Im Eiltempo zur Fusionsenergie

Funktionierende Fusionskraftwerke, meinen Spötter, sind immer 50 Jahre entfernt. Commonwealth Fusion Systems will in nicht mal fünf Jahren so weit sein.

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Mitarbeiter des Start-ups Commonwealth Fusion Systems bauen den supraleitenden Magneten in den Teststand ein. Der Magnet erreicht eine Weltrekord-Feldstärke von 20 Tesla.

(Bild: Commonwealth Fusion Systems)

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Commonwealth Fusion Systems, ein Start-up, das aus der Fusionsforschung am MIT hervorgegangen ist, will eine Art Anti-ITER liefern: klein, schnell zu bauen und viel billiger. Der Prototyp des SPARC-Reaktors soll Hunderte von Millionen Dollar statt Dutzende von Milliarden kosten und in wenigen Jahren fertig werden. Die ersten Bauarbeiten haben bereits begonnen, berichtet MIT Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 3/2022 (jetzt im heise shop und im Handel). Commonwealth Fusion Systems geht davon aus, dass die Anlage bereits 2025 laufen wird.

Der Wettbewerb zwischen ITER und Commonwealth Fusion Systems sieht oberflächlich so aus wie der prototypische Wettlauf zwischen einem staatlichen, multinationalen Großforschungsprojekt und einem privaten Start-up, der nur einen Gewinner haben kann: das kleine, agile Unternehmen. Denn auf der einen Seite steht eine riesige, bürokratische Organisation. Auf der anderen Seite ein privates Unternehmen, das Geld einsammeln, seine Investoren bei Laune halten und schnell ein Produkt auf den Markt werfen muss. Dass der ITER so groß und teuer ist, hat allerdings nicht nur politische und organisatorische, sondern auch handfeste physikalische Gründe.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 3/2022

(Bild: 

Technology Review 3/2022 im heise shop

)

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Im extrem heißen Plasma eines Fusionsreaktors bilden sich Turbulenzen und Filamente – ständig versuchen Teilchen, dem magnetischen Gefängnis zu entkommen, und das Plasma verliert Energie. Ein Maß für die Beurteilung der Reaktoren ist daher die Energie-Einschlusszeit. Das ist die Zeit, die ein heißes Plasmateilchen im Schnitt braucht, um von der Mitte des Plasmas in die kalten Außenbezirke zu gelangen. Und je größer der Reaktorbehälter, desto größer die Energie-Einschlusszeit.

Theoretisch kann man auch, kleinere, kompaktere Fusionsreaktoren bauen. Allerdings war das lange nur auf dem Papier möglich, denn dafür braucht man sehr viel stärkere Magnete als bisher. Seit einigen Jahren stehen dafür jedoch neue Hochtemperatur-Supraleiter bereit. Commonwealth Fusion hat bereits den ersten Prototyp für solch einen supraleitenden Magneten entwickelt, wie er baugleich später auch im Reaktorprototyp verwendet werden soll. Bei einem Test im vergangenen September erreichte der Magnet eine Feldstärke von 20 Tesla. Damit ist er fast doppelt so stark wie der vergleichbare Magnet des ITER, der auf konventionellen supraleitenden Materialien beruht. Dessen 11,8-Tesla-Hauptmagnete werden aus supraleitenden Niob-Titan- oder Niob-Zinn-Materialien gebaut. Commonwealth nutzt hingegen Hochtemperatur-Supraleiterdraht aus Yttrium-Barium-Kupfer-Oxid.

Stapel aus supraleitenden Bändern bilden den Kern des extrem starken Magneten, den Commonwealth für seinen Reaktor konstruiert hat.

(Bild: Commonwealth Fusion Systems)

Das Material ist schwer zu verarbeiten. Es wird in dünnen Schichten auf einem Trägermaterial aufgebracht – das fertige Material erinnert an Tonbänder. Die Bänder mussten die Entwickler bei Commonwealth zu Stapeln verarbeiten, die den erforderlichen Strom führen können. Für ihren Testmagneten wickelte das Team diese Schichten zu Schleifen auf. Er enthält 16 solcher Spulen mit jeweils 16 Windungen. Jede Spule ist mit eigenen Sensoren ausgestattet. Die gesamte Konstruktion wiegt zehn Tonnen, ist rund drei Meter hoch und erinnert an ein großes D – exakt die Form, die man auch für den Reaktor braucht. Der Supermagnet, der 165 Kilometer supraleitendes Band enthält.

SPARC, der Reaktorprototyp, den Commonwealth derzeit in Devens baut, wird 18 dieser starken Magnete enthalten, die den Tokamak umgeben und so mit ihrem Magnetfeld das Plasma im Inneren fest einschließen. In einer vom Commonwealth-Team im September 2020 mitverfassten Arbeit wurde berechnet, dass der Reaktorprototyp bis zu elfmal mehr Energie erzeugen könnte, als er verbraucht.

Laut Edward Morse, Professor an der University of California in Berkeley, der sich mit der Entwicklung von Fusionsreaktoren beschäftigt, gibt es allerdings noch echte technische Herausforderungen. Zum einen muss Commonwealth noch testen, wie gut die Komponenten der viel größeren Belastung standhalten, wenn alle 18 Magnete zusammenarbeiten. "Sie könnten aus verschiedenen Gründen versagen", sagt er. Morse ist gegenüber den Fusions-Start-ups generell skeptisch, weil einige von ihnen seiner Meinung nach lediglich alte Ideen wieder aufwärmen. Er glaubt jedoch, dass Commonwealth bessere Chancen hat als die meisten anderen Unternehmen in diesem Bereich, gerade weil es keinen radikal anderen Ansatz für die Fusion verfolgt. "Sie behalten den konventionellen Tokamak-Ansatz bei, ersetzen aber den Magneten durch etwas Neumodisches", sagt er. "Das ist es, was mir an dem Projekt gefällt: nur ein großer Sprung nach dem anderen, bitte."

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(wst)