen Abholzeiten und Preisen. Hat der Kunde eine Fahrt angenommen, wird in der App bereits ein Fahrzeug in der Karte angezeigt. Doch die Zuordnung des endgültigen Moia-Busses kann sich bis drei Minuten vor Fahrtantritt noch ändern. Das geschieht, falls die automatische Auftragsverteilung ein Fahrzeug findet, das näher dran ist oder das gleiche Ziel ansteuert. "Die Nummer seines Moias sieht der Kunde kurz vor dem 'Rendezvous', wie wir die Abholung nennen", sagt Meyer.